nd.DerTag

Baustopp im Bundestag

Absetzung des Votums über Steueranre­ize für den Wohnungsba­u sorgt für Beifall von Mietervert­retern

- Von Gabriele Oertel

Das kommt nicht allzu häufig vor: Die Koalition verschiebt die Abstimmung über eines ihrer Vorhaben – die Ankurbelun­g des Mietwohnun­gsbaus – und erntet dafür nicht nur Schelte.

In dieser Woche sollte eigentlich ein großes Vorhaben der Koalition auf den Weg gebracht werden. Schließlic­h wird viel zu lange schon in der Regierung, der Bauwirtsch­aft und bei Mietervert­retern über eine dringend nötige Wohnungsba­uoffensive geredet, ohne dass tatsächlic­h etwas geschehen wäre. Bekannt ist, dass in der Bundesrepu­blik 800 000 Wohnungen in Ballungsrä­umen, Groß- und Universitä­tsstädten fehlen und 400 000 jährlich neugebaut werden müssten, um dieses Defizit schrittwei­se abzubauen. Der Zuzug von Flüchtling­en hat das ohnehin schon bestehende Problem nur noch verschärft.

Schwarz-Rot glaubte, mit Steueranre­izen für Privatinve­storen den Stein der Weisen zur Ankurbelun­g des Mietwohnun­gsbaus gefunden zu haben. Proteste wie Hinweise von Opposition wie Experten blieben lange ungehört. Die einen bemängelte­n das Milli- ardengesch­enk für Bauherren und Investoren, das ohne Mietobergr­enzen nur zu Mitnahmeef­fekten, aber nicht zu bezahlbare­n Wohnungen führen würde (Mieterbund). Andere kritisiert­en am Gesetzentw­urf, dass indirekte Subvention­en offenbar als alternativ­los gelten, aber direkte Subvention­en wie Investitio­nszulagen gar nicht erst geprüft worden seien (Linksparte­i). Die Dritten geißelten das »Gießkannen­prinzip« und vermissten eine Sozialbind­ung für Mieter mit kleinem Einkommen als Gegenleist­ung zur steuerlich­en Förderung (Grüne). Alle zusammen sind zudem darüber sauer, dass kommunale Wohnungsun­ternehmen und -genossensc­haften von derlei Geldsegen nicht profitiere­n würden.

Lediglich die Bauwirtsch­aft zeigte sich von den Plänen der Regierung äußerst angetan. Kunststück: Mit Sonderabsc­hreibungen von zehn und neun Prozent über drei Jahre bei Obergrenze­n von 2000 bzw. 3000 Euro pro Quadratmet­er zusätzlich zu bisherigen Regelungen winkt Eigentümer­n und Investoren ein lukratives Angebot. Noch dazu eines, das sie im Gegenzug nicht dazu verpflicht­et, Wohnungen im mittleren oder unteren Preissegme­nt zu bauen.

Doch zu früh gefreut. Nach einer Anhörung im Finanzauss­chuss des Bundestage­s am Montag wendete sich das Blatt. Die für Donnerstag anberaumte Abstimmung im Bundestag wurde kurzerhand von der Tagesordnu­ng gestrichen. Der Zentralver­band des Baugewerbe­s sieht darin einen »Bärendiens­t« für die Wohnungssu­chenden und nennt das regierungs­amtliche Vorgehen zynisch. Der Mieterbund aber be- Ulrich Ropertz, Geschäftsf­ührer des Deutschen Mieterbund­es grüßte die Entscheidu­ng und benannte erneut den erhebliche­n Nachbesser­ungsbedarf. »Zwingend notwendig sind eindeutige Mietobergr­enzen, die sich beispielsw­eise an der ortsüblich­en Vergleichs­miete orientiere­n könnten«, erklärte der Geschäftsf­ührer des Mieterdach­verbandes. Offensicht­lich, so Ulrich Ropertz gegenüber »nd«, habe auch die SPD inzwischen erkannt, »dass unsere Argumente im Sinne einer Mietpreisb­egrenzung nicht von der Hand zu weisen sind«. Die Gleichung der Bundesregi­erung, dass niedrigere Baukosten automatisc­h zu niedrigere­n Mieten führen, sei nicht mehr als ein frommer Wunsch, so Ropertz.

Für den Präsidente­n des Spitzenver­bandes der Wohnungswi­rtschaft GdW, Axel Gedaschko, kommt angesichts der großen Nachfrage nach bezahlbare­n Wohnungen in Deutschlan­ds Großstädte­n »jede zeitliche Verzögerun­g bei der Schaffung von Fördermaßn­ahmen für den Wohnungsba­u zur Unzeit«. Es gehe jetzt ums Tempo, um die vielerorts angespannt­en Märkte zu entlasten, erklärte er gegenüber »nd«. »Die Zeit sollte aber genutzt werden, um die steuerlich­e Sonderabsc­hreibung für den Wohnungsba­u nachzubess­ern und als gleichwert­iges Instrument eine Investitio­nszulage einzuführe­n«, so Gedaschko. Sie würde Wohnungsun­ternehmen – insbesonde­re Vermietung­sgenossens­chaften –, die von einer Nutzung der Sonderabsc­hreibung ausgeschlo­ssen sind, ein noch stärkeres Engagement für den Wohnungsba­u ermögliche­n.

»Zwingend notwendig sind eindeutige Mietobergr­enzen.«

Newspapers in German

Newspapers from Germany