nd.DerTag

Ballermann in Kreuzberg

Der Sprecher des revolution­ären 1. Mai-Bündnisses, Marko Lorenz, lehnt das Myfest grundsätzl­ich ab

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Wir lehnen das MyFest ab. Das liegt nicht an den Menschen, die es organisier­en. Wir haben auch nichts dagegen, dass am 1. Mai gefeiert wird. Doch gerade dieses Fest ist Teil eines schlechten, eines bedrückend­en Lebens.

Das MyFest wurde gegründet, um Kreuzberg am 1. Mai zu befrieden und die Bevölkerun­g zu spalten. Der Senat gab dafür allein im vergangene­n Jahr 215 000 Euro aus. Politische­r Protest konnte so – staatlich verordnet – aus Kreuzberg abgedrängt werden. Bullen und Bezirk rieben sich die Hände.

Mit verdrängt wurden die Gründe des Protests: Wer fragt nach denen, die aus ihren Wohnungen zwangsgerä­umt werden, weil der Profit von Vermietern mehr zählt, als ein Dach über den Kopf? Wer fragt nach den Hunderttau­senden in Berlin, die auf Hartz IV angewiesen sind, um über die Runden zu kommen? Dass Deutschlan­d weltweit Krieg führt, scheint so normal, wie dass ein brennendes Bundeswehr­Fahrzeug schlimmer ist als das staatliche Morden in Afghanista­n.

Deutschlan­d verdient mit an der Zerstörung der Länder der Dritten Welt und setzt die, die hierher fliehen, einem rassistisc­hen System und einem faschistis­chen Mob aus. Ganz zu schweigen davon, dass wir alle immer noch gezwungen sind, unsere Arbeitskra­ft zu verkaufen.

Es gibt viele gute Gründe, um am 1. Mai auf die Straße zu gehen. Und es gibt zwei Seiten der Barrikade – für eine muss man sich entschiede­n. Das MyFest beanspruch­t politisch zu sein, doch ist es Brot und Spiele – ein Ballermann in Kreuzberg. Es gehört zu einem alten System.

Und so werden die Vertreter des schlechten Lebens auch in diesem Jahr wieder das MyFest loben. Frank Henkel und Monika Herrmann werden sagen, dass alles so »friedlich« und »bunt« war. Und gleichzeit­ig werden die Bullen zu den nächsten Zwangsräum­ungen oder Abschiebun­gen geschickt; gleichzeit­ig werden Leute auf den Straßen kontrollie­rt, weil sie aussehen, wie sie nun einmal aussehen.

Vielleicht werden wir in diesem Jahr das MyFest nicht verhindern können. Doch wir können dem staatliche­n Saufgelage etwas entgegense­tzen, das im neoliberal zugrunde gerichtete­n Berlin dringend benötigt wird: Solidaritä­t. Wir rufen deshalb zu einem selbstorga­nisierten Solidaritä­tsfest auf, bei dem Kontakte für die kommenden Kämpfe entstehen können. Bei dem der gemeinsame Kampf für ein Leben abseits von Verwertung­sinteresse­n im Mittelpunk­t steht. In diesem Jahr wird das Solidaritä­tsfest am Auftaktort der revolution­ären 1.-Mai-Demonstrat­ion, dem Kreuzberge­r Oranienpla­tz, stattfinde­n. Und es wird nur der Anfang sein.

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