CGT mobilisiert gegen Demontage des Arbeitsrechts
Gewerkschaft kämpft bei ihrem 51. Kongress auch gegen den Verlust der Führungsrolle in Frankreich
Die Confédération générale du travail (CGT) ist die mächtigste Dachgewerkschaft in Frankreich. Mit einem härteren Kurs gegen die geplanten Arbeitsmarktreformen will sie diese Rolle auch verteidigen. Um den drohenden Abstieg vom Spitzenplatz unter den französischen Gewerkschaften abzuwenden, entscheidet sich die CGT für schärfere Forderungen und härtere Kampfmethoden. Dazu wird die Führung ganz offensichtlich durch die Basis gedrängt, und sie gibt dem nur zu gern nach, als sie so vielleicht vergessen machen kann, dass sie im Präsidentschaftswahlkampf 2012 zur Stimmabgabe für François Hollande aufgerufen hat. Dies ist der Eindruck, den man vom 51.Kongress der CGT gewinnt, der in dieser Woche in Marseille stattfindet.
Dabei musste die Führung gleich zum Anfang eine Abfuhr hinnehmen. Ihr Rechenschaftsbericht wurde von 59 Prozent der Delegierten gebilligt und von 27 Prozent glattweg abgelehnt, während sich die restlichen 14 Prozent der Stimme enthielten. Das bisher schlechteste Ergebnis in der CGT-Geschichte lag 2009 bei 71,3 Prozent Zustimmung. Den Unmut der Basis hat vor allem die Führungskrise von Anfang 2015 genährt, als der seinerzeitige Generalsekretär Thierry Lepaon, der die historisch immer sehr kämpferische Gewerkschaft auf mehr sozialen Dialog ausrichten wollte, durch eine radikalere Fraktion in der Führung gestürzt und durch Philippe Martinez abgelöst wurde.
Vorwand war eine Affäre um die hohen Kosten für die Renovierung und Einrichtung von Lepaons Dienstwohnung und Arbeitszimmer. Monate später – und für Lepaon zu spät – ergab eine Untersuchung, dass die Verschwendung der Gewerkschaftsgelder ohne sein Wissen erfolgt war. »Diese Geschichte, die durch die Medien breitgetreten wurde, hat uns bei der Gewerkschaftsarbeit in den Unternehmen sehr geschadet. Die Betriebsräte der anderen Gewerkschaften haben sich über uns lustig gemacht«, klagte ein Delegierter und forderte: »Lasst uns diese Affäre endlich zu den Akten legen und zu den Dingen zurückkehren, die für die Beschäftigten wirklich wichtig sind.«
Das ist gegenwärtig vor allem der Plan der Regierung, das Arbeitsrecht durch ein Reformgesetz in wesentlichen Punkte auszuhebeln. Die Regierung kommt damit den Forderungen der Unternehmer nach mehr Flexibilität der Arbeit und weniger Vorschriften entgegen. Sie verbindet damit die Hoffnung, dass so das ausbleibende Wirtschaftswachstum angekurbelt wird und neue Arbeitsplätze entstehen. Doch je mehr die Regierung den Wünschen des Unternehmerverbandes nachgibt, umso mehr schiebt der nach und umso dreister sind die Forderungen. Als Reaktion steigt die Zahl der Kampfaktionen im Land sprunghaft an.
»Es ist das erste Mal seit Jahrzehnten, dass die sozialen Kämpfe zunehmen, obwohl eine linke Regierung am Ruder ist«, stellte ein Delegierter fest. »Aber bei der Politik, die diese Regierung vertritt, ist das kein Wunder. Die arbeitenden Franzosen fühlen sich von Präsident Hollande und der Regierung Valls nicht vertreten, sondern verraten. Die Versprechen von Hollande im Präsidentschaftswahlkampf 2012, die Macht des Kapitals zu brechen und die Ungerechtigkeiten zu überwinden, klingen angesichts der heutigen Realitäten wie Hohn.« Ein anderer ging noch weiter: »Hollande und Valls wollen die Arbeitswelt auf das Niveau des 19. Jahrhunderts zurückführen. Davon konnte der rechte Präsident Nicolas Sarkozy nur träumen.« CGT-Generalsekretär Martinez hat sich auf diese Stimmung an der Basis eingestellt und zum »Gewerkschaftskampf der Masse und der Klasse« aufgerufen. Damit stellt sich die CGT nicht zuletzt gegen die regierungsnahe reformistische Gewerkschaft CFDT, die der CGT ihren traditionell ersten Platz unter den Gewerkschaften des Landes streitig zu machen versucht. Für die CGT gilt es heute vor allem, das Gesetz über die Arbeitsrechtsreform zu Fall zu bringen.
Damit steht sie in einer Front mit Force ouvrière, der zweiten, aber kleineren kämpferischen Gewerkschaft. Damit ist sie sich aber auch einig mit den meisten Studenten- und Schülerorganisationen, die in den vergangenen Wochen wiederholt zu Aktionstagen Massen auf die Straße gebracht haben. Diese Mobilisierung der Jugend erschreckt die Regierung besonders, denn das erinnert an die Studentenunruhen vom Mai 1968, die das Land seinerzeit zutiefst erschütterten und die Macht nachhaltig destabilisierten.