Startup-Boom hält an
Neue Studie lobt Berlin als besten nationalen Standort für Gründer / LINKE vermisst differenzierte Untersuchung
Immer mehr Kapitalgeber unterstützen Neugründungen von Startups in der digitalen Wirtschaft. Umfassendes Wissen über Löhne, Arbeitsbedingungen und Tätigkeitsfelder in dem Bereich fehlt. Es entspricht den Klischeevorstellungen von Politik und jung-dynamischen Unternehmern. Während die Vertreter der Startup-Branche bereits kontrovers über Berlin als künftige deutsche Variante eines »Silicon Valley« debattieren, hinkt die Politik hinterher. Erst mit großer Verspätung kommt Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) am Mittwoch zur Vorstellung der neuen Studie »Booming Berlin« über die Startup-Szene dazu, die vom »Institut für Strategieentwicklung (IFSE)« erarbeitet wurde.
Die 39-seitige Schrift weist Berlin als klaren nationalen Standortgewinner im Kampf um Arbeitskräfte und Kapitalgewinnung aus – es ist landesweit auch der einzige Platz, der eine große internationale Ausstrahlung hat. »Wenn wir es richtig machen, kann Berlin durch die Digitalisierung und die weitere Ansiedlung von Talenten und Startups langfristig zu einem der bedeutendsten StartupÖkosysteme der Welt werden«, heißt es in der Studie. »Die Stadt mit ihren Clubs und ihrer Geschichte ist eine der Hauptgründe, dass die Startups hier sind«, sagte Hergen Wöbken, der Geschäftsführer des IFSE bei der Vorstellung der Studie. Wie stark die wirtschaftliche Dynamik zwischen 2012 und 2015 gewesen ist, zeigen die Ergebnisse der Untersuchung. Demnach stieg die Zahl der Startups von 270 (2012) auf 620 (2015). Die Zahl der Beschäftigten nahm im selben Zeitraum von 6700 auf 13 200 zu. Welche Relevanz das haben soll, versucht die Studie mit einer zweifelhaften Rechnung zu unterstreichen: Die in Berlin beheimateten Startups wären damit fünftgrößter Arbeitgeber gleich nach der BVG und noch vor Siemens. Hält die Entwicklung an, sollen Startups in wenigen Jahren sogar der Spitzenarbeitgeber in der Hauptstadt sein. Wobei diese Firmen nach der Definition der Studie nicht mehr als fünf Jahre alt sind, ihr Geschäftsmodell nicht ohne das Internet funktionieren kann und eine eigenständige Geschäftsführung vorhanden sein muss.
Bei so viel Euphorie halten sich selbst Verbandsvertreter mit der sonst üblichen Kritik an der Politik zurück. Normalerweise neigen die Lobbyisten dazu, bessere Rahmenbedingungen einzufordern. Unser »Lob und Dank« gilt der Politik, sagte Sascha Schubert, der Vizevorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Startups. Es gebe einen regelmäßigen Austausch und einen offenes Ohr bei der Politik.
»Die Startup-Szene ist entscheidender Faktor für das Wachstum, das wir derzeit erleben«, freute sich Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU). Der Senat wolle auch in Zukunft junge Unternehmen in der Frühphase unterstützen und auch den Übergang zu mittelständischen Unternehmen fördern. Unter anderem durch die 200 Millionen Euro teure »Mittelstandsoffensive«.
Dass in dem Gründerbereich nicht alles Gold ist, was glänzt, findet dagegen die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Bei solchen Studien werden immer nur Erfolgsmeldungen erklärt, es fehlt jedoch eine differenzierte Darstellung, die auch die Diversität der Startup-Szene wiedergibt«, sagt Jutta Matuschek dem »nd«. Was bedeutet beispielsweise die rein quantitative Zunahme von Arbeitsplätzen, wenn über deren Qualität wenig bekannt ist? Denn neben dem hoch bezahlten Informatiker gebe es auch die unter schlechten Bedingungen angestellten und Freiberuflichen.