Griechenland will nicht zum Lager werden
Österreich droht Athen im Streit um Grenzsicherung mit Ausschluss aus dem Schengenraum
Veto-Drohungen, Alleingänge und eine Frist: In der Flüchtlingskrise steht die EU am Scheideweg und gibt sich noch bis zum Sondergipfel Zeit, mit altem Konzept Erfolge zu erzielen.
Brüssel. Bis zum 7. März müsse die Zahl der über die Türkei nach Griechenland kommenden Flüchtlinge »drastisch und nachhaltig verringert werden«, betonte Bundesinnenminister Thomas de Maizière beim EU-Innenministertreffen am Donnerstag in Brüssel. Wenn dies nicht gelinge, müsse es »andere gemeinsame europäisch koordinierte Maßnahmen« zum Schutz der Außengrenze geben. Worin diese bestehen könnten, wollte de Maizière nicht sagen.
Österreich hat die Antwort für Europas Plan B offenbar schon parat: Wenn Griechenland seine Grenze nicht schützen könne, müsse die Frage gestellt werden, ob diese »weiterhin Schengen- Außengrenze sein« könne, so Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Sie verteidigte in Brüssel den mit anderen Staaten entlang der Balkanroute gefassten Beschluss, die mazedonisch-griechische Grenze stärker zu kontrollieren, um »die Migrationsströme zu stoppen«. Kommen die Zuwanderer nicht mehr weiter, droht ein Rückstau in Griechenland. Athen befürchtet deshalb, dass die EU bereits plant, das Land zu einer Art riesigem Auffanglager zu machen und protestiert energisch. »Griechenland wird es nicht hinnehmen, Europas Libanon zu werden«, sagte Innenminister Ioannis Mouzalas mit Blick auf das Land, das ein Viertel aller ins Ausland geflohenen Syrer beherbergt.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte nach dem Wiener Treffen der Balkanländer am Mittwochabend mit einer Blockade von EU-Entscheidungen gedroht. Seine Regierung werde »keinem Abkommen mehr zu- stimmen, wenn die Last und die Verantwortung nicht im richtigen Verhältnis geteilt« würden, sagte er im Parlament. »Wir werden nicht akzeptieren, dass sich unser Land in ein Lagerhaus für menschliche Seelen verwandelt.«
Die EU-Kommission bereitet sich schon seit Tagen auf eine mögliche »humanitäre Krise« in Griechenland vor. Eine Kommissionssprecherin sagte am Donnerstag, Brüssel sei in Kontakt mit den griechischen Behörden.
Luxemburgs Migrationsminister Jean Asselborn sagte, die EU sei dabei, »in eine Anarchie« zu steuern. »Wir haben keine Linie mehr.« Beschlüsse der EU zeigten »null Effekt« und würden durch nationale Maßnahmen unterlaufen. »Mir graut’s.«
Unterdessen haben sich die NATO-Staaten auf den umstrittenen Bündniseinsatz in der Ägäis geeinigt. Damit kann der bereits angelaufene NATO-Einsatz nun effektiver zur Bekämpfung der Schleuserbanden beitragen. Vertreter der Bündnisstaaten verständigten sich in der Nacht zum Donnerstag in Brüssel auf die Richtlinien für die Beobachtung der türkischen und griechischen Seegebiete. Zudem legten sie fest, dass der unter deutscher Führung stehende NATO-Marineverband SNMG 2 aus Seenot gerettete Flüchtlinge in der Regel in die Türkei zurückbringt.