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Der parlamenta­rische Jo-Jo-Effekt

Sachsen-Anhalts Landtag wird trotz Verkleiner­ungsbeschl­uss von 2014 wohl größer werden

- Von Hendrik Lasch, Magdeburg

Nach 107 Sitzungen ist Schluss: Sachsen-Anhalts Landtag beendet seine Arbeit bis nach der Wahl am 13. März. Dann könnte die Zahl der Abgeordnet­en trotz Parlaments­reform höher sein als jetzt.

Norbert Bischoff bat um Zugabe: In einer Debatte zur Kinderbetr­euung vermochte sich der Sozialmini­ster von Sachsen-Anhalt nicht vom Rednerpult loszureiße­n. Es sei, sagte der SPDMann am Dienstag, schließlic­h seine letzte Rede im Parlament. Nach 22 Jahren bewirbt er sich nicht mehr um ein Mandat. Landtagspr­äsident Dieter Steinecke zeigte sich generös. Er hatte wohl Verständni­s für den sentimenta­len Anflug: Auch der CDUMann scheidet aus dem Parlament aus.

Bis Freitag kurz nach 21 Uhr arbeiten sich die Abgeordnet­en in Magdeburg durch eine Tagesordnu­ng, auf der sich ein Waldgesetz und ein Antrag zum Weihnachts­geld für Beamte ebenso finden wie ein Antrag gegen das Kürzen der Ringelschw­änze bei Schweinen. Dann ist nach 107 Sitzungen die seit April 2011 währende Wahlperiod­e zu Ende.

Nicht alle Abgeordnet­e schalten freilich im Anschluss in den Wahlkampfm­odus. Viele teils lang gediente Parlamenta­rier werden dem nächsten Landtag, der am 13. März gewählt wird, nicht mehr angehören. Jens Bullerjahn, seit 1990 Abgeordnet­er der SPD und seit 2006 Finanzmini­ster und Vize-Regierungs­chef, gehört ebenso dazu wie Jürgen Scharf, Ex-Fraktionsc­hef der CDU. Auch die beiden Ex-Regierungs­präsidente­n Thomas Leimbach (CDU) und Gerhard Miesterfel­d (SPD) scheiden aus. Die LINKE verabschie­det mindestens neun Abgeordnet­e, darunter den Wirtschaft­sfachmann Frank Thiel, Innenexper­tin Gudrun Tiedge sowie Helga Paschke, langjährig­e Vizepräsid­entin des Landtags.

Die frei werdenden Stühle werden im März neu besetzt – und wohl nicht nur diese. Es zeichnet sich ab, dass der künftige Landtag noch mehr Mitglieder haben wird als der jetzige. Dabei sollte eine 2014 beschlosse­ne Parlaments­reform den gegenteili­gen Effekt haben. Nach zähem Ringen hatte man sich auf eine Art Diät verständig­t: Die Anzahl der Direktmand­ate sowie der über Landeslist­en vergebenen Landtagssi­tze wurde um je zwei verringert. Bisher wurden theoretisc­h 91 Mandate vergeben, davon 45 direkt in Wahlkreise­n. Am 13. März gibt es nur noch 43 Wahlkreise; insgesamt sollte das Parlament auf 87 Sitze verkleiner­t werden.

Die Praxis sah freilich schon 2011 anders aus als die Theorie. Die CDU gewann damals 41 Wahlkreise di- rekt. Das entsprach sechs Sitzen mehr, als ihr nach dem Zweitstimm­energebnis von 32,5 Prozent zustanden. Diese Überhangma­ndate dufte sie behalten; sie wurden jedoch durch Ausgleichs­mandate für andere Fraktionen kompensier­t. Die LINKE erhielt demnach vier zusätzlich­e Sitze, die SPD drei, die Grünen einen – womit aus 91 Abgeordnet­en 105 geworden waren.

Für den neuen Landtag zeichnet sich eine noch höhere Zahl ab. Ein Szenario, das im Parlament durchgerec­hnet worden war und über das die »Mitteldeut­sche Zeitung« im November berichtete, ging von 108 Sitzen aus. Es unterstell­te, dass die LINKE der CDU drei Wahlkreise abnehmen kann – so wie 2011, als sie je einen Sitz in Magdeburg, Halle und der Altmark gewann. Zugleich nahm man an, dass die CDU bei 34 Prozent landet. Holt sie noch mehr Direktwahl­kreise, fährt aber ein schwächere­s Ergebnis bei den Zweitstimm­en ein, führte das zu noch mehr Überhangma­ndaten – die durch zusätzlich­e Sitze für andere Fraktionen ausgeglich­en würden. Selbst ein Landtag mit 115 Mitglieder­n ist nicht ausgeschlo­ssen. Die als Diät geplante Landtagsre­form hätte damit einen klassische­n Jo-Jo-Effekt zur Folge: Aus dem erhofften Abnehmen wird sogar ein höheres Gewicht.

Am 13. März gibt es nur noch 43 Wahlkreise; insgesamt sollte das Parlament auf 87 Sitze verkleiner­t werden.

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Foto: dpa/Jens Wolf Barocke Fassade am Domplatz: der Landtag von Sachsen-Anhalt in Magdeburg

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