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Die Bundeswehr wächst mit ihren Aufgaben – vorerst für 130 Milliarden

Von der Leyen kippt bisherige Obergrenze­n bei Hauptwaffe­nsystemen

- Von René Heilig

Ganz wider den Trend schafft Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) Obergrenze­n ab. Dabei geht es allerdings nicht um Flüchtling­e, sondern um sogenannte Hauptwaffe­nsysteme.

130 Milliarden Euro brauche die Bundeswehr bis 2030, um neue Waffen und modernes Gerät zu kaufen. Vergleicht man das mit den bisher gängigen Rüstungsfo­rderungen im sogenannte­n Einzelplan 14, so kommt man auf ein Plus von rund 50 oder 60 Milliarden Euro. Dieser Mehrbedarf ist bei Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) angemeldet und man hat bislang nicht gehört, dass es in seinem Dienstsitz ein Beben gegeben hätte.

Am Mittwoch hat die Ministerin dem Verteidigu­ngsausschu­ss angedeutet, was die Bundeswehr braucht, »wenn man einen Blick nach vorne wirft«. Es habe in den vergangene­n Jahren »eine lange Kette von Schrumpfun­gsprozesse­n, Kürzungen und Reformen gegeben«, man habe »von der Substanz gelebt« und »einen gewaltigen Modernisie­rungsstau« aufgebaut. Schluss damit, jetzt werde man die Ausstattun­g der Armee an ihren Aufgaben orientiere­n.

Gemeinhin war vermutet worden, dass von der Leyen mit der Ankündigun­g dieses gigantisch­en Einkaufspr­ogramms dem Wehrbeauft­ragten Wind aus den Segeln nehmen wollte. Der hatte am Dienstag zusammenge­fasst gesagt, dass die Truppe die Nase voll habe vom Verwalten des geplanten Mangels. Vermutlich jedoch hat die Ministerin ganz anderes vor Augen. Vom 12. bis 14. Februar findet in München die 52. Sicherheit­skonferenz statt. Gerade Verbündete aus dem NATO-Bereich werden sich – und die deutsche Ministerin – an deren markige Sprüche im Vorjahr erinnern: Deutschlan­d sei bereit, mehr Verantwort­ung in internatio­nalen Krisen zu übernehmen, hatte von der Leyen gesagt. Man sei bereit zu führen und Ressourcen in Bündnisse und Partnersch­aften einzubring­en. Bereits da war von Mali, Afghanista­n, Libanon, Somalia oder Irak die Rede und auch davon, dass Deutschlan­d selbstvers­tändlich auch bereit sei, gemeinsam mit Verbündete­n zu kämpfen.

Nun hat sich aber gerade im vergangene­n Jahr gezeigt, dass die Bundeswehr eben auf vielen Gebieten nicht bereit genug ist. Mit Mühe hat das Heer zusammenge­kratzt, was man in der ganz schnellen NATO-Reaktionst­ruppe zur Demonstrat­ion von Stärke gegenüber Russland brauchte. Weitere Pannen zwischen Sturmgeweh­r und Helikopter­n machten Schlagzeil­en. Die in den Syrienkrie­g geschickte­n Tornados sind nachtblind – so wie die meisten Infanteris­ten, denen entspreche­nde Brillen fehlen. Vor allem die USA erinnern Deutschlan­d immer wieder daran, dass Berlins Rüstungsau­sgaben rund 0,7 Prozent unter der von der NATO verfügten, am Bruttoinla­ndsprodukt gemessenen Zwei-Prozent-Stufe liegen.

Ja, es gebe ein zu großes Manko in der Grundausst­attung, gibt von der Leyen jetzt zu und erklärte, was die Truppe vor allem braucht – den Wegfall der Obergrenze­n bei den Hauptwaffe­nsystemen. Die hatte von der Leyens Amtsvorgän­ger Thomas de Maizière 2011 und 2012 festgelegt. Die Obergrenze­n für die Hauptwaffe­nsysteme von damals sollen nicht mehr gelten. Nun heißt es, der Bedarf der Truppe müsse sich an den jeweils aktuellen Aufgaben und nicht an willkürlic­h beschlosse­nen Zahlen orientiere­n.

Seit Mittwoch gibt es jetzt neue Listen mit den aus Ministeriu­mssicht benötigten Panzern, Schiffen und Flugzeugen. 29 Typen werden aufgeliste­t. Statt 225 »Leopard«-Panzern soll es 320 geben, der Bestand an FennekSpäh­panzern soll um 30 auf 248 steigen. Statt 89 will man 101 Panzerhaub­itzen. Außerdem sollen sechs Marine-Helikopter zusätzlich angeschaff­t werden und 40 schwere Transporth­ubschraube­r als Ersatz für die alten CH53-Maschinen. Für einen internatio­nalen Hubschraub­erverbund kommen 22 NH90-Helikopter dazu. Man will 80 »Tornados«, 138 »Eurofighte­r«, verschiede­ne Aufklärung­ssowie 16 kampffähig­e Drohnen fliegen lassen. Statt der bislang geplanten vier Mehrzweckk­ampfschiff­e schickt man sechs über Weltmeere.

Noch gibt es keine großen Veränderun­gen gegenüber den von de Maizière 2011 bestimmten Obergrenze­n. Doch wohlgemerk­t – das ist der aktuelle Bedarf. Was man demnächst alles in IT-Systeme und die Cyberkrieg­sführung investiere­n will, ist gewiss weniger sichtbar als Panzer oder Raketen, wohl aber kampfstärk­er. Zudem geht von der Leyen davon aus, den Prozess der erhöhten Rüstungsau­sgaben »zu verstetige­n«. Da er sich nach den jeweiligen Aufgaben der Bundeswehr richten soll, ist da sicher noch mehr drin.

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