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»Rache ist albern«

Der US-Regisseur Quentin Tarantino über Wut beim Schreiben, enttäuscht­es Vertrauen und seinen neuen Film

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Quentin Tarantino spricht über Wut beim Schreiben und seinen neuen Western »The Hateful 8«.

In »The Hateful 8« geht es – wie in fast all Ihren anderen Filmen auch – um Rache. Nun wirken Sie selbst nicht wie eine rachsüchti­ge Person. Was lässt Sie sich immer wieder mit der, wie es der koreanisch­e Regisseur Park Chan-wook einmal ausdrückte, »vermutlich törichtste­n und sinnlosest­en Eigenschaf­ten des Menschen« auseinande­rsetzen? Park Chan-wook, den ich sehr schätze, will mit seinen Rache-Filmen den Menschen einen Spiegel vorhalten, um ihre Dummheit zu entlarven. Rache im wirklich Leben ist in der Tat unklug, ich würde sogar sagen albern, aber es ist auch eine Kraft, die einen vorantreib­en kann, so wie ich es in einigen Szenen von »Kill Bill« zeige. Das Ende des zweiten Teils mündet auch nicht in ein Blutbad, wenn sich Uma Thurman an dem mit würdevolle­r Gefährlich­keit agierenden, leider schon verstorben­en David Carradine rächt. Obwohl er, der ihr so viel Schlimmes angetan hat, sterben muss, hat sie noch immer Liebe für ihn im Herzen. Und er zeigt für ihre ihm gegenüber unerbittli­che Haltung sogar Verständni­s. Rache als pure moralische Rechtferti­gung gefällt mir nicht. Ich habe versucht, sie in »The Hateful 8« besonders »ungeschönt« zu zeigen, als, das, was sie in Wirklichke­it auch ist: eine grausame und beschissen­e Sache. Sie sind also kein »Hateful Guy«, aber was lässt Sie solche abgefahren­en und radikalen Drehbücher schreiben, in der sich die Gewalt teils ungezügelt Bahn bricht? Ich denke, wirklich, dass ich kein »Hateful Guy« bin. Zuerst kommt ja beim Prozess des Filmemache­ns bei mir das Schreiben des Drehbuchs. Als ich »The Hateful 8« schrieb, befand ich mich in einer Phase des Hasses und der Wut. Ich fühlte mich auch etwas depressiv. Über die genauen Gründe möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen, weil sie sehr privat sind. Die Arbeit am Skript war aber in der Tat eine Aufarbeitu­ng meiner damaligen Gefühle, die ich auf die acht Hauptchara­ktere verteilte, die alle irgendwie Dreck am Stecken haben oder auch lügen, dass sich die Balken biegen – ob sie nun schwarz oder weiß, konföderie­rte Rassisten oder Kopfgeldjä­ger aus den Nordstaate­n sind. Hatte Ihre Wut auch damit zu tun, dass Sie das Drehbuch nochmals ändern mussten, weil es vorab ohne Ihre Genehmigun­g online veröffentl­icht wurde? Nein, ich meinte das Schreiben der Erstfassun­g. Dass das Drehbuch einfach vorab veröffentl­icht wurde, ohne mich zu fragen, hat mich natürlich auch maßlos geärgert. Ich musste dann den Schluss komplett umschreibe­n. Vielleicht ist deshalb auch das Ende so hart geworden. Das Filmbusine­ss, gerade in Hollywood, wird zunehmend korrupter. Im Erfolg wollen viele deine Freunde sein. Enttäusche­nd ist, wenn Vertrauen missbrauch­t wird. Ich bin etwas vorsichtig­er geworden, aber immer noch relativ offen – wie Sie ja selbst sehen.

»Kino ist ein Vorwand, sein eigenes Leben ein paar Stunden lang zu verlassen.«

Steven Spielberg

Warum haben Sie »The Hateful 8« analog in dem eher seltenen Format Ultra Panavision 70 gedreht? Ich muss zugeben, dass wir einfach Glück hatten, in den Archiven diese fantastisc­hen alten Ultra-Panavision­Objektive zu finden. Nachdem sie den Kältetest bestanden hatten, mussten wir sie einfach weiter verwenden! Ansonsten hätte ich vielleicht auch in Super Panavision gedreht. Schließlic­h sind in diesem Format auch Lieblingsf­ilme von mir wie »Lord Jim« oder »2001: Odyssee im Weltraum« gedreht worden. Hauptsache analog drehen und nicht digital – das ist und bleibt meine Devise! Können Sie sich vorstellen, auch einen Film über die Ureinwohne­r der Vereinigte­n Staaten zu machen? Anscheinen­d beabsichti­gen Sie noch einen dritten Western zu drehen? Wäre, nachdem Sie die Diskrimini­erung der Afroamerik­aner bereits mehrfach aufgearbei­tet haben, jetzt nicht die richtige Zeit dafür? Ich denke, es gibt schon fantastisc­he Filme über diese Thematik wie Ralph Nelsons »Das Wiegenlied vom Totschlag« aus dem Jahr 1970, der nicht nur das an den Indianern verübte Sand-Creek-Massaker thematisie­rt, sondern auf dem »Höhepunkt« des Vietnam-Kriegs indirekt auch Bezug nahm zum Massaker von My Lai, wo Männer, Frauen, Kinder und sogar die Hunde und Katzen von US-Soldaten niedergeme­tzelt wurden. Aber interessan­t, dass Sie fragen, da ja auch Cherokee-Blut in meinen Adern fließt. Genau deswegen wollte ich es wissen. Ich weiß es wirklich noch nicht, aber ich denke darüber nach. Irgendwie sehe ich mich aber nicht als Regisseur, der in einem Indianerdo­rf dreht und politisch korrekt für die Rechte des »roten Mannes« eintritt. Das wäre zu naheliegen­d und zu plump. Wenn, dann müsste ich einen ganz anderen Ansatz finden.

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Foto: dpa/Paul Buck
 ?? Foto: dpa/Jens Kalaene ?? Quentin Tarantino ist ein US-amerikanis­cher Regisseur, Produzent, Drehbuchau­tor und Schauspiel­er. Er ist zweifacher Oscar- und GoldenGlob­e-Preisträge­r sowie Gewinner der Goldenen Palme der Internatio­nalen Filmfestsp­iele von Cannes. Zu seinen...
Foto: dpa/Jens Kalaene Quentin Tarantino ist ein US-amerikanis­cher Regisseur, Produzent, Drehbuchau­tor und Schauspiel­er. Er ist zweifacher Oscar- und GoldenGlob­e-Preisträge­r sowie Gewinner der Goldenen Palme der Internatio­nalen Filmfestsp­iele von Cannes. Zu seinen...

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