Grüne Braunkohletagebaue
Organisation Greenpeace will Vattenfall die Gruben und Kraftwerke in der Lausitz abkaufen
Ist das ein Werbegag oder will die Umweltorganisation Greenpeace wirklich die Braunkohlesparte des Konzerns Vattenfall übernehmen?
Ist das ernst gemeint? Die Umweltorganisation Greenpeace möchte dem Energiekonzern Vattenfall seine Braunkohlesparte in der Lausitz abkaufen. Man wolle mitbieten und im Erfolgsfall sicherstellen, dass die Braunkohle im Boden bleibe, hat Greenpeace jetzt überraschend verkündet. »Wir werden eine ernsthafte Diskussion mit Vattenfall über den Verkauf führen«, kündigt Annika Jacobson an. Sie ist Chefin von Greenpeace in Schweden.
»Wir halten das für eine ernst gemeinte Absichtserklärung«, erklärt der sächsische Landtagsabgeordnete Gerd Lippold (Grüne). Für ihn eröffnet sich hier ein Ausweg aus der »Kohle-Sackgasse«.
Das schwedische Staatsunternehmen Vattenfall will die fünf Tagebaue und drei Kraftwerke in Brandenburg und Sachsen bekanntlich abstoßen. Ingesamt rund 8000 Arbeiter und Ingenieure sind dort ge- genwärtig beschäftigt. Zwischen Ende September und Anfang Oktober sollten sich Interessenten melden. Wie viele das getan haben, will Vattenfall nicht verraten. Die tschechische Holding EPH ist jedoch dabei. »Wir haben uns für das Verfahren angemeldet«, sagt EPH-Sprecher Daniel Castvaj. Zur EPH-Gruppe gehört bereits die Mitteldeutsche Braunkohle AG (Mibrag) mit Sitz in Sachsen-Anhalt. Die Mibrag hat in der Vergangenheit schon Braunkohle aus dem mitteldeutschen Revier in tschechische Kraftwerke geliefert. Es gibt Mutmaßungen, die selbe Absicht bestehe für das Lausitzer Revier.
Der tschechische Energieversorger ČEZ zeigte ebenfalls Interesse. »Diese Option passt gut in unsere Konzernstrategie«, erläutert Geschäftsführer Daniel Benes. ČEZ will in der Lausitz weiter Braunkohle fördern.
Der Wert der Braunkohlesparte wird auf 2 bis 3,5 Milliarden Euro geschätzt. Um ihr Gebot kalkulieren zu können, bekommen ernsthafte Interessenten einen Einblick. Welche rechtlichen Verpflichtungen gibt es? Wie teuer könnte die Sanierung der Tagebaue werden? Das sind Fragen, die sich mit den Geschäftsunterlagen wahrscheinlich beantworten lassen, vermutet René Schuster von der Grünen Liga Brandenburg. »Ehrlich gesagt, ich habe auch überlegt, ob wir uns melden«, verrät er. Das wäre eine Chance, an Dokumente und Daten heranzukommen. »Man wird am Ende staunen, für wie wenig die Kohlesparte weggeht«, erwartet Schuster. Er glaubt aber nicht, dass Vattenfall das Angebot von Greenpeace in Betracht ziehen wird.
»Das nehmen wir nicht ernst«, gesteht Rüdiger Siebers, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Vattenfall Europe Mining AG. Er hält den Vorstoß von Greenpeace für nichts als einen »PR-Gag«.
Es handele sich offenbar um einen Aprilscherz zur falschen Jahreszeit, meint Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD). Er nennt diese Bewerbung »völlig abwegig«.
Auch der brandenburgische Landtagsabgeordnete Thomas Domres (LINKE) kann sich nicht vorstellen, dass an der Sache etwas dran ist. »Aber in dieser Welt ist ja alles möglich«, sagt er. »Wir müssen den Strukturwandel in der Lausitz organisieren. Da wäre mir jeder Partner recht, der Verantwortung übernimmt.« Die LINKE hätte es gern gesehen, wenn Vattenfall sich nicht davonstiehlt. Aber diesen Wunsch bekommt sie offensichtlich nicht erfüllt.
Durchaus aufgeschlossen zeigt sich Jens Holm, Abgeordneter der Vänsterpartiet (deutsch: Linkspartei) im Stockholmer Reichstag. »Ich habe den Vorschlag von Greenpeace gesehen und finde ihn interessant«, sagte Holm dem »nd«. »Ich vermute, dass Greenpeace die Anlagen von Vattenfall gern kaufen und schrittweise stilllegen würde.« Holm ist Sprecher seiner Fraktion für Umwelt und Klimawandel. Er glaubt, »Greenpeace würde ein sehr viel zuverlässigerer Eigentümer für die Energieproduktion in Deutschland sein als die anderen potenziellen Käufer.« Holm denkt da an die tschechischen Firmen. Im Moment sei es am wichtigsten, Verständnis für die langfristige umweltschonende Energieerzeugung in Deutschland zu finden – mit einem Ausstieg aus der Kohleverstromung und einer zunehmenden Nutzung erneuerbarer Energiequellen.
Der Verkauf der Braunkohlesparte wird sich wohl mindestens noch bis ins Jahr 2016 hinziehen.