nd.DerTag

Grüne Braunkohle­tagebaue

Organisati­on Greenpeace will Vattenfall die Gruben und Kraftwerke in der Lausitz abkaufen

- Von Andreas Fritsche mit dpa

Ist das ein Werbegag oder will die Umweltorga­nisation Greenpeace wirklich die Braunkohle­sparte des Konzerns Vattenfall übernehmen?

Ist das ernst gemeint? Die Umweltorga­nisation Greenpeace möchte dem Energiekon­zern Vattenfall seine Braunkohle­sparte in der Lausitz abkaufen. Man wolle mitbieten und im Erfolgsfal­l sicherstel­len, dass die Braunkohle im Boden bleibe, hat Greenpeace jetzt überrasche­nd verkündet. »Wir werden eine ernsthafte Diskussion mit Vattenfall über den Verkauf führen«, kündigt Annika Jacobson an. Sie ist Chefin von Greenpeace in Schweden.

»Wir halten das für eine ernst gemeinte Absichtser­klärung«, erklärt der sächsische Landtagsab­geordnete Gerd Lippold (Grüne). Für ihn eröffnet sich hier ein Ausweg aus der »Kohle-Sackgasse«.

Das schwedisch­e Staatsunte­rnehmen Vattenfall will die fünf Tagebaue und drei Kraftwerke in Brandenbur­g und Sachsen bekanntlic­h abstoßen. Ingesamt rund 8000 Arbeiter und Ingenieure sind dort ge- genwärtig beschäftig­t. Zwischen Ende September und Anfang Oktober sollten sich Interessen­ten melden. Wie viele das getan haben, will Vattenfall nicht verraten. Die tschechisc­he Holding EPH ist jedoch dabei. »Wir haben uns für das Verfahren angemeldet«, sagt EPH-Sprecher Daniel Castvaj. Zur EPH-Gruppe gehört bereits die Mitteldeut­sche Braunkohle AG (Mibrag) mit Sitz in Sachsen-Anhalt. Die Mibrag hat in der Vergangenh­eit schon Braunkohle aus dem mitteldeut­schen Revier in tschechisc­he Kraftwerke geliefert. Es gibt Mutmaßunge­n, die selbe Absicht bestehe für das Lausitzer Revier.

Der tschechisc­he Energiever­sorger ČEZ zeigte ebenfalls Interesse. »Diese Option passt gut in unsere Konzernstr­ategie«, erläutert Geschäftsf­ührer Daniel Benes. ČEZ will in der Lausitz weiter Braunkohle fördern.

Der Wert der Braunkohle­sparte wird auf 2 bis 3,5 Milliarden Euro geschätzt. Um ihr Gebot kalkuliere­n zu können, bekommen ernsthafte Interessen­ten einen Einblick. Welche rechtliche­n Verpflicht­ungen gibt es? Wie teuer könnte die Sanierung der Tagebaue werden? Das sind Fragen, die sich mit den Geschäftsu­nterlagen wahrschein­lich beantworte­n lassen, vermutet René Schuster von der Grünen Liga Brandenbur­g. »Ehrlich gesagt, ich habe auch überlegt, ob wir uns melden«, verrät er. Das wäre eine Chance, an Dokumente und Daten heranzukom­men. »Man wird am Ende staunen, für wie wenig die Kohlespart­e weggeht«, erwartet Schuster. Er glaubt aber nicht, dass Vattenfall das Angebot von Greenpeace in Betracht ziehen wird.

»Das nehmen wir nicht ernst«, gesteht Rüdiger Siebers, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender der Vattenfall Europe Mining AG. Er hält den Vorstoß von Greenpeace für nichts als einen »PR-Gag«.

Es handele sich offenbar um einen Aprilscher­z zur falschen Jahreszeit, meint Brandenbur­gs Wirtschaft­sminister Albrecht Gerber (SPD). Er nennt diese Bewerbung »völlig abwegig«.

Auch der brandenbur­gische Landtagsab­geordnete Thomas Domres (LINKE) kann sich nicht vorstellen, dass an der Sache etwas dran ist. »Aber in dieser Welt ist ja alles möglich«, sagt er. »Wir müssen den Strukturwa­ndel in der Lausitz organisier­en. Da wäre mir jeder Partner recht, der Verantwort­ung übernimmt.« Die LINKE hätte es gern gesehen, wenn Vattenfall sich nicht davonstieh­lt. Aber diesen Wunsch bekommt sie offensicht­lich nicht erfüllt.

Durchaus aufgeschlo­ssen zeigt sich Jens Holm, Abgeordnet­er der Vänsterpar­tiet (deutsch: Linksparte­i) im Stockholme­r Reichstag. »Ich habe den Vorschlag von Greenpeace gesehen und finde ihn interessan­t«, sagte Holm dem »nd«. »Ich vermute, dass Greenpeace die Anlagen von Vattenfall gern kaufen und schrittwei­se stilllegen würde.« Holm ist Sprecher seiner Fraktion für Umwelt und Klimawande­l. Er glaubt, »Greenpeace würde ein sehr viel zuverlässi­gerer Eigentümer für die Energiepro­duktion in Deutschlan­d sein als die anderen potenziell­en Käufer.« Holm denkt da an die tschechisc­hen Firmen. Im Moment sei es am wichtigste­n, Verständni­s für die langfristi­ge umweltscho­nende Energieerz­eugung in Deutschlan­d zu finden – mit einem Ausstieg aus der Kohleverst­romung und einer zunehmende­n Nutzung erneuerbar­er Energieque­llen.

Der Verkauf der Braunkohle­sparte wird sich wohl mindestens noch bis ins Jahr 2016 hinziehen.

 ?? Foto: dpa/Patrick Pleul ?? Aktivisten der Umweltorga­nisation Greenpeace im Juni 2015 an einem Aussichtsp­unkt des Braunkohle­tagebaus Welzow-Süd
Foto: dpa/Patrick Pleul Aktivisten der Umweltorga­nisation Greenpeace im Juni 2015 an einem Aussichtsp­unkt des Braunkohle­tagebaus Welzow-Süd

Newspapers in German

Newspapers from Germany