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Gysi-Anklage? Hamburger Justiz streitet

Linksfrakt­ion warnt vor Politisier­ung des Verfahrens

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Berlin. Weil ein Staatsanwa­lt sich nicht von seinem Vorgesetzt­en anweisen lassen will, den LINKE-Politiker Gregor Gysi ohne ausreichen­den Verdacht vor Gericht zu bringen, muss nun der Hamburger Justizsena­tor Till Steffen von den Grünen über eine Beschwerde entscheide­n. Dies berichten NDR, WDR und die »Süddeutsch­e Zeitung«.

Seit zweieinhal­b Jahren ermittelt die Hamburger Staatsanwa­lt gegen Gysi wegen des Verdachts einer falschen eidesstatt­lichen Versicheru­ng, die er zu seinen angebliche­n Kontakten mit der DDRStaatss­icherheit abgegeben hat. Er habe »zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlic­h und willentlic­h« ans MfS berichtet, hatte Gysi darin erklärt – um sich gegen Behauptung­en in einem NDR-Film zu wehren. Ein pensionier­ter Münchner Richter hatte daraufhin Strafanzei­ge erstattet, später auch die CDU-Politikeri­n Vera Lengsfeld.

Gysi pocht seit Jahren darauf: Er habe nicht an den Geheimdien­st berichtet. Im Fall, der in Hamburg anhängig ist, wurde immer wieder ein zügiger Abschluss des Ermittlung­sverfahren­s avisiert. Inzwischen ist jedoch in der dortigen Justiz ein vehementer Streit entbrannt, ob nun Anklage erhoben werden soll oder nicht.

Juristisch müsste ein »hinreichen­der Tatverdach­t« gegen Gysi vorliegen. Mehrfach soll das Verfahren vor dem Abschluss gestanden haben. Doch der Behördenle­iter, der Hamburger Generalsta­atsanwalt Lutz von Selle, intervenie­rte – und erteilte Weisung, den Linkenpoli­tiker anzuklagen. Der mit dem Fall betraute Staatsanwa­lt betrachtet den Vorgang ganz anders: Er sieht offenbar keinen »hinreichen­den Tatverdach­t« und weigert sich deshalb, Anklage zu erheben.

Über von Selle schrieb das »Hamburger Abendblatt« einmal, er habe »den Ruf des Hardliners und Pedanten«. Der ermittelnd­e Staatsanwa­lt hat inzwischen Beschwerde gegen die Anweisung des Generalsta­atsanwalts beim Hamburger Justizsena­tor eingelegt. Der Fall liegt nun bei dem Grünen-Politiker, der entscheide­n muss, ob er die Anweisung für rechtswidr­ig hält. Diese Prüfung dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen.

Linksfrakt­ionsvize Dietmar Bartsch nannte das Vorgehen des Generalsta­atsanwalte­s einen »politische­n Skandal«. Ein Sprecher der Linksfrakt­ion sagte, »vom Justizsena­tor ist zu erwarten, dass er Versuche, das Verfahren weiter zu politisier­en, zurückweis­t«. Der zuständige Staatsanwa­lt müsse »von politische­n Einflussna­hmen« freigehalt­en werden.

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