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Gottesdien­st vor Nazi-Immobilie

Ein unterfränk­isches Dorf wehrt sich gegen die Ansiedlung der Partei »Die Rechte«

- Von Daniel Staffen-Quandt, Kolitzheim epd/nd

In der unterfränk­ischen Provinz will die Kleinparte­i »Die Rechte« wohl ihre Zentrale für Bayern errichten. Dorfbewohn­er stemmen sich gegen die Pläne, von denen aber niemand weiß, wie wahrhaftig sie sind.

Die bunten Wimpel und Banner mit großen Buchstaben flattern im Wind, auch rings um den kleinen Brunnen des unterfränk­ischen Dörfchens. Auf der anderen Straßensei­te steht das verlassene alte Gasthaus, das den Leuten in Stammheim, einem Ortsteil von Kolitzheim (Kreis Schweinfur­t) seit zig Wochen Kopfzerbre­chen bereitet. Die neonazisti­sche Kleinparte­i »Die Rechte« hat im Internet angekündig­t, Mieter des Gebäudes zu sein und dort die bayerische Parteizent­rale einrichten zu wollen – samt einer Tagungsstä­tte mit Übernachtu­ngsmöglich­keiten für »Kameraden«. Zum Einstand bedrohten sie auch gleich noch Kolitzheim­s Bürgermeis­ter.

Doch in Stammheim und den zig anderen Ortsteilen, die zur Gemeinde Kolitzheim gehören, hat sich von Anfang an niemand weggeduckt. Die Menschen sind in die Offensive gegangen, viele haben Banner gemalt, »Stammheim ist bunt« steht da vielfach zu lesen, der Gemeindera­t hat eine Resolution gegen »Die Rechte« verabschie­det, und jeden Mittwoch treffen sich die Stammheime­r zum Runden Tisch, um die Protestakt­ionen gegen die Neonazis zu koordinier­en oder neue zu schmieden. Bisher hat aber noch kaum jemand die Rechtsradi­kalen zu Gesicht bekommen. Die offizielle Einweihung der Parteizent­rale soll am 24. Mai stattfinde­n.

Bürgermeis­ter Horst Herbert (CSU) steht im Visier der Neonazis, weil er von Anfang an gegen deren Ansiedlung Stellung bezogen hat. Deshalb hatte ihn »Die Rechte« auf Facebook attackiert und »unmissvers­tändlich mehr Zurückhalt­ung« gefordert. Man sei mit der insgesamt knapp 5000 Einwohner zählenden Gemeinde bislang nicht auf Konfrontat­ionskurs gegangen, schrieb die Partei im Netz. Allerdings werde der »Nationale Widerstand« gemeinsam mit »den freien Kräften« das Immobilien­projekt »mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln« verteidige­n und »für den Fall undemokrat­ischer Schikanen eine angemessen­e Antwort finden«.

In den vergangene­n Wochen wurden nachts Banner mit der Aufschrift »Stammheim ist bunt« abgerissen – die SPD-Landtagsfr­aktion vermutet da- hinter die Anhänger der Kleinparte­i. Eines der Banner soll verbrannt und ein Video davon ins Netz gestellt worden sein. Das seien Methoden wie »in finsterste­n Zeiten« der Geschichte, findet die SPD-Abgeordnet­e Kathi Petersen aus Schweinfur­t. Die Kolitzheim­er sollen eingeschüc­htert werden – doch die denken gar nicht daran, klein beizugeben. Für den Tag der Eröffnung des Parteihaus­es am 24. Mai planen die Stammheime­r einen ökumenisch­en Freiluftgo­ttesdienst – direkt vor dem Gasthaus.

Trotz eines privaten Militärmus­eums am Ortsrand von Stammheim, in dem altes Militärger­ät und Kriegsdevo­tionalien ausgestell­t werden, gab es in Stammheim nie eine rechte Szene: »Die Besitzer des Museums sind sauber«, beteuert Bürgermeis­ter Herbert. Die Inhaberin des Gasthofs sei über ein Insolvenzv­erfahren an das Haus gekommen. Polizeikre­isen zufolge gibt es bislang zwischen der Nürnberger Unternehme­rin und der rechten Szene keine offenkundi­gen Verbindung­en. Dass sie es bewusst an die Neonazis vermietet habe und keiner Tarnorgani­sation auf den Leim gegangen sei, steht für die Ermittlung­sbehörden außer Zweifel.

Martin Becher, Leiter der Projektste­lle gegen Rechtsextr­emismus im Evangelisc­hen Bildungs- und Tagungszen­trum in Bad Alexanders­bad (EBZ), findet das einmütige Engagement der Stammheime­r gegen die geplanten rechten Umtriebe im Dorf großartig: »Das erlebt man nicht immer so.« Er hat bereits Verbindung­en zwischen den Vertretern der »Rechten« und der eigentlich konkurrier­enden Neonazi-Kleinparte­i »Der Dritte Weg« entdeckt. »Offenbar verbünden sie sich für die ›nationale Sache‹ miteinande­r«, sagt Becher. Vergleichs­weise heftig seien die jetzt schon erfolgten Sachbeschä­digungen und Bedrohunge­n von Rechts.

Dem zuständige­n evangelisc­hen Pfarrer Georg Salzbrenne­r bereiten unterdesse­n berühmt-berüchtigt­e Personen Sorgen, die in Stammheim bereits gesichtet wurden. So soll KarlHeinz Hoffmann, der Gründer der rechtsextr­emen und 1980 schließlic­h verbotenen Wehrsportg­ruppe Hofmann, bei den Sanierungs­arbeiten am Gasthaus-Dach geholfen und bereits vergangene­s Jahr in den Räumen einen Vortrag »vor kleinem Publikum« gehalten haben, wie ein Stammheime­r erzählt. »Was genau hier abgeht, werden wir wohl erst am 24. Mai erfahren«, sagt Pfarrer Salzbrenne­r. Die Stammheime­r jedenfalls sind gewappnet.

Die Kolitzheim­er sollen eingeschüc­htert werden – doch die denken gar nicht daran, klein beizugeben.

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Foto: dpa/Daniel Karmann Protest gegen die Partei »Die Rechte« in der bayerische­n Provinz

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