nd.DerTag

Wo der Spaß aufhört

- Ingolf Bossenz findet Sakralisie­rung von Satire lächerlich

Da hört der Spaß nun aber auf! Gibt es doch tatsächlic­h westliche Medien, die das Titelblatt der jüngsten Ausgabe des französisc­hen Magazins »Charlie Hebdo« mit einer Mohammed-Karikatur nicht veröffentl­icht haben. Besonders in den USA, aber auch in Deutschlan­d hatten sich Zeitungen (nicht das »nd«) gegen einen Abdruck des Covers entschiede­n.

Eine solche Entscheidu­ng gesteht Charlie-Chefredakt­eur Gérard Biard jedoch allenfalls Blättern in totalitäre­n Staaten zu, da deren Mitarbeite­rn sonst Gefängnis oder gar Tod drohe. Mit Medien in Demokratie­n verhalte sich das anders. Denn »diese Karikatur ist nicht einfach eine kleine Figur, ein kleiner Mohammed, der von Künstlern gezeichnet wurde«, so Biard. »Es ist ein Symbol, ein Symbol für die Meinungsfr­eiheit, die Religionsf­reiheit, für Demokratie und Säkularism­us ... Es ist dieses Symbol, dessen Veröffentl­ichung sie verweigern.« Geht’s auch eine Nummer kleiner?

Folgt, nachdem Frankreich­s Staatsphil­osoph Bernard-Henri Lévy die ermordeten Redakteure zu »Märtyrern des Humors« erklärte, die Sakralisie­rung der Satirezeit­schrift? Wird der Turban des karikierte­n Mohammed zum Gesslerhut, den zu grüßen hat, wem die Freiheit lieb ist? Satire als Zivilrelig­ion mit dem Evangelium des Charlie? Es war Napoleon, der meinte, dass zwischen Erhabenem und Lächerlich­em nur ein Schritt liegt.

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