nd.DerTag

Sieben Tage, sieben Nächte

- Tos

Was mag dem neuen griechisch­en Botschafte­r in Berlin am Donnerstag durch den Kopf gegangen sein da oben auf seinem Platz auf der Besuchertr­ibüne des Bundestags? Panos Kalogeropo­ulos wohnte einer Aktuellen Stunde bei, die einerseits wie ein Klischee der in Deutschlan­d geführten Diskussion­en über die Neuwahlen in Griechenla­nd, die Forderunge­n von SYRIZA und die Frage eines neuen Schuldener­lasses daherkam. Anderersei­ts aber auch in einem schroffen Gegensatz zu der Aufgeregth­eit stand, mit der hierzuland­e bisweilen darüber gestritten wird – nur wenige Abgeordnet­e hatten sich am frühen Nachmittag überhaupt die Zeit genommen, der von der Linksparte­i beantragte­n Debatte beizuwohne­n.

Wobei das Wort Debatte hier eigentlich fehl am Platze ist. Vielleicht trifft das Wort Aufführung den Kern besser – Unionspoli­tiker riefen »Unsinn« und »billiger Wahlkampf« während ein Abgeordnet­er der Linksparte­i sprach; ein CDU-Politiker behauptete nach tagelangem und gen Athen gerichtete­n Drohen mit Euro-Austritt und Drängen auf Vertragstr­eue, die Bundesregi­erung würde sich keineswegs in den griechisch­en Wahlkampf einmischen. Es regnete Zwischenru­fe. Und mehr als einmal verzeichne­t das Plenarprot­okoll »Heiterkeit und Beifall«.

Dabei ist die Angelegenh­eit ja durchaus ernst, selbst wenn man in Betracht zieht, dass alle Fraktionen des Bundestags Griechenla­nd im Euro halten wollen: Die gravierend­en Unterschie­de liegen woanders. Und das hat nicht allein mit Griechenla­nd zu tun. Die Neuwahlen sind auch deshalb mehr als bloß eine Abstimmung über die Zusammense­tzung einer Regierung in einem der vielen Euro-Länder, weil die europäisch­e Krisenpoli­tik insgesamt dort in einer Woche selbst zur Wahl steht. Austerität gegen soziale Investitio­n, Spardiktat gegen Menschenwü­rde, »Strukturre­formen« gegen Demokratie. Oder sollte man sagen: Angela Merkel gegen Alexis Tsipras?

Wir haben Fakten über die soziale Lage und die Schuldenfr­age zusammenge­tragen; wir haben mit dem Chefökonom der linken SYRIZA gesprochen, wir stellen die Parteien vor, die um die Stimmen konkurrier­en. Wie reagiert die linke Szene in Europa auf die Neuwahlen – und wie ist die Haltung der Gewerkscha­ften? Welche Spuren hat die Krise in der deutschen und europäisch­en Diskussion hinterlass­en – und welche in der modernen Literatur Griechenla­nds? Antworten finden Sie in dieser Ausgabe auf acht Sonderseit­en zur Wahl. Und noch viel mehr Hintergrün­de, Kommentare und Berichte gibt es in unserem Griechenla­nd-Dossier unter dasND.de/syriza. Erkenntnis­reiche Lektüre wünscht

Newspapers in German

Newspapers from Germany