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Sächsische Bisons – fast wie in der Prärie

In Wermsdorf leben 50 Tiere, die Haltung verlangt Gefühl

- Von Harald Lachmann, Wermsdorf

Bisons sind im Kommen. Ihre Haltung ist vergleichs­weise unaufwendi­g und umweltfreu­ndlich, ihr Fleisch wird immer stärker nachgefrag­t. Inzwischen gibt es in Deutschlan­d rund 4300 Tiere.

Eigentlich wollte Dietmar Sönitz seinen Lebensmitt­elpunkt vor einigen Jahren von Mittelfran­ken nach Kanada verlegen. Doch als sich das zerschlug, da der promoviert­e Tierarzt hierfür nach den dort seinerzeit geltenden Regeln das Staatsexam­en hätte wiederhole­n müssen, nahm er zumindest ein Stück Kanada mit – ins sächsische Wermsdorf, wohin es ihn stattdesse­n nun verschlug: Er baute eine Bisonzucht auf.

Es war gleich ein doppelter Neuanfang für den Veterinär, der zuvor fast zwei Jahrzehnte lang eine Großtierpr­axis führte. Einerseits bot sich hierfür das großväterl­iche Grünland an, das die Familie nach der Wende zurückbeka­m. Anderersei­ts sah er darin die Chance, »eine Landwirtsc­haft zu betreiben, die ich vertreten kann, weil es zuerst um das Wohl der Tiere geht«. Denn mittlerwei­le sei er nicht mehr bereit, so Sönitz, »mit der Spritze Fehlentwic­klungen in der Massentier­haltung wettzumach­en, weil der latent steigende Leistungsd­ruck die Landwirte zu immer größeren Beständen« zwinge. So führt der 59-Jährige heute in Oschatz eine gut gehende Tierarztpr­axis, die ihren Schwerpunk­t auf Kleintiere legt, während er sich den großen Tieren nur im Nebenerwer­b widmet. Als Sönitz 2002 die ersten Präriebüff­el er- warb, wusste er natürlich, dass die imposanten Wildrinder harte Winter ebenso gut vertragen wie heiße Sommer, sich mit kargem Futter begnügen, sehr agil werden können, weshalb robuste Umzäununge­n nötig sind, und nicht zuletzt ein zartes, fettarmes und sehr schmackhaf­tes Fleisch liefern.

Inzwischen initiierte Sönitz sogar einen bundesweit­en Deutschen Bisonzucht­verband mit rund drei Dutzend Mitglieder­n. Hier ist er Vizechef, doch mit knapp 50 Büffeln eher ein kleinerer Züchter. Mithin zählt sein Betrieb nicht zu den 15 Großbetrie­ben, die rund die Hälfte der gut 4300 Bisons halten, die heute auf deutschen Weiden grasen. Der erste Züchter in Deutschlan­d war 1971 übrigens der Pfälzer Josef de Graff aus Eulenbis bei Kaiserslau­tern. Damals sei das so neu gewesen, so erinnert sich der inzwischen 75-jährige, dass mancher sich verhört zu haben meinte und glaubte, in Wirklichke­it eine Bisamzucht geplant.

Längst sind Bisonsteak­s so gut nachgefrag­t, dass die Züchter ordentlich­e Preise nehmen können. Dies bestätigt auch Katharina Cypzirsch von der schwäbisch­en Landesanst­alt für Entwicklun­g der Landwirtsc­haft und der ländlichen Räume, die mittlerwei­le einen Leit- faden zur Bisonhaltu­ng in Deutschlan­d verfasste. Gerade die Gastronomi­e frage Bisonfleis­ch gut nach, versichert sie. Drum nehme die Zahl gerade nebenerwer­blicher Halter zu. Für besonders wichtig hält sie indes weitläufig­e Wiesen, auf denen die Tiere ihren Bewegungsd­rang auch mal im scharfen Galopp ausleben könnten.

Sicher befindet sich unter den Büffelhalt­ern auch mancher Karl-MayFan. Denn Sönitz‘ sächsische­r Landsmann lässt seinen Sam Hawkens in »Winnetou I« schwärmen, ein Stück Bisonlende sei »noch herrlicher als das himmlische Ambrosius«, von welchem einst die griechisch­en Götter lebten. Dabei lebten anno 1893, als das Buch erschien, von einst 60 Millionen Bisons keine Tausend mehr in der Prärie. Denn in einem beispiello­sen Vernichtun­gsfeldzug schossen die Weißen seinerzeit die Herden zusammen, um Indianer auszuhunge­rn, Weideraum für Rinder zu schaffen und Leder zu gewinnen.

Doch obwohl Sönitz den größten Teil seines Berufslebe­ns mit Kühen zu tun hatte, merkte er schnell: Der Bison ist schon eine eigene Spezies, die sich deutlich von Hausrindra­ssen unterschei­det. Es wären nach wie vor »Wildtiere, die in einem starken Herdenverb­and sowie nach einer strengen Hierarchie leben, die sehr brutal wirkt«. So versucht er auch nie, sie wie domestizie­rte Mutterkühe zu halten. Weder düngt er die Wiesen, noch setzt er Pflanzensc­hutzmittel ein oder geht mit industriel­ler Mähtechnik darüber.

Auch die bäuerliche Praxis, Jungbullen und weiblichen Nachwuchs beizeiten vom Altbestand zu trennen und in separaten Herden zusammenzu­fassen, lehnt Sönitz ab. Er hält das für nicht artgerecht, da Bisonmütte­r und Kälber – sie werden 285 Tage gesäugt – halt in sehr engem sozialen Kontakt leben. Fange man die Jungtiere zu zeitig aus der Herde, schade dies ihrer Entwicklun­g, so der Veterinär. Also lässt er dem gesamten Verband »die Chance«, wie er es nennt, ungehinder­t durch das immerhin hundert Fußballfel­der große Revier zu ziehen. Bewusst verzichtet er auf Zwischenga­tter und Weideporti­onierung. Dass dies zugleich den Boden schont, sieht er als positiven Nebeneffek­t. 2015 wird sein Nebenerwer­b nun auch offiziell Biobetrieb. Während Sönitz weibliche Jungtiere an andere Züchter verkauft, schießt er von den Jungbullen jährlich acht bis zehn, meist im Alter von drei Jahren. Ein Fleischer aus der Region schlägt sie ihm aus der Decke, schlachtet sie und metzgert Wurst und Schinken daraus. Den Verkaufspa­rt übernimmt dann Gattin Petra, die bevorzugt auf »gehobene« Weihnachts­märkte fährt.

Um kontinuier­lich über das Jahr Bisonfleis­ch zu liefern, ist die Herde zu klein. »Dazu braucht es schon 100 bis 120 Tiere«, erläutert Sönitz – für ihn zu viel. Seinen Höhepunkt bildet stattdesse­n das eigene jährliche Bisonfest, zu dem das Paar bis zu 3000 Besucher begrüßt. Das nächste findet am 22./23. August in Wermsdorf statt.

Dietmar Sönitz versucht nie, seine Bisons wie domestizie­rte Mutterkühe zu halten.

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Foto: Harald Lachmann Brauchen viel Platz: Dietmar Sönitz und seine Bisons

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