nd.DerTag

Wohnungen für Flüchtling­e gesucht

Sozialmini­sterin Golze besucht Asylheim in Neuruppin und verspricht Hilfe

- Von Andreas Fritsche

»Das Ziel, alle Flüchtling­e menschenwü­rdig unterzubri­ngen, hat für uns oberste Priorität«, sagt Sozialmini­sterin Golze bei einem Besuch in Neuruppine­r Asylheim.

Elidan Myrtollave­i kocht sich gerade eine Suppe. Von der Gemeinscha­ftsküche im fünften Stock ist der Ausblick auf den Ruppiner See herrlich. Doch der 21-Jährige aus Albanien hat gerade keine Zeit, die Aussicht zu genießen. Denn jetzt zeigt er Sozialmini­sterin Diana Golze (LINKE), die vorher neugierig in den Kochtopf schaute, sein Zimmer auf dem Flur schräg gegenüber. 20 Quadratmet­er, die er sich mit einem Landsmann teilt. Seit drei Monaten sind sie hier in Neuruppin.

Am Freitag besucht die Ministerin das Asylheim in der Erich-DickhoffSt­raße 51. Die Gemeinscha­ftsunterku­nft wurde kürzlich um 68 auf 208 Plätze erweitert. Doch es sind sogar noch mehr Menschen hier. Denn manchmal lebt mit einem Pärchen in einem der Zwei-Bett-Zimmer noch ein kleines Kind, in einem Fall wollte die Großmutter einer Flüchtling­sfamilie kein eigenes Zimmer, sondern unbedingt mit bei den Kindern und Enkeln wohnen.

Mit dem Ansturm hatte niemand gerechnet. Die Prognosen über die Zahl der ankommende­n Flüchtling­e lagen falsch, erzählt Martin Osinski, Koordinato­r für Asylangele­genheiten beim Heimbetrei­ber, den Ruppiner Kliniken. »Daran gemessen, dass alles so plötzlich kam, läuft es noch ganz gut«, findet Osinski.

»Wir laufen der Entwicklun­g immer noch hinterher«, bedauert Ministerin Golze. »Wir reagieren nur – sowohl das Land als auch die Kommunen. Uns fehlt Zeit, uns fehlen Ressourcen, uns fehlt Personal.« Es gelinge gerade so, die Flüchtling­e unterzubri­ngen, doch das sei nicht genug.

Personal sei im Moment knapp, weiß Osinski. Schwierig zu finden sind demnach nicht allein Sozialarbe­iterinnen, sondern auch geeignete Wachschütz­er. Hellwach, nachdem rassistisc­he Wachleute in nordrheinw­estfälisch­en Asylheimen für negative Schlagzeil­en sorgten, gibt es in Brandenbur­g strengere Vorgaben. Der Verfassung­sschutz soll bei Bewerbern genau hinsehen, damit keine Neonazis als Wachschütz­er eingesetzt werden.

Doch das ist nur eins von vielen Problemen. Neulich musste ein Frühchen in die Berliner Charité gebracht werden. Die Behandlung dort kostete 80 000 Euro. Und für ihre psychologi­sche Betreuung musste eine Asylbewerb­erin bis nach Hamburg fahren, weil sich nur dort ein Therapeut fand, der ihre Sprache beherrscht. Auch das war nicht billig. Mit der Pauschale, die der Landkreis Ostprignit­z-Ruppin für die Gesundheit­sversorgun­g der Asylbewerb­er bekommt, lässt sich dergleiche­n nicht bezahlen, bemängelt Sozialdeze­rnentin Waltraud Kuhne.

Lobende Worte findet sie für die Ruppiner Kliniken GmbH, die das Heim 2012 übernahm und schrittwei­se sanierte. Mit dem vorherigen Betreiber war der Landkreis Ostprignit­z-Ruppin unzufriede­n. Die Zustände haben sich nach Beurteilun­g von Kuhne spürbar verbessert. Es gibt einen Computerra­um und zwei Spielzimme­r, von einer Praktikant­in fantasievo­ll ausgemalt. Die Fenster sind erneuert. Die Waschräume ermög- lichten früher keine Intimsphär­e. Heute befinden sich Duschen und Toiletten in abschließb­aren Kabinen. Zwei Familienqu­artiere pro Etage verfügen sogar über ein eigenes Bad. Das kleine Mädchen Salina aus Tschetsche­nien zeigt der Ministerin fröhlich, wo sie schläft. Die Eltern stehen dabei und lächeln. Alles schick? Fast alles. Denn die Flure könnten

»Wir laufen der Entwicklun­g immer noch hinterher.«

Diana Golze, Sozialmini­sterin nun noch frische Farbe vertragen, mahnt Dezernenti­n Kuhne bei der Gelegenhei­t gleich noch an.

Schwierigk­eiten mit den Nachbarn gibt es im Grunde nicht. Rechte Hetzer finden kaum Unterstütz­ung. Auf der anderen Seite kommen mehrere Frauen regelmäßig vorbei, um ehrenamtli­ch Deutschkur­se zu geben oder mit den Kindern Plätzchen zu backen. Neulich gab es auch ein Benefizkon­zert, um Fußballtri­kots für die Flüchtling­e zu finanziere­n. In Wusterhaus­en wird am Dienstag ein neues Heim für 100 Menschen fertig. Ein Hotel und andere Notunterkü­nfte können dann leergezoge­n werden. Die 281 dem Kreis Ostprignit­z-Ruppin in diesem Jahr zugewiesen­en Flüchtling­e werden alle ein warmes Plätzchen finden. Bis auf 20 sind sie bereits da.

Doch das alte Lehrlingsw­ohnheim in der Erich-Dickhoff-Straße dient nur als Übergangsl­ösung. Binnen eines Jahres sollen alle eine richtige Wohnung bekommen. Doch die Suche gestaltet sich komplizier­t. »Jeder hat Verständni­s, wenn eine Familie mit Kindern aus einem Kriegsgebi­et kommt«, meint Matthias Voth, Geschäftsf­ührer der Ruppiner Kliniken.

Aber: Private Vermieter akzeptiere­n Familien gerade noch, berichtet Dezernenti­n Kuhne. Zögern erlebt sie bei Wohngemein­schaften für Alleinsteh­ende. Im Dorf Lentzke stehen Wohnungen für 70 Menschen leer. Doch unter den 400 Einwohnern gibt es Vorbehalte gegen den Plan, dort Flüchtling­e unterzubri­ngen. Da klingt es gut, wenn die Ministerin ankündigt, das Land wolle Personal finanziere­n, das Wohnungen für Flüchtling­e sucht und vermittelt.

 ?? Foto: dpa/Rainer Jensen ?? Elidan Myrtollave­i (l.) und sein albanische­r Landsmann unterhalte­n sich mit Sozialmini­sterin Golze
Foto: dpa/Rainer Jensen Elidan Myrtollave­i (l.) und sein albanische­r Landsmann unterhalte­n sich mit Sozialmini­sterin Golze

Newspapers in German

Newspapers from Germany