Merkels Methode
La Repubblica, Italien In Schwierigkeiten
Im Moment ihres politischen Triumphs, in dem sie mit großer Mehrheit an der Spitze der Christdemokraten in Deutschland bestätigt werden soll, findet Angela Merkel die Zeit, um Italien und Frankreich wieder scharf zu kritisieren. Die Maßnahmen zur Haushaltssanierung von Renzi und Hollande seien nicht ausreichend. Der zeitliche Zusammenhang ist kein Zufall. Und der Angriff der Kanzlerin ist kein Zeichen von Stärke, sondern im Gegenteil, ein Indikator dafür, in welchen Schwierigkeiten sich die deutsche Kanzlerin befindet. In die Zange genommen von einem Europa, das sich ändert, und der Mehrheit ihres Volkes, das sich diesem Wandel nicht beugen will. Den Kampf der Austerität hat Deutschland bereits verloren, Europa hat sich entschieden, Reformen und Wachstum Priorität zu geben.
Le Figaro, Frankreich Verständliche Irritationen
Präsident François Hollande und Premier Manuel Valls können natürlich mit den Schultern zucken und den jüngsten Vorstoß von Angela Merkel als traditionelle germanische Strenge abtun. Sie werden die Bundeskanzlerin zweifellos zur Mäßigung auffordern, um ihre verbliebenen Truppen zu mobilisieren. Merkel glaubte, dass Valls der am wenigsten verkrustete sozialistische Regierungschef sei, doch leider hat dieser sein Urteil über die rückwärtsgewandte Linke völlig revidiert und hat sich von seinen Reformbestrebungen verabschiedet. Woher kommt dieser plötzliche Wandel des Premierministers? Ganz einfach, es ist das Wahljahr 2015. Frankreich versackt, die Reformen lassen auf sich warten, und Valls denkt an die Regionalwahlen. Man kann Merkels Irritationen gut verstehen.
Le Monde, Frankreich Furcht vor der Krise
Und vor allem überlässt sie das abschließende Urteil vollständig der EU-Kommission. Dies sind keine feindseligen Kommentare. Was Deutschland wirklich denkt, hat ein Ex-Mitglied der Bundesbank offenbart: Franzosen fürchten weder Brüssel noch Merkel, sondern einzig und allein die Finanzmärkte. Nur eine ausgewachsene Finanzkrise würde sie zu Reformen zwingen.
DNA, Frankreich Unnachgiebigkeit zeigen
Angela Merkels Vorwürfe sehen nach einem faux pas aus. Dies vertieft den Graben zwischen Berlin und Paris nun auch noch auf dem diplomatischen Terrain. Wieso reagiert diese Kanzlerin, die als zurückhaltend gilt, auf einmal so heftig? Wegen des CDU-Parteitags am Dienstag und Mittwoch – bei dem sie ohnehin mit einem »sowjetischen« Ergebnis wiedergewählt wird? Um einer Parteibasis nach dem Mund zu reden, die sich über die Politik der Großen Koalition aufzuregen beginnt? Über das Renteneintrittsalter von 63 Jahren etwa oder über den Mindeststundenlohn von 8,50 Euro, gegen den die christlich-demokratische Wählerschaft unter den Handwerkern und Bauern wettert? Hinzu kommen einige Wahlpannen: Die Unionsparteien CDU und CSU haben nur noch in vier der 16 Bundesländer eine Mehrheit – was ihrem sozialdemokratischen Regierungspartner SPD eine beträchtliche Macht in der Länderkammer verschafft. Kurz, »Mutti« muss zeigen, dass sie unnachgiebig ist.
La Stampa, Italien Kein geeignetes Rezept
Schlecht über Italien zu reden, ist in Deutschland ein wirksames Mittel, um den kurzen Atem des deutschen Erfolgs zu verstecken. Schlecht über Deutschland zu reden, taugt in Italien wunderbar dazu, die Aufmerksamkeit von den Problemen zu Hause abzulenken, von den Jugendlichen ohne Arbeit genauso wie vom Mafia-Skandal in Rom. (...) Wenn man optimistisch sein will, könnte das gegenseitige Misstrauen ein Anreiz dafür sein, es besser zu machen. Aber weiter Drohungen auszusprechen, um die italienische Regierung zu Reformen anzutreiben (eine notwendige Sache), ist kein geeignetes Rezept in diesem Moment.