Mittelschwaebische Nachrichten
Lokführer rollen ungebremst Richtung Streik
Gewerkschaftschef Weselsky rechnet mit über 90 Prozent Zustimmung. Wo gestreikt werden könnte
Frankfurt/Main/Berlin Bei der Deutschen Bahn rücken Streiks der Lokführer immer näher. Deren Gewerkschaft GDL hat in Frankfurt mit der Auszählung der Urabstimmung begonnen und rechnet mit einem klaren Votum ihrer Mitglieder für einen Arbeitskampf. „Wir erwarten über 90 Prozent Zustimmung zum Streik“, sagte GDL-Chef Claus Weselsky zum Auftakt der Zählung in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale. Das Ergebnis der vor sechs Wochen gestarteten Briefwahl will die GDL am Dienstag verkünden.
Ungehört blieb ein Appell von
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zur Mäßigung. Weselsky ließ erneut offen, ob bereits konkrete Termine für Arbeitsniederlegungen genannt werden. Man werde „wie immer“den Bahn-Passagieren ausreichend Vorlauf einräumen, damit diese sich vorbereiten könnten. Auch eine mögliche Dauer der Streiks ließ der Gewerkschafter offen. Die Bahn wollte sich am Montag nicht zu ihren Streikvorbereitungen äußern, sondern erst mögliche Ankündigungen der GDL abwarten.
Die Gewerkschaft hat sich bislang nicht in die Karten blicken lassen und auch offen gelassen, welche Bereiche sie bestreiken will. Am schlagkräftigsten ist sie zweifelsfrei bei den Lokführern. Beim Streik vor sechs Jahren hatte die Bahn einen Notfahrplan erstellt, um etwas Betrieb aufrecht zu erhalten. Im Fernverkehr konnte ein Drittel der Züge fahren, vor allem auf den Hauptstrecken vom Ruhrgebiet nach Osten und von Hamburg nach Süden. Auch im Regionalverkehr und bei S-Bahnen dürfte ein Großteil der Züge ausfallen. Der gestörte Betriebsablauf könnte dann auch bei Konkurrenten der Deutschen Bahn zu Einschränkungen führen.
Die Tarifrunde zwischen Bahn und GDL steckt fest. Weselsky schloss erneut aus, beim gegenwärtigen Stand an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Der GDLChef erklärte: „Die Verhandlungen sind gescheitert und die Uhr läuft ab. Jetzt ist Arbeitskampf angesagt, wenn der Bahn-Vorstand kein verbessertes Angebot vorlegt.“Auf den ersten Blick scheinen Forderung und Angebot gar nicht so weit auseinanderzuliegen. Die GDL fordert Lohnerhöhungen wie im Öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent sowie eine deutliche Corona-Prämie im laufenden Jahr mit einer Laufzeit von 28 Monaten. Die Bahn will sich hingegen am „Notlagentarifvertrag“der Flughäfen orientieren, der eine ähnliche Erhöhung um 3,2 Prozent auf einen längeren Zeitraum und spätere Stufenzeitpunkte verteilen würde, bei einer Vertragslaufzeit von 40 Monaten. Hinzu kämen Leistungen zur Altersvorsorge und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Neben dem Streit um Einkommenszuwächse tobt im Bahn-Konzern ein Machtkampf zwischen der GDL und der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um den jeweils besseren Tarifabschluss.