Mittelschwaebische Nachrichten
CDU kämpft gegen den Abwärtstrend
Die historisch schlechten Ergebnisse der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verschärfen die Krise der Union nach der Maskenaffäre. Die CSU dringt auf inhaltliche Konsequenzen. Die Freien Wähler feiern einenTriumph
Berlin/München CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kam am Sonntagabend die schwere Aufgabe zu, die historischen Niederlagen seiner Partei bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz schönreden zu müssen. „Um es in aller Klarheit zu sagen: Das ist heute kein guter Wahlabend für die CDU“, erklärte Ziemiak und räumte ein: „Wir hätten uns andere, wir hätten uns bessere Ergebnisse gewünscht.“In beiden Bundesländern gab es für seine Christdemokraten schwere Verluste – den Auftakt zum Superwahljahr 2021 hatte sich die Partei anders vorgestellt. Andererseits hatte bei der Union niemand damit gerechnet, dass die Affäre um Corona-Schutzmasken und umstrittene Lobbyistenjobs ohne Blessuren abgehen würde. Für die CDU und die anderen demokratischen Bundestagsparteien war das Fazit des Abends deshalb: In der Bundespolitik hat sich kaum etwas bewegt.
Ziemiak konnte die historisch schlechtesten CDU-Ergebnisse in beiden Ländern mit den Korruptionsaffären begründen, in die einige Unionsabgeordnete rund um die Unterstützung für Aserbaidschan und die Beschaffung von Corona
Masken verwickelt sind. Der Generalsekretär nannte ihr Verhalten schamlos und unanständig. Der Hamburger CDU-Landesvorsitzende Christoph Ploß sprach von einer „bitteren Niederlage“und kritisierte, dass die Maskenaffäre zuletzt Vertrauen zerstört habe.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nutzte die Gelegenheit, der großen Schwesterpartei eine verbale Ohrfeige zu verpassen. „Natürlich waren die Vorfälle über die Maskenaffäre ein zusätzlicher negativer Punkt. Aber der Abwärtstrend der Union in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz war schon davor deutlich erkennbar“, sagte er unserer Redaktion. Es gebe „einfach zu vieles, was zurzeit nicht überzeugend gut funktioniert“, kritisierte er. „Wir müssen zurück auf die Erfolgsspur kommen, und das heißt, die aktuellen Herausforderungen lösen und einen Reformplan für Deutschland vorlegen.“
CDU-Chef Armin Laschet wird gleichwohl am Montag in Berlin einigermaßen gelassen vor die Presse treten. Ein zweites Thüringen ist ihm erspart geblieben, Vergleiche mit dem desaströsen Absturz der CDU bei der dortigen Landtagswahl 2019 und deren Umgang mit der AfD, die Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer letztlich zum
Rückzug gezwungen haben, muss er nicht fürchten. Gleichwohl weiß Laschet, dass er weiter kämpfen muss, um bis zur Bundestagswahl Boden gutzumachen. Anderenfalls könnte in der Kanzlerkandidaten-Frage der Ruf nach CSU-Chef Markus Söder lauter werden. Laschet profitiert allerdings davon, dass es bei Söder und der CSU in Sachen Umfragen auch nicht wirklich rund läuft.
Die SPD hat ihren Kanzlerkandidaten bekanntlich schon benannt, und für Olaf Scholz und seine im Umfragekeller gefangene Partei brachten die Landtagswahlen keine Wende. Leichte Verluste in beiden Ländern wurden als Enttäuschung für die Sozialdemokraten gewertet. Sie werden in Rheinland-Pfalz in der Regierung bleiben. Ob es aber in Baden-Württemberg für eine zweite Ampelkoalition reicht, ist unklar.
Nach Einschätzung von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zeigen die Ergebnisse, dass Regierungsbildungen auch ohne die Union möglich sind. Das Signal für den Bund sei: „Das Rennen ist offen“, sagte er in der ARD, wo sich Scholz anschließend ähnlich äußerte. Der
Blick auf die Umfragewerte im Bund zeigt aber, dass hier zwischen Wunsch und Wirklichkeit noch eine große Lücke klafft.
Sollte der SPD in Baden-Württemberg die Bildung einer weiteren Ampelkoalition gelingen, würde das allerdings Signale in Richtung Bundestagswahl senden. Denn in der SPD sind sich die beiden Flügel keineswegs einig, dass eine rot-rotgrüne Koalition das Mittel der nächsten Bundestagswahl ist, nachdem sich die Linken auf ihrem Parteitag im Februar diesbezüglich eher verhalten gezeigt hatten.
Von allen Parteivorsitzenden hatte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner den entspanntesten Wahlabend. Seine Liberalen konnten sich nicht nur halten, sie legten sogar jeweils noch zu. Unklar ist, wie die FDP mit diesem Ergebnis umgeht.
Von Lindner heißt es, er hoffe, dass es in Baden-Württemberg bei Grün-Schwarz bleibt und die FDP nicht zu einer Ampel eingeladen wird. Ihr Landesvorsitzender Michael Theurer allerdings will die Südwest-FDP als Regierungspartei profilieren und bot den Grünen bereits Gespräche über eine Ampel an. Lindner dagegen sieht die größten Schnittmengen mit der Union und weiß, dass die Ampel bei seinen Stammwählern unbeliebt ist. Sie wollten nicht am Morgen nach der Bundestagswahl aufwachen und feststellen, dass sie bald von einer grünen Kanzlerin regiert werden.
Die Grünen wiederum nehmen vom Wahlsonntag den meisten Rückenwind mit, und den können sie im Bund gut gebrauchen. In den bundesweiten Umfragen liegen sie auf dem zweiten Platz, aber die Werte stagnieren, der Abstand zur CDU ist groß.
Mit die größte Freude herrschte nicht in Berlin sondern im Freistaat: „Beim dritten Anlauf ist den Freien Wählern auch in Rheinland-Pfalz der Einzug gelungen, nachdem wir auch in Bayern drei Anläufe gebraucht hatten“, sagte Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der auch Bundesvorsitzender ist. „In BadenWürttemberg haben wir erst zum zweiten Mal kandidiert und rund drei Prozent. Also beim nächsten Mal!“Die Freien Wähler säßen damit in vier Parlamenten, da sie in Brandenburg den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schafften und zwei Abgeordnete im Europaparlament zählen. „In Sachsen-Anhalt im Juni rechne ich auch mit unserem Einzug“, gab sich Aiwanger zuversichtlich. „Wir bereiten uns auf die Bundestagswahl vor.“Auch hier wolle seine Partei mit der CoronaPolitik punkten.
Gibt es bald eine zweite Ampel?