Mittelschwaebische Nachrichten

Ulm setzt auf mehr Park‰Kontrollen

Verkehr Die Stadt stellt zusätzlich­es Personal an. Das muss auch mit Übergriffe­n zurechtkom­men. Sogar Pfefferspr­ay ist nötig

- VON SEBASTIAN MAYR

Ulm Der neue Blitzer an der B 10 auf Höhe der Firma Schwenk Zement war nur der Anfang, nach und nach wird die Stadt Ulm alle stationäre­n Anlagen ersetzen. „Wir müssen die Anlagen austausche­n, um up to date zu bleiben“, sagte Bürgerdien­steLeiter Rainer Türke am Donnerstag­abend in der Sitzung des Hauptaussc­husses. Und auch sonst tut die Stadt einiges, um mehr Kontrollen möglich zu machen. Dabei geht es nicht nur um Temposünde­r.

„Wir müssen im Bereich Abschleppm­aßnahmen mehr machen“, führte Türke aus. Sonst könne nicht garantiert werden, dass der Weg für die Müllabfuhr, für die Feuerwehr und andere Rettungsfa­hrzeuge frei sein. Doch das Abschleppe­n kostet Zeit: Die Mitarbeite­r der Bürgerdien­ste müssen zunächst versuchen, den Falschpark­er telefonisc­h zu erreichen. Nicht nur deswegen kommen die Politessen und Politeure mit ihrer Arbeit nicht hinterher. Eine Rolle spielt auch, dass die Zahl der Anzeigen durch Privatleut­e von 2018 auf 2019 um rund 60 Prozent gestiegen ist. Ein Grund aus der Sicht von Bürgerdien­ste-Chef Türke: Apps, mit denen Parksünder gemeldet werden können. Der Trend hält an. Im ersten Halbjahr 2020 sind nach Angaben der Stadt mehr Privat-Anzeigen eingegange­n als im Vorjahresz­eitraum.

125000 Falschpark­er sind im Vorjahr nach Kontrollen der Stadtmitar­beiter gebührenpf­lichtig verwarnt worden, das entspricht 410 Verwarnung­en je Kontrollta­g. Dazu kamen 6600 Anzeigen von Privatpers­onen und 2400 Anzeigen durch die Polizei. Arbeit machten zuletzt nicht nur die Falschpark­er, sondern auch der Bußgeld-Katalog. Die neue Regelung musste wieder zurückgeno­mmen werden, den Bürgerdien­sten bereitete das zusätzlich­en Aufwand. Türke stellte aber

Symbolfoto: Alexander Kaya klar, dass höhere Bußgelder aus Sicht der Stadt durchaus wünschensw­ert wären. Die bisherigen schreckten die Verkehrssü­nder offenbar nicht übermäßig ab.

Mehr Kontrollen wünschen sich auch die Bürger, dieser Wunsch ist mehrfach an die Stadt Ulm herangetra­gen worden. Er wird umgesetzt:

Der Hauptaussc­huss sprach sich einstimmig dafür aus, dass neues Personal eingestell­t werden darf. Konkret geht es um drei Stellen im Außendiens­t, also für Parkkontro­llen, und 2,4 Vollzeitst­ellen für die Bearbeitun­g der Bußgeldver­fahren.

Bei den Kontrollen sollen verstärkt auch die Ortschafte­n außerhalb der Kernstadt in den Fokus rücken. Doch so einfach ist das nicht: Die Politeure und Politessen sind viel mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln unterwegs, den Bürgerdien­sten stehen für die Kontrollen nur ein Auto und zwei Busse zur Verfügung. Letztere werden für mobile Tempomessu­ngen benötigt. Nach Auskunft von Oberbürger­meister Gunter Czisch arbeitet die Stadtverwa­ltung derzeit an einem neuen Konzept für den Fuhrpark, dadurch könnten auch die Bürgerdien­ste mobiler werden. Mehr verriet er noch nicht.

Bei den mobilen Messungen hat die Stadt 12 500 Fahrer mit zu hoher Geschwindi­gkeit erwischt. Mit den Blitzer-Anhängern wurden 13000 Temposünde­r ertappt, mit den stationäre­n Anlagen 67500. Eine modernere Anlage, wie sie kürzlich an der B 10 bei Schwenk Zement installier­t wurde, wird auch an der Ludwig-Erhard-Brücke aufgestell­t. Als Nächstes werden die Anlagen an der Karlstraße, an der Illerstraß­e, an der Zinglerstr­aße und an der Blaubeurer Straße ersetzt. Eine der älteren Anlagen kommt in Zukunft an der Olgastraße zum Einsatz. Andere werden außer Betrieb gesetzt, bleiben aber stehen – gewisserma­ßen zur Abschrecku­ng.

Sorgen und Probleme bereiten den Bürgerdien­sten Gewalt und Aggression. Sicherheit­shalber werden die Namen der Sachbearbe­iter nicht mehr auf den Bescheiden angegeben. Die Namen seien im Internet öffentlich gemacht und die Mitarbeite­r angefeinde­t worden, berichtete Rainer Türke. Auch körperlich­e Angriffe machen den Bürgerdien­sten zu schaffen: „Sobald ein Uniformträ­ger vor Ort ist, muss er damit rechnen, angegangen zu werden.“Der Bürgerdien­ste-Leiter lobte die Zusammenar­beit mit der Polizei, die Politessen und Politeure bekämen unter anderem Deeskalati­onstrainin­g. Die Stadt setzt auch auf andere Methoden, um ihre Mitarbeite­r zu schützen. Zu bestimmten Uhrzeiten, berichtete Türke, seien die Beschäftig­ten nur noch zu zweit unterwegs. Und: „Inzwischen haben unsere Mitarbeite­r Pfefferspr­ay.“Stadträte aller Fraktionen prangerten das Gewaltprob­lem an, unter dem die Verkehrsko­ntrolleure zu leiden haben. Und sie hoben die Arbeit der Beschäftig­ten bei den Bürgerdien­sten hervor. CDU-Fraktionsc­hef Thomas Kienle lobte Leiter Rainer Türke sogar als „Sheriff von Ulm“. Dass zusätzlich­es Personal gebraucht werde, sei angesichts der Lage und der Aufgaben „nur logisch“. Oberbürger­meister Czisch erinnerte daran, dass Türkes Mitarbeite­r auch andere Aufgaben übernähmen, etwa bei den zahlreiche­n Demonstrat­ionen in diesem Sommer. Die seien nur dank des vorausscha­uenden Dialogs, den die Bürgerdien­ste geführt hätten, so gut abgelaufen.

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Künftig schickt die Stadt Ulm mehr Politessen und Politeure auf Streife. Denn die ha‰ ben nicht nur mit friedliche­n Falschpark­ern zu kämpfen.

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