Mittelschwaebische Nachrichten
Ohne Knistern
Dortmund gegen Schalke ist sonst ein Garant für Emotionen – nur momentan nicht
Dortmund Wirklich knistern wird es diesmal nicht. Vor dem ersten Geisterderby der Geschichte zwischen Dortmund und Schalke hält sich der Nervenkitzel in Grenzen. Die Aussicht auf bedrückende Stille im Stadion und gähnende Leere in den vielen Fußball-Kneipen der Region nimmt der gemeinhin emotionalsten Partie der Saison viel von ihrem Reiz. Selbst die Aussagen der Protagonisten klingen wenig euphorisch – bei aller sportlichen Brisanz. „Ein Derby ohne Zuschauer, da blutet einem das Herz“, kommentierte BVB-Sportdirektor Michael Zorc treffend.
Nach rund zehnwöchiger Corona-Pause wird die Partie am Samstag (15.30 Uhr/Sky) für beide Teams zu einem Kaltstart ins Ungewisse. „Der Gegner ist genauso im Nebel wie wir. Jeder, der was anderes erzählt, hat nicht alle Latten am Zaun“, sagte Schalke-Trainer David Wagner. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke pflichtete in einem Interview der Funke-Mediengruppe bei: „Ich war fast noch nie so angespannt. Wir wissen sportlich nicht, wo wir stehen.“
Viel wird davon abhängen, welches Team sein Potenzial ungeachtet der fehlenden Wettkampfpraxis und der skurrilen Stadion-Atmosphäre abrufen kann. „Es wird nicht darauf ankommen, wer die größere Qualität im Kader hat“, befand BVB-Lizenzspielerchef Sebastian Kehl in der Welt, „sondern darauf, wem es am besten gelingt, sich auf das Spiel einzulassen.“
Prognosen, wonach der Tabellenzweite aus Dortmund nach sieben Siegen in acht Rückrundenspielen als Favorit in das Kräftemessen gegen die seit sieben Partien sieglosen Schalker geht, sind vor einem Derby traditionell mit Vorsicht zu genießen. Denn gerade in den vergangenen Jahren hat sich der Erzrivale aus Gelsenkirchen geradezu zum BVBSchreck entwickelt. Nur in einem der jüngsten acht Ligavergleiche gab es einen Sieg für Schwarz-Gelb. Das spektakuläre 4:4 in der Saison 2017/18 nach 4:0-Führung und das 2:4 im Vorjahr an gleicher Stätte, das der Borussia am Ende die Meisterschaft kostete, hinterließen in Dortmund mächtig Wirkung. Ein weiterer Rückschlag im prestigeträchtigen Derby könnte den BVB auch im diesjährigen Titelrennen vorentscheidend zurückwerfen.
Nur eineinhalb Wochen vor dem Spitzenspiel gegen den Spitzenreiter FC Bayern will das Team von Lucien Favre in Schlagdistanz zu den Münchnern bleiben. Noch verschwendet Zorc nach eigener Aussage jedoch keinen Gedanken an das nahe Gipfeltreffen: „Das ist jetzt nicht der Moment, um über die Meisterschaft zu reden. Es geht darum, den ReStart erst mal positiv zu gestalten. Alles Weitere ergibt sich danach.“
Der BVB hat allen Grund zur Vorsicht. Denn personell hat sich das Blatt zugunsten der Schalker gewendet. Anders als vor dem ursprünglichen Spieltermin Mitte März, als dem Wagner-Team sieben Spieler fehlten, sind bis auf Omar Mascarell, Benjamin Stambouli und Ozan Kabak wieder alle Profis einsatzfähig. Dagegen muss Favre mit Axel Witsel, Emre Can, Marco Reus und Dan-Axel Zagadou auf vier Stammkräfte verzichten.