Mittelschwaebische Nachrichten
Ließ er die Journalistin ermorden?
Malta Schwerer Verdacht gegen einen der reichsten Unternehmer der Insel. Bisher konnte er sich auf schleppende Ermittlungen und mangelndes Interesse der Regierung an einer Aufklärung verlassen. Doch dann kam Spürhund Peter
Valetta Bis zum Beweis des Gegenteils gilt Yorgen Fenech als unschuldig. Aber wie lange noch? Ist der Erbe eines maltesischen Familienimperiums, das mit Hotels und Casinos groß geworden ist, womöglich der Verantwortliche hinter dem Auftragsmord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia? Seit Samstagabend sitzt der Mann mit der Glatze in Haft. Die Anklage wirft ihm unter anderem Mittäterschaft an dem tödlichen Autobombenanschlag am 16. Oktober 2017 vor. Der Fall, in den höchste Kreise der Regierung verwickelt zu sein scheinen, wühlt das Land schon lange auf, aber erst jetzt nehmen die Ermittlungen richtig Fahrt auf.
Es war wohl Spaniel Peter, ein Spürhund des Zolls, der am 13. November auf dem Flughafen von Malta den entscheidenden Riecher hatte. Er schlug bei einem Passagier mit Ticket nach Istanbul an. Beamte fanden im Gepäck des Taxifahrers 210000 Euro. Zunächst vermutete man einen gewöhnlichen Fall von Wirtschaftskriminalität. Doch als der Mann befragt werden sollte, brach er, so berichtet es die Süddeutsche Zeitung, in Tränen aus und verlangte nach dem Sonderermittler im Fall Galizia. Dann erzählte er nicht nur, dass er der Mittelsmann zwischen den mutmaßlichen Drahtziehern des Anschlags und den drei seit Dezember 2017 in Haft auf ihren Prozess wartenden Auftragsmördern gewesen sei. Sondern er belastete auch Yorgen Fenech, einen der reichsten Männer der Insel, als Verantwortlichen hinter dem Mordkomplott.
Woche später wurde der Geschäftsmann an Bord einer seiner Luxusjachten verhaftet, als er offenbar das Land verlassen wollte. Zwar gelang es seiner Verteidigung zunächst erfolgreich, die Aussagen des Belastungszeugen in Zweifel zu ziehen. Aber der Freilassung Fenechs am vergangenen Freitag folgte nur einen Tag später die erneute Verhaftung und die Anklageerhebung. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, den Mord an der unbequemen Journalistin in Auftrag gegeben und bezahlt zu haben.
Fenech, in den ersten Tagen der Untersuchungshaft 38 Jahre alt geworden, beteuerte seine Unschuld,
mit seinen Aussagen aber ein politisches Erdbeben und eine Rücktrittswelle auf Malta aus. Erst trat der Stabschef von Premierminister Joseph Muscat, Keith Schmebri, zurück, bevor er vorläufig festgenommen wurde. Noch am gleichen Tag gab Tourismusminister Konrad Mizzi sein Amt auf und auch Wirtschaftsminister Christian Cardona lässt die Geschäfte ruhen.
Daphne Caruana Galizia, die Journalistin, war ihren Machenschaften über die Panama-Papers auf die Spur gekommen. Sie deckte auf, dass Schembri und Mizzi, damals noch Energieminister, über Briefkastenfirmen in Panama verEine fügten, die Millionensummen von einem Unternehmen namens „17 Black“in Dubai bekommen sollten, mutmaßlich Schmiergelder.
Erst nach Galizias Ermordung gelang es durch Recherchen einer internationalen Journalistengruppe, aufzudecken, wem die Firma gehört: Yorgen Fenech. Dessen Familienunternehmen „Tumas Group“wiederum ist indirekt beteiligt an einem internationalen Konsortium, das den staatlichen Auftrag zum Bau eines Gaskraftwerks auf Malta bekam – ein Prestigeprojekt der Labour-Partei und ihres Vorsitzenden Joseph Muscat, der seinem Land 2013 einen wirtschaftlichen Auflöste schwung versprochen hatte. So schließt sich der Kreis. Auch Muscat kündigte jetzt unter großem Druck an, seine Ämter aufzugeben, aber wohl erst im Januar. „Die Situation ist zum Verzweifeln.“Mit diesen Worten endete im Oktober 2017 der Blog von Daphne Caruana Galizia. Inzwischen wurde der Satz zum Programm für die Demonstranten, die gegen die Machenschaften protestieren und den Rücktritt der gesamten Regierung fordern. Und es wächst der internationale Druck. Die für Grundwerte zuständige EUKommissarin Vera Jourova forderte Maltas Justizminister Owen Bonnici auf, die Regierung solle sich aus den weiteren Ermittlungen raushalten. Bis vor kurzem schien es ohnehin, als habe sie nur wenig Interesse an einer Aufklärung der Hintergründe des Auftragsmordes.
Premier Muscat stehe „für den Sumpf an Finanzkriminalität und Korruption, der Daphne Caruana Galizia das Leben gekostet hat“, sagte der deutsche Grünen-Abgeordnete Sven Giegold am Mittwoch in Maltas Hauptstadt Valletta. Mit weiteren Europa-Parlamentariern hat er sich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht, hat auch mit Staatspräsident George Vella gesprochen – und mit Muscat. „Eine solche Person kann nicht wie jeder andere Regierungschef an einem EU-Gipfel teilnehmen“, erklärte Giegold mit Blick auf das nächste EU-Spitzentreffen in der kommenden Woche.
Für die neue EU-Kommission und ihre Präsidentin Ursula von der Leyen könnte Malta schnell zu einem Testfall für Glaubwürdigkeit werden. Sie hat die Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit zu einem ihrer Schwerpunkte ausgerufen.