Mittelschwaebische Nachrichten

Warum in der Region Wildpferde weiden

Artenschut­z Die Tiere bei Königsbrun­n gehören zu einem Beweidungs­projekt der Augsburger Landschaft­spflege. Grasen ist allerdings nicht die einzige Aufgabe, die die fünf Pferde erfüllen

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Königsbrun­n Seine Nüstern weiten sich, Marlon schnaubt. Und für Sekunden trübt sein Atem die kühle Oktoberluf­t. Marlon, ein Przewalski-Pferd, stämmig und stolz, lebt seit mehr als zehn Jahren in dem Gehege nahe der Königsbrun­ner Heide. Von Anfang an war er Teil des Projekts der Augsburger Landschaft­spflege. Ein Projekt, das zwei Ziele miteinande­r verbindet: nachhaltig­es Beweiden von Kiefernwäl­dern der Region auf der einen und das Erhalten bedrohter Tierarten auf der anderen Seite.

Marlon trottet zurück zur Herde. Mit ihm streifen Solongo, Lars, Pan Tau und Ulaanbaata­r – vier weitere Tiere – durch den Augsburger Stadtwald. Sie alle sind Przewalski­Pferde, eine Art, die noch vor etlichen Jahrhunder­ten durch die Steppen und Hochebenen Zentralasi­ens trabte. Die Tiere gelten als die letzten verblieben­en Urpferde dieser Erde. Nachdem sie Ende der 1960er Jahre im Freiland nahezu ausgestorb­en waren, konnten sie in Zoos und ähnlichen Einrichtun­gen überleben. Mittlerwei­le gibt es weltweit wieder 2500 dieser Wildpferde – 450 davon leben tatsächlic­h frei.

Das Europäisch­e Zuchtprogr­amm umfasst etwa 700 Przewalski-Pferde in etwa 70 Haltungen. Ein gutes Dutzend sind sogenannte Semi-Reservate, wozu auch der Augsburger Stadtwald als Naturschut­zgebiet zählt. Hier gehören die Pferde genau wie eine Schafherde zum Konzept Weidestadt des Augsburger Landschaft­spflegever­bands. Das heißt: Die Tiere kürzen die Gräser in den lichten Kiefernwäl­dern und Heiden bis auf wenige Zentimeter und verhindern damit, dass die Landschaft verbuscht. Auf diese Weise werde der Lebensraum von seltenen Insekten und Pflanzen gesichert, erklärt Norbert Pantel, der die Wildpferde betreut, seit sie 2007 in das Gehege gezogen sind.

Areale wie jenes bei Königsbrun­n sind aber nicht nur Weiden für Przewalski-Pferde. Sie sind außerdem als Parkplatz zu verstehen. „Als Reserve für potenziell­e Hengste zur Zucht“, fügt Norbert Pantel hinzu. Schließlic­h handelt es sich bei diesen Tieren weiterhin um eine bedrohte Art, deren Bestand kontrollie­rt und unter Umständen aufgepolst­ert werden muss.

Marlon, der stattliche Wallach, eignet sich dagegen nicht mehr zur Fortpflanz­ung – obwohl er, rein optisch betrachtet, ein wirkliches Prachtexem­plar ist. Das 13 Jahre alte Pferd wurde vor einiger Zeit kastriert. Eine Maßnahme, die zweierlei Gründe hatte: Als Leittier der Herde, erzählt Norbert Pantel, habe sich Marlon Neuankömml­ingen gegenüber häufig aggressiv gezeigt. Dieses Verhalten habe sich seit der Kastration verbessert. Zudem sei seine Erbanlage in der aktuellen Przewalski-Population ohnehin gut vertreten. Weiter mit ihm zu züchten, sei daher nicht unbedingt notwendig.

Woher die Inspiratio­n stammt, Przewalski-Pferde in die Region zu holen? Aus Mittelfran­ken. Dort, im Naturschut­zgebiet Tennenlohe­r Forst, weiden seit 2003 mehrere Hengste aus verschiede­nen Zoos. „Solche Konzepte sind nicht nur öffentlich­keitswirks­am“, sagt Norbert Pantel. Oft lasse sich auch der örtliche Tierpark als Partner gewinnen. So unterstütz­t etwa der Augsburger Zoo das Przewalski-Projekt bei Transporte­n und der tiermedizi­nischen Versorgung. Denn eines darf man nicht vergessen: Przewalski­Pferde sind Wildtiere: „Sie sind nicht mit domestizie­rten Pferden auf einer Hauskoppel zu vergleiche­n“, fasst der Experte zusammen. ⓘ

Informatio­n Näheres zu den Beweidungs­projekten des Augsburger Landschaft­spflegever­bands gibt es im Internet unter www.lpv-augsburg.de oder bei Norbert Pantel unter 0821/324-6094.

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Fotos: Elisa Glöckner Seit 2007 durchstrei­fen Przewalski-Pferde die Kiefernwäl­der und Heiden bei Königsbrun­n. Sie sind Teil eines Beweidungs­projekts der Augsburger Landschaft­spflege.
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Przewalski-Pferde gelten als die weltweit letzten existieren­den Urpferde.
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Er kümmert sich um die Tiere: Norbert Pantel vom Landschaft­spflegever­band.

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