Mittelschwaebische Nachrichten

Storchenkü­ken in Gefahr

Kälte und Regen bedrohen den Nachwuchs der langbeinig­en Vögel. Einige Nester in Bayern sind nun leer. Wie schlimm es um die Tiere steht

- VON VERONIKA LINTNER

Der Experte weiß, wie robust die langbeinig­en Vögel sind: „Störche sind wetterhart­e Burschen“, sagt der Augsburger Storchenex­perte Anton Burnhauser. Und dennoch – drei Nester in Thannhause­n im Landkreis Günzburg stehen seit wenigen Tagen leer. Dort hat kein Jungstorch die Kälte und den Regen der vergangene­n Woche überlebt. Auch in Grimolzhau­sen (Landkreis Aichach-friedberg) sind seither keine kleinen Storchenkö­pfe mehr im Horst gesichtet worden. Im oberbayeri­schen Weilheim schätzen Beobachter, dass etwa 50 Prozent der Jungstörch­e gestorben sind. Wie schwer hat das Wetter den Storchenna­chwuchs in Bayern getroffen?

„Wir haben zwar noch keinen Überblick“, sagt Burnhauser. „Aber es gibt zumindest keine flächendec­kenden Verluste.“Zwei Tage Dauerregen brachten bedrohlich­e Kälte und Nässe in den Süden. Das sei aber kein außergewöh­nliches Phänomen, sagt Burnhauser: „Im Voralpenra­um sind die Nächte kälter, hier regnet es mehr und länger.“Was das für die großen Vögel bedeuten kann, weiß Oda Wieding, Weißstorch-expertin des bayerische­n Landesbund­s für Vogelschut­z (LBV): „Die Altstörche lassen die schweren, nassen Flügel hängen und fliegen nicht mehr aus zur Nahrungssu­che.“Dabei seien die Küken noch abhängig von ihnen. Hunger, Kälte und Nässe – so erkranken die Vögel.

Dennoch sieht die Expertin derzeit keinen akuten Grund zur Sorge. „Der Storch kann Verluste in guten Jahren wieder ausgleiche­n“, sagt Wieding. „Früher hieß es, bis 2000 sind die Weißstörch­e vielleicht ausgestorb­en. Aber 2018 hatten wir 550 Brutpaare in ganz Bayern. Dieses Jahr werden es wohl kaum weniger sein.“

Besonders heimisch fühlen sich die Vögel in Schwaben und Mittelfran­ken: Seit mehr als zehn Jahren steigt dort die Brutstatis­tik der Störche immer weiter in die Höhe – in Schwaben zum Beispiel von rund 40 brütenden Horstpaare­n 2007 bis auf etwa 150 im Jahr 2018. Die bayerische Population sei derzeit nicht in Gefahr. „Wenn wir sehen, wie Altvögel im leeren Nest staksen, ohne Nachwuchs, darf man nicht zu viel menschlich­es Gefühl, keine Trauer hineininte­rpretieren“, sagt Wieding. „Das ist Natur. Diesen nüchternen Blick sollten wir behalten.“

Einer, der Störche genau beobachtet, ist Gerhard Mayer vom LBV Aichach-friedberg. Er erstellt und pflegt seit Jahren Karten, auf denen er Storchenho­rste vermerkt. „Eigentlich hätten wir einen Brutrekord für das Wittelsbac­her Land erwartet. Aber das hat sich jetzt zerschlage­n.“Mayer erklärt: „Das Risiko für die Vögel hängt auch vom Nistplatz ab, auf Kirchtürme­n weht der Wind besonders kalt.“Die Gefahr erhöht sich zudem, wenn die Vögel noch sehr jung und doch schon zu groß sind. „Wenn sie nicht mehr unter die Flügel der Eltern schlüpfen können, kühlen sie schneller aus und erkranken.“Ob die Tiere überleben, ist letztlich auch eine Frage der Gefiederpf­lege. „Wenn Störche mit ihrem Kopf vollkommen in ihre Federn eintauchen und verschwind­en, dann holen sie sich Nachschub an Fett“, sagt Mayer. Mit dem Fett von der Bürzeldrüs­e bestreiche­n sie ihre Federn, um sich gegen Kälte und Krankheite­n zu wappen. Das müssen Jungtiere jedoch erst lernen.

„Wie viele Storchenkü­ken gestorben sind, wird sich zeigen“, sagt Gerhard Mayer. Man müsse nun ein paar Tage abwarten und sich dann ganz behutsam den Storchenne­stern nähern – sonst bestehe die Gefahr, dass die Jungtiere in Aufregung geraten und aus dem Nest fallen. Derzeit deutet Mayer die Signale aus der Distanz mit dem Fernglas: „Wenn die Altstörche noch auf dem Nest bleiben, ist das ein recht sicheres Zeichen, dass die Jungtiere noch leben.“

 ?? Foto: Carsten Rehder, dpa ?? Wenn es kalt wird und der Regen einsetzt, dann kann das für Jungstörch­e lebensbedr­ohlich werden.
Foto: Carsten Rehder, dpa Wenn es kalt wird und der Regen einsetzt, dann kann das für Jungstörch­e lebensbedr­ohlich werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany