Mittelschwaebische Nachrichten

Bienen können nicht jammern

Freizeit Die Imkerei ist ein zeitaufwen­diges Hobby. Was Imker wissen müssen, damit es den Tieren gut geht, lernen sie in einem Kurs des Imkereiver­eins Krumbach. Warum der spät gesammelte dunkle Waldhonig für die Bienen tödlich sein kann

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Krumbach Für Johann Biberacher ist es ein Abend, wie er ihn schon oft organisier­t hat. Der Ortsvorsit­zende des Imkerverei­ns Krumbach, der alterniere­nd zu den Kollegen in Günzburg einen Einsteiger­kurs für Bieneninte­ressenten anbietet, weiß, dass sich die im Saal des Gasthauses Munding vorbereite­ten Tischreihe­n füllen werden, obwohl sich zu den Kursen niemand anmelden muss. „Wir haben immer zwischen 50 und 80 Teilnehmer, viele davon kommen öfter, auch wenn sie den im Folgejahr angebotene­n Aufbaukurs bereits besucht haben.“Das Interesse ist völlig unabhängig vom gerade zu Ende gegangenen Volksbegeh­ren, ist sich Biberacher sicher. Es gibt erstaunlic­h viele Menschen, die sich näher mit der Biene auseinande­rsetzen wollen, und da sind die Vorträge und Kurse des Vereins ein perfektes Angebot.

Mit Johann Fischer hat der Verein einen Topkenner der Biene und der Imkerei eingeladen. Der für den Bezirk zuständige Fischer ist quasi der schwäbisch­e Bienenpaps­t. Er kommt vom Institut für Bienenkund­e und Imkerei (IBI) der bayerische­n Landesanst­alt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchh­eim, Forschungs­einrichtun­g und Kompetenzz­entrum für den Bereich Bienen und Imkerei. Seine Aussagen sind wissenscha­ftlich fundiert und vor hohen Erfahrungs­werten getragen und dabei auch noch so spannend, dass sich zu seinen Kursen Neulinge genauso einfinden wie alte Hasen. So mancher gestandene Imker ist da und natürlich die gesamte Riege des Krumbacher Imkerverei­ns.

Dazwischen Menschen jeden Alters mit den unterschie­dlichsten Ausgangsvo­raussetzun­gen und Erwartunge­n. Die Krumbacher­in Diana Weiss ist auf der Suche nach einem neuen Hobby. Ihr Interesse für Bienen hatte sie schon lange begleitet und auch ihre Kinder wollen sich dem Insekt nähern. Im Kreislehrg­arten ist sie mit Johann Biberacher in Kontakt gekommen und schließlic­h jetzt im Anfängerku­rs gelandet. Auch Elmar Hartmann hat bislang noch keine Bienen und ist auf der Suche nach einer sinnvollen Freizeitbe­schäftigun­g. Er sei, sagt er, sehr naturverbu­nden und möchte in seiner freien Zeit nicht einem beliebigen Hobby nachgehen, sondern etwas tun, das nicht nur ihm, sondern auch der Umwelt Nutzen bringt. An diesem Abend will er erfahren, ob das Halten von Bienenvölk­ern eine machbare Freizeitge­staltung für ihn sein kann.

Bis aus Holzheim bei Pfaffenhof­en im Neu-Ulmer Landkreis ist Wolfgang Fischer angereist. Er hat ein aktuelles Problem und erhofft sich Hilfe vom Fachmann. Denn während Weiss und Hartmann sich in aller Ruhe überlegen können, sich ein Bienenvolk zuzulegen, hat sich ein solches bei Wolfgang Fischer eingeniste­t. Ein Freund hat ihm bisher bei der Pflege geholfen, doch nun will er selbst aktiv werden und sich das nötige Rüstzeug besorgen.

Das ist enorm umfangreic­h, lernen die Neulinge in dem auf vier Stunden ausgelegte­n Anfängerku­rs bei Johann Fischer, der immer wieder vor falschen Entscheidu­ngen und Handlungen warnt. „Bienen sterben leise“sind seine wiederholt­en mahnenden Worte. Denn anders als bei anderen Haustieren, können sich Bienen nicht für den Menschen erkennbar äußern. „Wenn der Bienenhalt­er sieht, dass es den Bienen schlecht geht, ist es bereits zu spät.“Wer Bienen halten will, muss sich auch die Zeit für die Tiere nehmen können. Auch wenn sie nicht mit Jammern, Bellen oder Kratzen auf sich aufmerksam machen, benötigen sie Aufmerksam­keit, Verantwort­ungsgefühl und Zeit. „Doch,“mil- dert Fischer seine Forderunge­n an die ernsthafte­n Bienenhalt­er ab, „Imker sind kollegial und keine Konkurrent­en. Und so kann man auch in Urlaub fahren. Man muss sich halt mit den benachbart­en Bienenhalt­ern absprechen und sich aushelfen.“

Honigbiene­n, wie sie in den Bienenstöc­ken gehalten werden, liefern Honig. Und selbst, wenn ein Tierfreund die Bienenvölk­er nur halten möchte, um der Tiere selbst willen, muss er Honig entnehmen. Denn der spät gesammelte dunkle Waldhonig würde die Bienen umbringen. Dieser Honig ist sehr mineralrei­ch. Die Bienen haben aber einen ganz anderes Verdauungs­system. In der Zeit im Winter, wenn sie den Stock nicht verlassen, gehen die Exkremente in den Kotbeutel. Der Verzehr des dunklen Honigs würde zu starken Ausscheidu­ngen führen, die Bienen müssten daran eingehen. So wird aus dem Honigräube­r der Gesundheit­sbeauftrag­te. Der ersetzt die dunkle Tracht durch geeignetes, ballaststo­fffreies Futter.

Neben dem Futter ist die Hygiene das oberstes Gebot. Der Imker muss regelmäßig seine Tiere auf Krankheite­n überprüfen, insbesonde­re die Varroamilb­e muss frühzeitig erkannt und bekämpft werden. Immerhin ist sie in 90 Prozent der Fälle Verursache­rin, wenn Bienenvölk­er absterben.

Fischer warnte davor, sich kreuz und quer durchs Internet zu lesen. „Es werden sehr viele Halbwahrhe­iten verbreitet, auch in Bezug auf die Art der Imkerei. Sie kann extensiv oder intensiv betrieben werden. Aber auch die extensive Imkerei, wie sie von Hobbyhalte­rn betrieben wird, benötigt immer wieder auch Eingriffe, denn nur über sie sind die

überlebens­wich- tigen Kontrollen möglich. Denn es reiche nicht aus, einfach einen Bienenkast­en aufstellen, „das ist kein Naturschut­z“.

Die Imkerei ist eigentlich ein Lehrberuf mit dreijährig­er Ausbildung. „Auch der Hobbyimker muss sich das Wissen der Imkerei aneignen. Das dauert dann entspreche­nd länger. Denn eines ist sicher: Imkerei bedeutet stetes Lernen. Es wird nie langweilig, denn es gibt keine einfachen Rezepte, aber ständige Herausford­erungen.“

An diesem Abend lernen die Teilnehmer viel über die Biologie der Biene, über die verschiede­nen Rassen, ihren Lebens

zyklus, das Verhalten der Königinnen und das außerorden­tliche Riechvermö­gen dieser Insekten, die das von Hunden um Längen schlagen. Diese hohe Sensibilit­ät kann auch Ursache von unerwartet­en Angriffen oder Aggressivi­tät sein. Denn Duftstoffe, etwa in Pflegeprod­ukten oder Angstschwe­iß, werden in kleinsten Dosen von Bienen wahrgenomm­en und interpreti­ert.

In einem zweiten Teil geht der Fachberate­r dann auf die praktische Bienenhalt­ung ein. Er erläutert, wie eine gebrauchst­üchtige Ausstattun­g aussehen muss, was sich eignet und was nicht, wie etwa die schönen, aber unpraktisc­hen Bienenkörb­e. „Die erlauben keine Kontrollen, und die sind für die Bienenvölk­er überlebens­wichtig.“Doch auch viele andere auf dem Markt erhältlich­e Gerätschaf­ten erweisen sich in der Praxis als Fehlkauf. Drei bis fünf Völker sollte der Anfänger betreuen. Hat er weniger, fehlt ihm die Vergleichs­grundlage, hat er mehr, wird in aller Regel überforder­t sein. Im Durchschni­tt muss der Anfänger an die 20 Stunden Arbeitsein­satz pro Jahr und Volk einrechnen. Denn neben den regelmäßig­en Arbeiten gibt es viele Entscheidu­ngen zu treffen, etwa über den Standort des Bienenstoc­ks. „Bienen sehen kein Rot, können aber ultraviole­tt wahrnehmen und sich über die Polarisati­on des Lichtes orientiere­n. Das muss bei der Standortwa­hl berücksich­tigt werden.“

Der Anfänger muss unzählige Entscheidu­ngen treffen, auch die Wahl des Bienenvolk­es, und das Anmeldepro­zedere korrekt durchführe­n, denn jeder darf Bienen halten, muss sie aber dem Veterinära­mt melden, der Hobbyimker muss die fachgerech­te Ausführung der Kontrollen lernen und der Hygienemaß­nahmen, die Honiggewin­nung, das Füttern. Die Biene, sie ist weder Hausnoch Wildtier, gibt keine Antwort. Deshalb ist die kollegiale Begleitung durch erfahrene Imker aus dem Verein die beste Entscheidu­ng. Sie ist die beste Versicheru­ng für das Wohlergehe­n der Tiere und für die Freude der Anfänger an ihrem neuen Hobby.

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Foto: Sven Hoppe, dpa Bienen können sich nicht äußern. Damit es den Tieren gut geht, muss der Imker viel Zeit investiere­n und die Tiere beobachten.
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Foto: Fotolia Wenn man sieht, dass es der Biene schlecht geht, ist es meist schon zu spät. Imker müssen die frühen Zeichen deuten können.
 ??  ?? Der Ortsvorsit­zende des Krumbacher Imkerverei­ns, Johann Biberacher (links) engagierte Schwabens Fachberate­r Johann Fischer für den Imker-Anfängerku­rs.
Der Ortsvorsit­zende des Krumbacher Imkerverei­ns, Johann Biberacher (links) engagierte Schwabens Fachberate­r Johann Fischer für den Imker-Anfängerku­rs.
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Fotos: Gertrud Adlassnig Johann Fischer verstand es, mit informativ­em Bildmateri­al und lebhaftem Referat seine Zuhörer zu fesseln.

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