Mittelschwaebische Nachrichten
Mörderischer EU Betrug
Die kaltblütigen Morde an Journalisten in Malta und der Slowakei deuten darauf hin, dass EU-Gelder in dunklen Kanälen der Mafia verschwinden. Nun verspricht Brüssel Aufklärung
Brüssel Der 27-jährige Ján Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnírová konnten die Nachricht nicht mehr erleben: Olaf, die Anti-Korruptionsbehörde der EU, ermittelt jetzt gegen die Slowakei wegen Betrugs mit EU-Geldern. Grundlage sind die posthum veröffentlichten Recherchen des Ende Februar mit seiner Verlobten ermordeten Enthüllungsjournalisten. Kuciak hatte die Querverbindungen zwischen der Regierung in Bratislava und der italienischen Mafia belegt.
Nach der Autobombe auf Malta, durch die die Journalistin Daphne Caruana Galizia im Herbst 2017 ums Leben kam, war der Mordanschlag in der Slowakei bereits der zweite Fall eines Anschlags mitten in Europa gegen Medienvertreter, die einen Missstand aufdecken wollten. Die Journalistin Galizia recherchierte unter anderem, wie in Malta illegal Staatsbürgerschaften an reiche Russen verkauft wurden, die damit EUBürger wurden.
Jedes Jahr verschwinden laut Schätzungen bis zu 50 Milliarden europäischer Gelder in dunklen Kanälen. In Tschechien wurde nur wenige Wochen nach seiner Wahl Premierminister Andrej Babis Anfang des Jahres zum Rücktritt gezwungen: Dem früheren Unternehmer werden Schummeleien mit Zuschüssen aus Brüssel vorgeworfen.
Auch die südliche Autobahn A3 in Italien wurde mit Brüsseler Zuwendungen fertiggestellt – das Geld nährte aber vor allem die Mafia. Ebenso wie der von Brüssel mitfinanzierte Bau und Betrieb des italienischen Hafens Gioia Tauro, wo pro Container 1,50 Euro Schutzgeld erpresst wird. In Ungarn, das in den vergangenen sieben Jahren mit rund 30 Milliarden Euro von der EU regelrecht aufgepäppelt wurde, zockte ausgerechnet der Schwiegersohn des lautstärksten Brüssel-Kritikers und Premierministers Viktor Orbán, IstEuro ván Tiborcz, über ein ausgeklügeltes System EU-Beihilfen ab.
Haushaltskommissar Günther Oettinger zeigte sich vor wenigen Tagen beunruhigt, versprach im Fall Slowakei „Klarheit über die Finanzströme und einen möglichen Missbrauch“. Dabei könnten Kommission und Rechnungshof den Berichten von Enthüllungsjournalisten seit langem entnehmen, dass Zuwendungen auch in dunklen Kanälen versickern. Waren es früher aber nur ein paar griechische Olivenbäume, die es nie gab, aber trotzdem bezuschusst wurden, oder eine von der Slowakei als Agrarland angemeldete Fläche, die achtmal größer war, als tatsächliche Messungen ergaben, so belegen die Arbeiten von Journalisten als neue Dimension: die Verstrickung organisierter Krimineller wie der Mafia oder der ’Ndrangheta.
Die große Hoffnung ruht nun auf der neuen Europäischen Staatsanwaltschaft, die gerade mit über 100 Juristen in Luxemburg aufgebaut wird. Unabhängiger, schneller und effizienter als bisherige EU-Behörden soll das Amt den Betrug zulasten der Union ermitteln. Bremen/Nürnberg Asylbewerber der religiösen Minderheit der Jesiden aus Syrien hatten in Bremen offenbar jahrelang leichtes Spiel. Dort soll eine ehemalige Leiterin der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zu Unrecht Asylanträge positiv entschieden haben. Bestechlichkeit und „bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“wirft die Bremer Staatsanwaltschaft ihr und fünf anderen Beschuldigten vor.
Es geht um mindestens 1200 Fälle, möglicherweise mehr. Aus welchem Motiv die suspendierte Außenstellenleiterin handelte, ist unklar. Für die Ermittler steht fest, dass die Mitarbeiterin im Zeitraum von 2013 bis 2016 Asyl gewährte, obwohl die Voraussetzungen nicht gegeben waren. Die Vorwürfe richten sich dabei nicht nur gegen sie, sondern auch gegen drei Rechtsanwälte, einen Dolmetscher und einen Mann, der zwischen den Parteien vermittelt haben soll.
Der Fall wurde jetzt durch Recherchen von und publik. Die Bamf-Zentrale in Nürnberg bestätigte die Ermittlungen gegen die Frau wegen Verleitung zum Asylmissbrauch. „Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorfalls wurde durch das Bundesamt Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltschaft gestellt“, heißt es in einem Statement. Es handele sich um eine Beamtin, die von den Dienstgeschäften entbunden sei. Das Bundesinnenministerium sicherte eine rasche Kontrolle der Asyl-Entscheidungen zu.
In den überwiegenden Fällen ging es um Jesiden aus Syrien, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte. Die Ermittlungen liefen seit Monaten. Am Mittwoch und Donnerstag seien acht Objekte in Bremen und Niedersachsen durchsucht worden – darunter mehrere Kanzleien. Bei den Wohnungsdurchsuchungen wurden Unterlagen sichergestellt, die nun ausgewertet werden.
Die Beschuldigten sollen gezielt Flüchtlinge aus anderen Bundesländern zur Bremer Bamf-Außenstelle gebracht haben, obwohl diese für die Menschen nicht zuständig war. Neben diesem formellen Verstoß soll es in den Asylverfahren „zahlreiche weitere Rechtsverstöße“gegeben haben. Somit hätten die für Syrer den Betrugsvorwurf nicht. „Da braucht man niemanden zu bestechen“, so Jelpke. Die Anerkennungsquote für Jesiden aus Syrien – also die Gruppe, um die es in Bremen ging – lag in Deutschland 2016 zwischen 92 und 96 Prozent, wie die Bundesregierung im vergangenen Frühjahr auf eine kleine Anfrage der Linken mitgeteilt hatte.
Die religiöse Minderheit der Jesiden stammt aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Als die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Sommer 2014 große Gebiete im Nordirak überrannte, waren zehntausende Jesiden vor den Gräueln der Extremisten geflohen.