Mittelschwaebische Nachrichten
Auch im Kreis leben viele Menschen von Grundsicherung
Die Tafeln in Deutschland klagen über wachsende Altersarmut. Auch im Landkreis leben immer mehr Rentner von der Grundsicherung. Caritas-Chef Abel erörtert, weshalb Senioren dennoch nicht verstärkt zur Tafel kommen
Landkreis Seit 25 Jahren gibt es Tafeln in Deutschland – seit 14 Jahren auch in Günzburg und Burgau, seit zwölf in Krumbach. Immer häufiger werden sie in einem Atemzug mit wachsender Altersarmut genannt. Vor einigen Wochen veröffentlichte Jochen Brühl, Vorsitzender des Dachverbands der deutschen Tafeln, eine alarmierende Statistik: Die Zahl der Rentner, die Lebensmittel von einer Tafel erhalten, soll sich binnen zehn Jahren auf 350 000 Menschen verdoppelt haben. Zuletzt erregte die Essener Tafel Aufsehen, weil sie einen Aufnahmestopp für Ausländer verhängte, nachdem es zu viele Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und Migranten gegeben haben soll.
Im Landkreis Günzburg ist ebenfalls eine negative Entwicklung zu beobachten: Nach Zahlen des Landratsamts sollen heute 40 Prozent mehr Menschen von der Grundsicherung abhängig sein als noch vor zehn Jahren. 264 Bürger im Landkreis lebten 2008 in einer Bedarfsgemeinschaft, in der mindestens eine Person die Grundsicherung erhalten hat. Heute sind es 366. Menschen, die sich im Rentenalter befinden oder ihrer Arbeit dauerhaft nicht mehr nachgehen können, erhalten Grundsicherung, wenn ihre Rente nicht für das Existenzminimum reicht. Der Regelsatz der Grundsicherung beträgt für Alleinstehende 416 Euro und liegt damit etwa auf Hartz-IV-Niveau. Margit Schuler, zuständig für Soziale Angelegenheiten am Landratsamt, bestätigt die Entwicklung im Landkreis. An den Rahmenbedingungen wie der Gesetzgebung habe sich in dieser Zeit nichts Maßgebliches verändert. Schuler hält die generell steigende Verbreitung der Altersarmut auch im Landkreis Günzburg für die Ursache.
Doch bei den Tafeln in der Region zeichnet sich diese Entwicklung scheinbar nicht ab. In Günzburg werden sie vom Caritasverband für die Region Günzburg und Neu-Ulm betrieben. Etwa zehn bis 15 Prozent der Menschen, die zu den wöchentlichen Essensausgaben kommen, seien über 65 Jahre alt, schätzt der Geschäftsführer der Caritas, Mathias Abel. Dieser Anteil habe sich in den vergangenen Jahren auch nicht deutlich verändert. Belastbare Zahlen dazu gebe es nicht, weil die Caritas die Geburtsdaten der Tafelbesucher nicht führt.
Zwar gebe es Abels Auffassung nach auch im Landkreis Günzburg Altersarmut, gerade für viele ältere Menschen liege die Hemmschwelle, eine Tafel zu besuchen, aber zu hoch. Zudem hätten einige Senioren in ihrem Leben schon „andere Zeiten durchlebt“und würden sich deshalb oft mit wenig zufriedengeben, vermutet er. Das Thema Altersarmut werde aber noch „verstärkt auf uns zukommen“, sagt er und verweist auf die hohe Zahl geringfügiger Beschäftigungen, besser bekannt als 450-Euro-Jobs.
Um bei einer Tafel einkaufen zu können, ist ein entsprechender Ausweis notwendig. Von diesen sind in Günzburg derzeit 168 im Umlauf, wöchentlich werden etwa 140 davon genutzt, schätzt Abel. Für die Burgauer Tafel gibt es 54 Ausweise.
Etwa 120 ehrenamtliche Helfer engagieren sich bei der Günzburger und Burgauer Tafel. Sie fahren die 43 Supermärkte und Lebensmittelproduzenten in der Region ab, sortieren die Produkte und koordinieren die Ausgabe. Die Spendenbereitschaft der Unternehmen sei über die Jahre sehr zuverlässig gewesen, betont Abel. Dennoch komme es vor, dass die Regale der beiden Tafeln knapper gefüllt sind. Dann ist das Feingefühl der Ehrenamtlichen bei der Ausgabe gefragt: Legt ein Kunde, wie Abel die Besucher der Tafel nennt, zu viel seiner Lieblingsspeise in den Wagen, muss ein Ehrenamtlicher ihn zügeln, damit für alle genug bleibt. Das führt manchmal zu Unstimmigkeiten. In Einzelfällen habe man gar Kunden der Tafel verweisen müssen, sagt er.
Im Hinblick auf die Geschehnisse in Essen sagt Abel, die Günzburger und Burgauer Tafeln seien weitgehend unberührt von der Flücht- lingskrise geblieben. „Wir hatten ohnehin eine Begrenzung auf 160 beziehungsweise seit letztem Jahr 170 Ausweise.“Flüchtlinge könnten sich wie jeder andere auf der Warteliste eintragen. Einige seien jedoch, wenn Platz gewesen wäre, bereits wieder umgezogen. Der Geschäftsführer der Caritas Günzburg stellt klar: Die Tafeln können und sollen staatliche Leistungen nicht ersetzen. „In Deutschland muss auch ohne Tafel niemand verhungern“, sagt er. Die Zielsetzung des Angebotes sei, den finanziell schlechter gestellten Menschen eine Möglichkeit zu geben, sich einen Teil ihrer Ausgaben für Lebensmittel zu sparen – nicht die Ernährung an sich sicherzustellen. Die Funktion geht ihm zufolge weit über die Hilfe für Bedürftige hinaus. „Die Tafeln in
„In Deutschland muss auch ohne Tafel niemand verhungern.“Mathias Abel, Caritas Geschäftsführer
Deutschland sind der größte Posten, wenn es um die Vermeidung vom Wegwerfen von Lebensmitteln geht“, sagt er.
Helmut Zinsler, der Vorsitzende des Vereins Offener Tafelkreis Krumbach, beobachtet ebenfalls keine deutliche Veränderung der Altersstruktur der Besucher. „Unsere Tafel bildet einen Querschnitt durch die Gesellschaft ab“– natürlich seien ältere Menschen unter den Kunden, genauso aber auch jüngere. In Krumbach sind etwa 120 Tafelausweise im Umlauf. Ob dafür eine Berechtigung vorliegt, prüfe man von Fall zu Fall. „Wir orientieren uns an Hartz IV.“Bei der Ausgabe erscheinen durchschnittlich 70 Menschen. Die Lebensmittel stammen von Supermärkten und Bäckereien aus Krumbach und Thannhausen. Die Entscheidung in Essen möchte Zinsler nicht beurteilen. In Krumbach aber habe man einige Flüchtlinge aufgenommen und keine Probleme. „Bei uns spielt die Nationalität keine Rolle.“