Mittelschwaebische Nachrichten
Mensch oder Marge?
Wirtschaft ist ein weites philosophisches Feld. Wer hat Vorrang, der Mensch oder die Marge? Der Erhalt von Arbeitsplätzen oder der Profit? Es liegt in der Natur der Sache, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer dies oft anders sehen.
Gewerkschafter kämpfen für den Erhalt von Stellen, auch wenn eine Firma Umsatzeinbrüche verzeichnet. Manager – so will es die betriebswirtschaftliche Logik – greifen hier als letztes Mittel zu Kündigungen. Das tun sie auch, um langfristig Kosten zu senken und zu verhindern, dass aus der Krise eine Pleite wird und alle arbeitslos sind.
Bei Siemens mit 372 000 Mitarbeitern stellt sich oft die Frage, ob Mensch oder Marge Vorrang haben. Konzernchef Kaeser spricht von der „Balance zwischen dem Wünschenswerten und dem Machbaren“. Dazwischen liege die Moral.
Derzeit hat Siemens ein dickes moralisches Problem. Kaum einer versteht, dass der Riese Massenentlassungen trotz Spitzen-Profit anstrebt. Da hilft es kaum, dass die Stellen in Bereichen gestrichen werden, in denen es weniger gut läuft. Um nicht ins ethische Abseits zu geraten, ist Kaeser gut beraten, Mitarbeitern, die in einer bestimmten Sparte nicht mehr gebraucht werden, an anderer Stelle im Konzern einen Job anzubieten. Dafür muss Siemens die Beschäftigten qualifizieren. Das ist Kaeser seiner Belegschaft schuldig. Nur so kann er sich aus dem derzeitigen moralischen Dilemma befreien.