Mittelschwaebische Nachrichten
Auf der Spur der Indianer
Das Bogenschießen hat unseren Autor schon als Kind fasziniert. Jetzt versucht er sich an der sportlichen Variante. Beim BSC Hohenraunau lernt er vom deutschen Meister und schafft sogar den einen oder anderen Blattschuss
Krumbach Als Kind war ich fasziniert vom Bogenschießen. Ein paar Äste und ein Bindfaden, schon war ich ein Indianer. Mit dem Spielzeugbogen vom Jahrmarkt ging es auf die Pirsch, Büsche und Bäume waren meine Ziele. Mochten andere Kinder mit Spielzeugpistolen Cowboy spielen, an die Eleganz eines Bogens kamen sie mit ihren Plastikwaffen nicht heran.
20 Jahre später stehe ich im Nieselregen auf einer Wiese im Süden von Krumbach und halte wieder einen Bogen in der Hand. Mit dem Spielzeug von damals hat der aber nur noch wenig gemeinsam. Er ist schwer, aus Metall und über einen Meter lang – ein sogenannter Recurve-Bogen, bei dem die Enden nach außen gebogen sind. Drei Pfeile stecken im Köcher an meiner Hüfte, das Ziel ist 18 Meter entfernt. Eigentlich keine große Distanz, da muss es doch möglich sein, die 1,25 Meter große Scheibe zu treffen.
Doch schon das Auflegen des Pfeils gestaltet sich schwierig. Die rote Feder muss nach außen, das Endstück, die sogenannte Nocke, muss genau an der richtigen Stelle an die Sehne gelegt werden. Die Spitze liegt in einer kleinen Einkerbung. Nachdem das unfallfrei funktioniert hat, heißt es „Feuer frei“. Das Spannen geht schwerer als erwartet, bis unters Kinn muss der Schütze die Sehne ziehen. Beim Zielen hilft ein Visier. Der erste Pfeil bleibt am unteren Rand der Scheibe stecken. Aber mein Lehrer Peter Schneider weiß Rat. Kurz dreht der erfahrene Bogenschütze am Rädchen des Visiers. Der nächste Pfeil trifft schon höher, der Dritte landet genau in der Mitte. So schnell ist aus mir ein Robin Hood geworden.
Seit 2005 gehen die Schützen des BSC Hohenraunau auf dem Gelände südlich des Tenniszentrums ihrem Sport nach. Vorher hatte Schneider in Krumbach mit Pistole und Gewehr geschossen. Als dann die Idee aufkam, in der Kammelstadt auch Bogenschießen anzubieten, war er begeistert. 2003 gründete er den eigenständigen Verein Bogenschützen-Club (BSC) Hohenraunau. Mittlerweile bieten auch Vereine in Thannhausen, Krumbach, Ichenhausen und Bibertal den Sport an. „Wir haben Mitglieder aus allen Schichten, jeden Alters. Und es kommen immer wieder neue hinzu.“
Trotz seines jungen Alters hat der Verein schon beachtliche Erfolge vorzuweisen. 2015 holte der BSC einen Mannschaftstitel bei der deutschen Hallenmeisterschaft, außerdem gewann Peter Schneiders Sohn Thomas den Einzeltitel mit dem Compound-Bogen. Wer kann einem also besser das Bogenschießen beibringen?
Noch völlig überwältigt von meinem Blattschuss, möchte ich die Pfeile zurückholen. Sofort hält mich Peter Schneider fest. „Pfeile werden erst geholt, wenn alle geschossen ha- ben. Das ist die oberste Regel.“Sicherheit geht vor, auch wenn Sportbögen offiziell nicht als meldepflichtige Waffen gelten. Das hat auch Marc Fischer schnell gelernt. Der Siebenjährige ist erst seit wenigen Wochen im Verein und feuert trotz des Regenwetters unermüdlich Pfeil um Pfeil mit seinem kleinen Compound-Bogen ab. Ich versuche derweil, motiviert durch meinen Treffer auf 18 Meter, den nächsten Schritt zu machen. Doch schon auf 25 Meter Entfernung ist das mit der Treffsicherheit schon gar nicht mehr so einfach. Von der goldenen Zehn sind meine Pfeile weit entfernt. Unvorstellbar, wie das auf 70 Meter, die auch bei Olympischen Spielen vorgeschrieben sind, gelingen soll.
Vielleicht funktioniert es mit dem Compound-Bogen besser. Anders als beim Recurve-Bogen ist die Sehne nicht einfach an den Bogenenden befestigt, sondern läuft über Rollen. Sieht nach Hightech aus, ein Bogen der Moderne quasi. Das Sportgerät perfekt auf Größe, Armlänge und Kraft des Schützen einzustellen, das kann schon mal drei Stunden dauern, sagt Thomas Schneider. „Deshalb kannst du mit dem Bogen eines anderen auch nie so gut schießen.“Ich versuche es trotzdem. Das Ziehen geht schwerer als beim Recurve, der Pfeil wird über einen mechanischen Auslöser auf die Reise geschickt. Zack! Zu tief. Thomas Schneider dreht ein wenig am Visier, und der zweite Versuch sitzt. Erste Erfolge hat man im Bogenschießen schnell.
Ganz billig ist der Sport aber nicht. Für eine gute gebrauchte Waffe sollte man mit 1200 Euro rechnen, sagen die Experten. Pfeile kosten zwischen fünf und 50 Euro. Neue Sehnen und andere Einzelteile werden auch immer wieder gebraucht. Thomas Schneider hat vor sieben Jahren mit dem Bogensport begonnen und seither schon viele Bögen ausprobiert. Der 40-Jährige trainiert mehrmals pro Woche. „Es hilft mir, nach der Arbeit Ruhe zu finden. Wenn ich da Canale Grande habe, ist so eine Stunde Schießen genau das richtige.“Tatsächlich hat das Bogenschießen etwas Meditatives, so still, fast lautlos, wie es im Vergleich zu anderen Schießsportarten abläuft. Nicht umsonst ist das Bogenschießen in vielen asiatischen Ländern Tradition.
Lange Zeit hatten die Hohenraunauer ein Problem, ihren Sport auch im Winter anbieten zu können. Wenn es abends früher dunkel und kälter wird, müssen sie ihren Schießplatz im Süden der Stadt verlassen. Platz in einer der Krumbacher Turnhallen gibt es aber nicht. Lange Zeit war der BSC auf der Suche nach einer Bleibe, trainierte mal hier, mal dort. Sogar auf einer Bowlingbahn hatten sie schon ihre Scheiben aufgestellt. Davon ist die neue Lösung nicht weit entfernt. Die Kegelbahn im Keller des Hotels Sonnenhof in Thannhausen soll die neue Winterheimat werden. „18 Meter, mehr brauchen wir nicht“, sagt Thomas Schneider. Er hofft, damit endlich eine langfristige Lösung gefunden zu haben.
Es regnet jetzt stärker. Den kleinen Marc stört das nicht, er feuert einen Pfeil nach dem anderen auf die Scheibe. Ich tue es ihm gleich. Schließlich kennt ein Indianer keinen Schmerz. Und auch kein schlechtes Wetter.
Liebe Leser! In unserer neuen Serie „Ich probier’s mal“suchen unsere Mit arbeiter Herausforderungen, die sie vorher noch nie gemeistert haben. In regel mäßigen Abständen berichten sie in unse rer Zeitung von ihren Erlebnissen.