Mittelschwaebische Nachrichten

Auf der Spur der Indianer

Das Bogenschie­ßen hat unseren Autor schon als Kind fasziniert. Jetzt versucht er sich an der sportliche­n Variante. Beim BSC Hohenrauna­u lernt er vom deutschen Meister und schafft sogar den einen oder anderen Blattschus­s

- VON ALEXANDER SING

Krumbach Als Kind war ich fasziniert vom Bogenschie­ßen. Ein paar Äste und ein Bindfaden, schon war ich ein Indianer. Mit dem Spielzeugb­ogen vom Jahrmarkt ging es auf die Pirsch, Büsche und Bäume waren meine Ziele. Mochten andere Kinder mit Spielzeugp­istolen Cowboy spielen, an die Eleganz eines Bogens kamen sie mit ihren Plastikwaf­fen nicht heran.

20 Jahre später stehe ich im Nieselrege­n auf einer Wiese im Süden von Krumbach und halte wieder einen Bogen in der Hand. Mit dem Spielzeug von damals hat der aber nur noch wenig gemeinsam. Er ist schwer, aus Metall und über einen Meter lang – ein sogenannte­r Recurve-Bogen, bei dem die Enden nach außen gebogen sind. Drei Pfeile stecken im Köcher an meiner Hüfte, das Ziel ist 18 Meter entfernt. Eigentlich keine große Distanz, da muss es doch möglich sein, die 1,25 Meter große Scheibe zu treffen.

Doch schon das Auflegen des Pfeils gestaltet sich schwierig. Die rote Feder muss nach außen, das Endstück, die sogenannte Nocke, muss genau an der richtigen Stelle an die Sehne gelegt werden. Die Spitze liegt in einer kleinen Einkerbung. Nachdem das unfallfrei funktionie­rt hat, heißt es „Feuer frei“. Das Spannen geht schwerer als erwartet, bis unters Kinn muss der Schütze die Sehne ziehen. Beim Zielen hilft ein Visier. Der erste Pfeil bleibt am unteren Rand der Scheibe stecken. Aber mein Lehrer Peter Schneider weiß Rat. Kurz dreht der erfahrene Bogenschüt­ze am Rädchen des Visiers. Der nächste Pfeil trifft schon höher, der Dritte landet genau in der Mitte. So schnell ist aus mir ein Robin Hood geworden.

Seit 2005 gehen die Schützen des BSC Hohenrauna­u auf dem Gelände südlich des Tenniszent­rums ihrem Sport nach. Vorher hatte Schneider in Krumbach mit Pistole und Gewehr geschossen. Als dann die Idee aufkam, in der Kammelstad­t auch Bogenschie­ßen anzubieten, war er begeistert. 2003 gründete er den eigenständ­igen Verein Bogenschüt­zen-Club (BSC) Hohenrauna­u. Mittlerwei­le bieten auch Vereine in Thannhause­n, Krumbach, Ichenhause­n und Bibertal den Sport an. „Wir haben Mitglieder aus allen Schichten, jeden Alters. Und es kommen immer wieder neue hinzu.“

Trotz seines jungen Alters hat der Verein schon beachtlich­e Erfolge vorzuweise­n. 2015 holte der BSC einen Mannschaft­stitel bei der deutschen Hallenmeis­terschaft, außerdem gewann Peter Schneiders Sohn Thomas den Einzeltite­l mit dem Compound-Bogen. Wer kann einem also besser das Bogenschie­ßen beibringen?

Noch völlig überwältig­t von meinem Blattschus­s, möchte ich die Pfeile zurückhole­n. Sofort hält mich Peter Schneider fest. „Pfeile werden erst geholt, wenn alle geschossen ha- ben. Das ist die oberste Regel.“Sicherheit geht vor, auch wenn Sportbögen offiziell nicht als meldepflic­htige Waffen gelten. Das hat auch Marc Fischer schnell gelernt. Der Siebenjähr­ige ist erst seit wenigen Wochen im Verein und feuert trotz des Regenwette­rs unermüdlic­h Pfeil um Pfeil mit seinem kleinen Compound-Bogen ab. Ich versuche derweil, motiviert durch meinen Treffer auf 18 Meter, den nächsten Schritt zu machen. Doch schon auf 25 Meter Entfernung ist das mit der Treffsiche­rheit schon gar nicht mehr so einfach. Von der goldenen Zehn sind meine Pfeile weit entfernt. Unvorstell­bar, wie das auf 70 Meter, die auch bei Olympische­n Spielen vorgeschri­eben sind, gelingen soll.

Vielleicht funktionie­rt es mit dem Compound-Bogen besser. Anders als beim Recurve-Bogen ist die Sehne nicht einfach an den Bogenenden befestigt, sondern läuft über Rollen. Sieht nach Hightech aus, ein Bogen der Moderne quasi. Das Sportgerät perfekt auf Größe, Armlänge und Kraft des Schützen einzustell­en, das kann schon mal drei Stunden dauern, sagt Thomas Schneider. „Deshalb kannst du mit dem Bogen eines anderen auch nie so gut schießen.“Ich versuche es trotzdem. Das Ziehen geht schwerer als beim Recurve, der Pfeil wird über einen mechanisch­en Auslöser auf die Reise geschickt. Zack! Zu tief. Thomas Schneider dreht ein wenig am Visier, und der zweite Versuch sitzt. Erste Erfolge hat man im Bogenschie­ßen schnell.

Ganz billig ist der Sport aber nicht. Für eine gute gebrauchte Waffe sollte man mit 1200 Euro rechnen, sagen die Experten. Pfeile kosten zwischen fünf und 50 Euro. Neue Sehnen und andere Einzelteil­e werden auch immer wieder gebraucht. Thomas Schneider hat vor sieben Jahren mit dem Bogensport begonnen und seither schon viele Bögen ausprobier­t. Der 40-Jährige trainiert mehrmals pro Woche. „Es hilft mir, nach der Arbeit Ruhe zu finden. Wenn ich da Canale Grande habe, ist so eine Stunde Schießen genau das richtige.“Tatsächlic­h hat das Bogenschie­ßen etwas Meditative­s, so still, fast lautlos, wie es im Vergleich zu anderen Schießspor­tarten abläuft. Nicht umsonst ist das Bogenschie­ßen in vielen asiatische­n Ländern Tradition.

Lange Zeit hatten die Hohenrauna­uer ein Problem, ihren Sport auch im Winter anbieten zu können. Wenn es abends früher dunkel und kälter wird, müssen sie ihren Schießplat­z im Süden der Stadt verlassen. Platz in einer der Krumbacher Turnhallen gibt es aber nicht. Lange Zeit war der BSC auf der Suche nach einer Bleibe, trainierte mal hier, mal dort. Sogar auf einer Bowlingbah­n hatten sie schon ihre Scheiben aufgestell­t. Davon ist die neue Lösung nicht weit entfernt. Die Kegelbahn im Keller des Hotels Sonnenhof in Thannhause­n soll die neue Winterheim­at werden. „18 Meter, mehr brauchen wir nicht“, sagt Thomas Schneider. Er hofft, damit endlich eine langfristi­ge Lösung gefunden zu haben.

Es regnet jetzt stärker. Den kleinen Marc stört das nicht, er feuert einen Pfeil nach dem anderen auf die Scheibe. Ich tue es ihm gleich. Schließlic­h kennt ein Indianer keinen Schmerz. Und auch kein schlechtes Wetter.

Liebe Leser! In unserer neuen Serie „Ich probier’s mal“suchen unsere Mit arbeiter Herausford­erungen, die sie vorher noch nie gemeistert haben. In regel mäßigen Abständen berichten sie in unse rer Zeitung von ihren Erlebnisse­n.

 ??  ?? Unser Autor mit einem Recurve Bogen. Bei Olympische­n Spielen treffen die Schützen damit auf 70 Meter Entfernung. Für den Anfang reichen auch 18 Meter.
Unser Autor mit einem Recurve Bogen. Bei Olympische­n Spielen treffen die Schützen damit auf 70 Meter Entfernung. Für den Anfang reichen auch 18 Meter.
 ?? Fotos: Ernst Mayer ?? Thomas (links) und Peter Schneider sind die Vorsitzend­en des BSC Hohenrauna­u. 2015 wurden sie deutsche Meister in der Halle.
Fotos: Ernst Mayer Thomas (links) und Peter Schneider sind die Vorsitzend­en des BSC Hohenrauna­u. 2015 wurden sie deutsche Meister in der Halle.
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Der siebenjähr­ige Marc Fischer mit sei nem Compound Bogen.
 ??  ?? Blattschus­s! Den Pfeil in der Mitte hat unser Autor abgefeuert.
Blattschus­s! Den Pfeil in der Mitte hat unser Autor abgefeuert.
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Über ein solches Visier peilen die Schüt zen ihr Ziel an.

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