Mittelschwaebische Nachrichten

Die Natur bleibt auf der Strecke

Leitartike­l Die intensive Landwirtsc­haft und die Versiegelu­ng der Flächen rauben vielen Tieren und Pflanzen den Lebensraum

- VON DOROTHEA SCHUSTER do@augsburger-allgemeine.de

Für die Elefanten ist bei der WeltArtens­chutzkonfe­renz im südafrikan­ischen Johannesbu­rg etwas erreicht worden, zumindest auf dem Papier. Der Handel mit Elfenbein wird nicht erleichter­t. Das wird die Wilderei freilich nicht verhindern. Das Geschäft ist zu lukrativ. Aber das ist nicht das einzige Problem der großen Säugetiere in Afrika und Asien. Sie werden ihres Lebensraum­s beraubt.

Die Bauern brauchen Land. Deshalb gibt es Konflikte zwischen Tier und Mensch. Die vertrieben­en Elefanten zerstören Felder. Straßen und Siedlungen zerschneid­en die Wanderrout­en der Elefanten. Nach jüngsten Berichten der Weltnaturs­chutzunion ist die Zahl der Elefanten in Afrika seit 2006 um 110000 Tiere auf 415000 gesunken. Wie ihnen geht es vielen anderen großen Wildtieren – den Nashörnern, Büffeln, Giraffen, Zebras . . . Wenn man bei einer Safari einen Leopard sieht, kann man glücklich sein.

Das sind ferne Länder. Doch wie sieht es vor unserer Haustür aus? Es gibt natürlich Erfolgsmel­dungen: Dank Artenhilfs­programmen ist der Weißstorch auf dem Höhenflug. Auch der Wanderfalk­e legt wieder zu. Diese Positivbei­spiele täuschen aber über die tatsächlic­he Entwicklun­g hinweg: In Deutschlan­d erleben wir einen dramatisch­en Artenschwu­nd. Nach dem Artenschut­zbericht des bayerische­n Umweltmini­steriums stehen 40 Prozent der untersucht­en Pflanzen und Tiere auf der Roten Liste.

Ganz eklatant ist der Rückgang bei den flugfähige­n Insekten. In manchen Regionen Deutschlan­ds sind es bis zu 80 Prozent. Das sieht jeder an seiner Windschutz­scheibe. Sie ist nicht mehr ständig von toten Mücken und Fliegen verschmutz­t. Der Rückgang der Insekten hat wiederum fatale Folgen für die Vogelwelt. Die Nahrungske­tte funktionie­rt nicht mehr. Der Bestand bricht ein. Weniger Wildbienen – das bedeutet weniger Bestäubung von Obstbäumen.

Den Grund für den Artenschwu­nd sieht das Bundesamt für Naturschut­z in erster Linie in der intensiven Landwirtsc­haft mit Dünger- und Pestizidei­nsatz. In dieser Ackerlands­chaft haben die Wiesenbrüt­er keinen Lebensraum mehr. Das gilt auch für die Feldlerche. Wer hörte sie in letzter Zeit? Ohne effektiver­e Agrar- und Naturförde­rprogramme wird sich an diesem Zustand nichts ändern. Ein weiterer Grund für den Artenrückg­ang ist die rasant fortschrei­tende Versiegelu­ng von Flächen. Auf dem Lechfeld südlich von Augsburg etwa werden und wurden Felder von großen Firmen zugebaut.

Die Natur bleibt immer mehr auf der Strecke und mit ihr die Arten. Eine Kehrtwende ist derzeit nicht abzusehen: So soll in Augsburg beim Landesamt für Umwelt auf einer historisch­en Heidelands­chaft billiger Wohnraum entstehen. Für das bayerische Umweltmini­sterium hat sie aber naturschut­zfachlich eine hohe Bedeutung. Die Heide war nie intensiv landwirtsc­haftlich genutzt worden. Deshalb konnte sich dort eine seltene Tier- und Pflanzenwe­lt entwickeln. Für Naturschüt­zer ist die Zukunft dieses Biotops ein Gradmesser für die Glaubwürdi­gkeit der Staatsregi­erung in Sachen Naturschut­z.

Der Naturschut­z steckt in einer tiefen Krise. Im Oberallgäu will ein Privatmann ein Wasserkraf­twerk in einer einmaligen Klamm bauen. Ebenfalls im Oberallgäu soll unter Missachtun­g naturschut­zfachliche­r Auflagen eine Skischauke­l gebaut werden dürfen. Die Naturschüt­zer sind zu Recht frustriert und werden auch in diesem Fall klagen. Umweltmini­sterin Ulrike Scharf steht aufseiten der Natur. Aber sie kommt gegen die Allmacht ihrer CSU-Kollegen Markus Söder (Heimat) und Ilse Aigner (Wirtschaft) nicht an. Und das ist das Schlimme . . .

Gradmesser für Glaubwürdi­gkeit der Staatsregi­erung

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany