Mittelschwaebische Nachrichten
Die Natur bleibt auf der Strecke
Leitartikel Die intensive Landwirtschaft und die Versiegelung der Flächen rauben vielen Tieren und Pflanzen den Lebensraum
Für die Elefanten ist bei der WeltArtenschutzkonferenz im südafrikanischen Johannesburg etwas erreicht worden, zumindest auf dem Papier. Der Handel mit Elfenbein wird nicht erleichtert. Das wird die Wilderei freilich nicht verhindern. Das Geschäft ist zu lukrativ. Aber das ist nicht das einzige Problem der großen Säugetiere in Afrika und Asien. Sie werden ihres Lebensraums beraubt.
Die Bauern brauchen Land. Deshalb gibt es Konflikte zwischen Tier und Mensch. Die vertriebenen Elefanten zerstören Felder. Straßen und Siedlungen zerschneiden die Wanderrouten der Elefanten. Nach jüngsten Berichten der Weltnaturschutzunion ist die Zahl der Elefanten in Afrika seit 2006 um 110000 Tiere auf 415000 gesunken. Wie ihnen geht es vielen anderen großen Wildtieren – den Nashörnern, Büffeln, Giraffen, Zebras . . . Wenn man bei einer Safari einen Leopard sieht, kann man glücklich sein.
Das sind ferne Länder. Doch wie sieht es vor unserer Haustür aus? Es gibt natürlich Erfolgsmeldungen: Dank Artenhilfsprogrammen ist der Weißstorch auf dem Höhenflug. Auch der Wanderfalke legt wieder zu. Diese Positivbeispiele täuschen aber über die tatsächliche Entwicklung hinweg: In Deutschland erleben wir einen dramatischen Artenschwund. Nach dem Artenschutzbericht des bayerischen Umweltministeriums stehen 40 Prozent der untersuchten Pflanzen und Tiere auf der Roten Liste.
Ganz eklatant ist der Rückgang bei den flugfähigen Insekten. In manchen Regionen Deutschlands sind es bis zu 80 Prozent. Das sieht jeder an seiner Windschutzscheibe. Sie ist nicht mehr ständig von toten Mücken und Fliegen verschmutzt. Der Rückgang der Insekten hat wiederum fatale Folgen für die Vogelwelt. Die Nahrungskette funktioniert nicht mehr. Der Bestand bricht ein. Weniger Wildbienen – das bedeutet weniger Bestäubung von Obstbäumen.
Den Grund für den Artenschwund sieht das Bundesamt für Naturschutz in erster Linie in der intensiven Landwirtschaft mit Dünger- und Pestizideinsatz. In dieser Ackerlandschaft haben die Wiesenbrüter keinen Lebensraum mehr. Das gilt auch für die Feldlerche. Wer hörte sie in letzter Zeit? Ohne effektivere Agrar- und Naturförderprogramme wird sich an diesem Zustand nichts ändern. Ein weiterer Grund für den Artenrückgang ist die rasant fortschreitende Versiegelung von Flächen. Auf dem Lechfeld südlich von Augsburg etwa werden und wurden Felder von großen Firmen zugebaut.
Die Natur bleibt immer mehr auf der Strecke und mit ihr die Arten. Eine Kehrtwende ist derzeit nicht abzusehen: So soll in Augsburg beim Landesamt für Umwelt auf einer historischen Heidelandschaft billiger Wohnraum entstehen. Für das bayerische Umweltministerium hat sie aber naturschutzfachlich eine hohe Bedeutung. Die Heide war nie intensiv landwirtschaftlich genutzt worden. Deshalb konnte sich dort eine seltene Tier- und Pflanzenwelt entwickeln. Für Naturschützer ist die Zukunft dieses Biotops ein Gradmesser für die Glaubwürdigkeit der Staatsregierung in Sachen Naturschutz.
Der Naturschutz steckt in einer tiefen Krise. Im Oberallgäu will ein Privatmann ein Wasserkraftwerk in einer einmaligen Klamm bauen. Ebenfalls im Oberallgäu soll unter Missachtung naturschutzfachlicher Auflagen eine Skischaukel gebaut werden dürfen. Die Naturschützer sind zu Recht frustriert und werden auch in diesem Fall klagen. Umweltministerin Ulrike Scharf steht aufseiten der Natur. Aber sie kommt gegen die Allmacht ihrer CSU-Kollegen Markus Söder (Heimat) und Ilse Aigner (Wirtschaft) nicht an. Und das ist das Schlimme . . .
Gradmesser für Glaubwürdigkeit der Staatsregierung