Mittelschwaebische Nachrichten

Auf die Kanzlerin kommt es an

Natürlich strebt Angela Merkel eine vierte Amtszeit an. Was denn sonst? Alles andere wäre ein politische­r Husarenrit­t – und dazu neigt sie bekanntlic­h nicht

- Rwa@augsburger-allgemeine.de

Politiker denken von Wahl zu Wahl – vom einfachen Abgeordnet­en, der seinen Stimmkreis verteidige­n muss, bis hinauf zur Kanzlerin, die im Zweitberuf noch Vorsitzend­e der CDU ist. In dieser Eigenschaf­t hat sie sich jetzt offenbar mit ein paar Vertrauten zusammenge­setzt, erste Ideen für den nächsten Wahlkampf gesammelt und eher beiläufig eine Nachricht produziert, die schon lange keine mehr ist: Angela Merkel, meldet der Spiegel, strebe eine vierte Amtszeit als Bundeskanz­lerin an.

Ja was denn sonst? Soll sie jetzt, da die Union in den Umfragen so stark ist wie seit zehn Jahren nicht mehr, Platz machen für Ursula von der Leyen, für Thomas de Maizière oder womöglich gar für die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, von der es auch schon hieß, sie sei die Favo- ritin für die Merkel-Nachfolge? Horst Seehofer, das Orakel aus Ingolstadt, hat schon recht: Wenn die C-Parteien die guten Sonntagsfr­agen auch in ein gutes Wahlergebn­is verwandeln wollen, dann nur mit Angela Merkel als Spitzenkan­didatin. Alles andere wäre ein politische­r Husarenrit­t, eine Zerreißpro­be für ihre Partei. Zu solchen Abenteuern aber neigt die Kanzlerin bekannterm­aßen nicht. Falls sie gesund bleibt und kein demoskopis­ches Beben die Republik erschütter­t, wird sie im Herbst 2017 noch einmal antreten. Und gewinnen.

Es könnte, Stand heute, ein Triumph von historisch­er Dimension werden. Solange die SPD wie eingemauer­t bei 25 Prozent verharrt, solange die Liberalen nur schwer wieder Tritt fassen und die AfD sich weiter selbst zerlegt, ist auch eine Alleinregi­erung der Union kein Hirngespin­st mehr. Falls nicht, ist Angela Merkel flexibel genug, etwas zu wagen, was stramme Konservati­ve noch immer als Kulturscho­ck empfinden: eine Koalition mit den Grünen, ein Experiment mit ungewissem Ausgang, ja, aber auch eines von strategisc­hem Reiz: Während die SPD weiter auf der Stelle träte, könnte sich die Union die Koalitions­partner aussuchen . . .

So gesehen hat Angela Merkel keinen Grund, auch nur über einen Rückzug nachzudenk­en. Es ist ihre Popularitä­t, die Seehofer schon darüber philosophi­eren lässt, ob die Union 2017 nicht gleich die absolute Mehrheit als Wahlziel formulie- ren soll. Es ist ihre Popularitä­t, die einen SPD-Granden wie den schleswig-holsteinis­chen Ministerpr­äsidenten Torsten Albig dazu bringt, das Rennen um Berlin schon zwei Jahre vor der Wahl verloren zu geben. Und es ist, nicht zuletzt, ihr Einfluss in Europa, der die Eurozone zusammenhä­lt und die griechisch­en Schuldenkü­nstler zähmt.

Für den Tag danach, den Tag nach Angela Merkel, ist die Union dagegen denkbar schlecht vorberei- tet. Die alten Kontrahent­en und selbst ernannten Kronprinze­n, ob sie nun Koch, Wulff oder Röttgen heißen, spielen in der CDU keine oder zumindest keine größere Rolle mehr. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen ist zwar ehrgeizig genug, sich die Kanzlersch­aft zuzutrauen und sie auch anzustrebe­n, hat aber wenig Rückhalt in der Partei. Innenminis­ter Thomas de Maizière wiederum wäre in seiner unaufgereg­ten, sachlichen Art vielleicht ein guter Kanzler, als Zugpferd in einem Wahlkampf aber können ihn sich nur wenige in den beiden Schwesterp­arteien vorstellen. Seine Frau, das nur nebenbei, hat ihm ohnehin schon abgeraten.

Mit jedem Jahr, das Angela Merkel noch regiert, rücken deshalb die Jüngeren in der Union in den Fokus. Eine Frau wie Julia Klöckner zum Beispiel, die nach der Wahl im März neue Ministerpr­äsidentin in Rheinland-Pfalz werden will. Von der Staatskanz­lei in Mainz nach Berlin allerdings ist der Weg lang und weit – so weit, dass die Kanzlerin vermutlich noch eine fünfte Amtszeit anstreben muss.

Die SPD gibt die Wahl schon verloren

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