Ein diplomatischer Profi
Porträt Österreichs neuer Außenminister Michael Linhart ist in EU-Europa bestens vernetzt. Für das Regime im Iran dagegen ist der 63-Jährige eine Reizfigur
Kein Zweifel: Der neue Mann im österreichischen Außenressort ist ein Vollprofi. Dass einer der längstgedienten Spitzendiplomaten als Nachfolger des über die Rochade mit Sebastian Kurz ins Kanzleramt aufgerückten Alexander Schallenberg bestimmt wurde, ist in der aktuellen Situation sicher von Nutzen: Erklärungsbedarf gibt es auf dem internationalen Parkett nach den Erschütterungen der Korruptionsaffäre rund um den gescheiterten Kanzler Kurz genug.
Für Michael Linhart, 63, bis vor wenigen Tagen noch auf begehrtem Botschafterposten in Paris, ist das außenpolitische Tagesgeschäft quasi ein Heimspiel. Linhart stammt wie sein Vorgänger Schallenberg aus einer Diplomatenfamilie, wurde in Ankara geboren und arbeitete sich über zahlreiche Stationen bis zum Generalsekretär im Außenministerium hinauf. Besondere Erfahrung hat er in der Entwicklungszusammenarbeit. In Brüssel, wo es in den Kurz-Jahren immer wieder Unmut über die österreichischen Positionen gab, gerade in Flucht- und Migrationsfragen, ist Linhart bestens bekannt und dem Vernehmen nach auch durchaus beliebt.
Dass der promovierte Jurist eine neue, eigene Linie einschlagen wird, ist aber unwahrscheinlich. „Mehr Fairness“gegenüber Polen und Ungarn hatte Kurz im eskalierenden Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit gefordert. Linhart betonte diesbezüglich vor seinem ersten EURatsbesuch in Luxemburg am Montag zwar, man müsse immer den Dialog suchen und dabei „die eigenen Werte vermitteln“, jedoch könne es „kein Europa mit guten oder schlechten Europäern“geben. Man befinde sich „noch immer in einem Wettstreit der Ideen“– das klingt ambivalent, gerade gegenüber Staaten wie Polen, die mit ihrer Justizpolitik einen fundamentalen Konflikt mit der EU vom Zaun gebrochen haben. Vielleicht bemüht sich Linhart genau deshalb wie sein Vorgänger, immer wieder zu betonen, Österreich sei „proeuropäisch“und ein „verlässlicher Partner“. Ob man denn die Corona-Hilfen für Polen zurückhalten soll, wie es aktuell in Brüssel diskutiert wird?
Auch hier blieb Linhart vage – sprach von „breiten Bevölkerungsschichten, die in diesen Ländern zutiefst europäisch orientiert“seien.
Nicht nur im EU-Konflikt mit Polen und Ungarn könnte Linharts diplomatische Erfahrung gefragt sein. Auch beim Thema Iran kommt Arbeit auf den dreifachen Familienvater zu. Als während der jüngsten Eskalation im Nahost-Konflikt im Mai Schallenberg und Kurz die israelische Flagge am Kanzleramt und am Außenministerium hissen ließen, sagte der iranische Außenminister prompt seinen Wien-Besuch ab – damit habe man Österreichs Stellung als neutralen Schauplatz für die Irangespräche beschädigt, lautete damals der Vorwurf der Opposition. „Wien steht wieder bereit“, sagte Linhart dazu am Montag. Die Arbeit wird dem Neuen im Außenamt nicht ausgehen.