Mindelheimer Zeitung

Erst gewollt, dann im Stich gelassen

Schicksal Ein Spaziergän­ger findet eine schwer kranke Katze in einem Waldstück. Das Tier wurde ausgesetzt. Das Tierheim Beckstette­n kritisiert ein immer größer werdendes Problem

- VON JESSICA STIEGELMAY­ER

Beckstette­n/Bad Wörishofen Sie lag allein auf einer Decke, mitten im Wald, bekam schwer Luft, war ausgezehrt und nahezu reglos. Als ein Spaziergän­ger die Katze in einem Kaufbeurer Waldstück sah, rief er sofort die Polizei. Die Beamten brachten das schwer kranke Tier erst zu einem Arzt und am nächsten Morgen ins Tierheim Beckstette­n. Dort starb die Kätzin. Die Ärztin konnte ihr nicht mehr helfen, sie nur noch erlösen. Der Sterbeproz­ess hatte bereits eingesetzt.

Ein Vorfall, der Emotionen auslöst und den das Tierheim in den Sozialen Netzwerken geteilt hat. „Egal welche ‘Ursache’ es geben mag, es gibt immer eine bessere Lösung, als eine Gefährtin oder einen Gefährten genau in diesen schweren Momenten einfach,wegzuwerfe­n‘ und allein zu lassen“, schreiben die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Über 300 Kommentare finden sich inzwischen unter dem Beitrag, über 800 Menschen haben darauf reagiert.

„Neben der schönen Tierwelt kommen auch solche Dinge vor“, sagt Tierheimma­nager Axel Nees. Der Vorfall habe alle Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sehr bewegt. „Die Ursache für den Zustand der Katze war vermutlich nicht die Nacht im Wald“, sagt Nees. „Wir hätten also nicht mehr viel tun können, auch wenn sie früher gefunden worden wäre.“

Auch wenn es nie leicht sei, ein Tier gehen zu lassen, sollte niemand seine Katze oder seinen Hund zum Sterben einfach aussetzen. „Das ist grausam“, sagt Nees. Treten finanziell­e Probleme auf, gebe es immer Alternativ­en, so ließen Tierärzte sicherlich mit sich reden. Wobei das Einschläfe­rn, auch nicht mit hohen Kosten verbunden sei. Schwierige­r sei da natürlich die emotionale Seite.

„Wenn es bedürftige Leute sind, kann man ihnen selbstvers­tändlich entgegenko­mmen“, sagt die Kaufbeurer Tierärztin Dr. Andrea Restle. Bei einer teuren Operation könnten ihre Kunden etwa eine Anzahlung machen und den Rest in Raten abbezahlen. Sie müsse sich allerdings darauf verlassen können, dass die Zahlungen zuverlässi­g eingehen, sagt Restle. Die Gründe dafür, warum Menschen ein Tier abgeben, seien vielschich­tig, schildert Axel Nees. „Oft hängt an den tierischen Schicksale­n auch ein menschlich­es, über das wir nicht urteilen oder richten möchten.“Umso wichtiger sei es den Tierheim-Mitarbeite­rn, ein gutes Zuhause für ihre Schützling­e zu finden. Noch bevor Interessen­ten einen Termin für das erste Kennenlern­en erhalten, müssten sie eine Selbstausk­unft ausfüllen.

Gefragt wird etwa, wie die Wohnsituat­ion ist, ob die zukünftige­n Tierhalter oft zu Hause sind und wer sich um die Haustiere während der Urlaubszei­t kümmert. „Es hat viel Schönes, ein Tier zu haben, aber es bringt auch Pflichten mit sich.“Und verursache Kosten, die man einkalkuli­eren müsse.

Nachdem Tier und Mensch sich das erste Mal gesehen haben, gebe es eine Bedenkzeit. „Man kommt nicht hierher und geht mit einer Katze nach Hause.“Stattdesse­n wollten die Mitarbeite­r die Interessen­ten kennenlern­en, ein Gefühl dafür bekommen, „wie die Leute ticken“. Später gebe es sogar Besuche: „Wir schauen, ob es der Katze gut geht und ob es Beratungsb­edarf gibt“, sagt Nees. Generell könnten sich die neuen Besitzerin­nen und Besitzer mit Fragen und Problemen jederzeit an das Tierheimpe­rsonal wenden.

Während der Corona-Pandemie haben sich etliche Menschen ein Tier nach Hause geholt. Auch das Tierheim Beckstette­n hätte in den vergangene­n Monaten sehr viele Katzen abgegeben.

Sorgen bereite die bloße Anzahl Nees jedoch nicht. „Unser Tierheim hat grundsätzl­ich sehr strenge Auswahlkri­terien, deshalb mussten wir zu Corona-Zeiten nicht nachbesser­n.“

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Archivfoto: Mathias Wild Wer sich für ein Kätzchen oder einen Welpen entscheide­t, sollte sich davor informie‰ ren und Gedanken machen.

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