Erst gewollt, dann im Stich gelassen
Schicksal Ein Spaziergänger findet eine schwer kranke Katze in einem Waldstück. Das Tier wurde ausgesetzt. Das Tierheim Beckstetten kritisiert ein immer größer werdendes Problem
Beckstetten/Bad Wörishofen Sie lag allein auf einer Decke, mitten im Wald, bekam schwer Luft, war ausgezehrt und nahezu reglos. Als ein Spaziergänger die Katze in einem Kaufbeurer Waldstück sah, rief er sofort die Polizei. Die Beamten brachten das schwer kranke Tier erst zu einem Arzt und am nächsten Morgen ins Tierheim Beckstetten. Dort starb die Kätzin. Die Ärztin konnte ihr nicht mehr helfen, sie nur noch erlösen. Der Sterbeprozess hatte bereits eingesetzt.
Ein Vorfall, der Emotionen auslöst und den das Tierheim in den Sozialen Netzwerken geteilt hat. „Egal welche ‘Ursache’ es geben mag, es gibt immer eine bessere Lösung, als eine Gefährtin oder einen Gefährten genau in diesen schweren Momenten einfach,wegzuwerfen‘ und allein zu lassen“, schreiben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Über 300 Kommentare finden sich inzwischen unter dem Beitrag, über 800 Menschen haben darauf reagiert.
„Neben der schönen Tierwelt kommen auch solche Dinge vor“, sagt Tierheimmanager Axel Nees. Der Vorfall habe alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr bewegt. „Die Ursache für den Zustand der Katze war vermutlich nicht die Nacht im Wald“, sagt Nees. „Wir hätten also nicht mehr viel tun können, auch wenn sie früher gefunden worden wäre.“
Auch wenn es nie leicht sei, ein Tier gehen zu lassen, sollte niemand seine Katze oder seinen Hund zum Sterben einfach aussetzen. „Das ist grausam“, sagt Nees. Treten finanzielle Probleme auf, gebe es immer Alternativen, so ließen Tierärzte sicherlich mit sich reden. Wobei das Einschläfern, auch nicht mit hohen Kosten verbunden sei. Schwieriger sei da natürlich die emotionale Seite.
„Wenn es bedürftige Leute sind, kann man ihnen selbstverständlich entgegenkommen“, sagt die Kaufbeurer Tierärztin Dr. Andrea Restle. Bei einer teuren Operation könnten ihre Kunden etwa eine Anzahlung machen und den Rest in Raten abbezahlen. Sie müsse sich allerdings darauf verlassen können, dass die Zahlungen zuverlässig eingehen, sagt Restle. Die Gründe dafür, warum Menschen ein Tier abgeben, seien vielschichtig, schildert Axel Nees. „Oft hängt an den tierischen Schicksalen auch ein menschliches, über das wir nicht urteilen oder richten möchten.“Umso wichtiger sei es den Tierheim-Mitarbeitern, ein gutes Zuhause für ihre Schützlinge zu finden. Noch bevor Interessenten einen Termin für das erste Kennenlernen erhalten, müssten sie eine Selbstauskunft ausfüllen.
Gefragt wird etwa, wie die Wohnsituation ist, ob die zukünftigen Tierhalter oft zu Hause sind und wer sich um die Haustiere während der Urlaubszeit kümmert. „Es hat viel Schönes, ein Tier zu haben, aber es bringt auch Pflichten mit sich.“Und verursache Kosten, die man einkalkulieren müsse.
Nachdem Tier und Mensch sich das erste Mal gesehen haben, gebe es eine Bedenkzeit. „Man kommt nicht hierher und geht mit einer Katze nach Hause.“Stattdessen wollten die Mitarbeiter die Interessenten kennenlernen, ein Gefühl dafür bekommen, „wie die Leute ticken“. Später gebe es sogar Besuche: „Wir schauen, ob es der Katze gut geht und ob es Beratungsbedarf gibt“, sagt Nees. Generell könnten sich die neuen Besitzerinnen und Besitzer mit Fragen und Problemen jederzeit an das Tierheimpersonal wenden.
Während der Corona-Pandemie haben sich etliche Menschen ein Tier nach Hause geholt. Auch das Tierheim Beckstetten hätte in den vergangenen Monaten sehr viele Katzen abgegeben.
Sorgen bereite die bloße Anzahl Nees jedoch nicht. „Unser Tierheim hat grundsätzlich sehr strenge Auswahlkriterien, deshalb mussten wir zu Corona-Zeiten nicht nachbessern.“