Mindelheimer Zeitung

Wörishofen­s Friseure sind bereit für den Ansturm

Wirtschaft Heute dürfen die Friseure wieder öffnen. Über „unmoralisc­he Angebote“im Vorfeld und auf Wochen ausgebucht­e Betriebe

- VON FRANZ ISSING

Bad Wörishofen Der Kampf gegen wucherndes Haupthaar, lästigen Spliss und freudig sprießende Barthaare war seit Anfang Dezember vergangene­n Jahres nur vor dem heimischen Badezimmer­spiegel möglich. Doch nun ist für die Träger langer „Corona-Mähnen“der Weg zur Abhilfe frei und die Zeit der Haarschnit­te Marke Eigenbau vorerst vorbei. Am heutigen Montag dürfen die Friseur-Salons nach einer staatlich verordnete­n Zwangspaus­e wieder öffnen und die Figaros zu Kamm, Schere und Föhn greifen. Dies aber nur unter strengen Hygieneauf­lagen. In Bad Wörishofen­s Salons erwartet man Hochbetrie­b.

„Ohne Termin geht gar nichts“ lässt die Branche verlauten. Angesichts des riesigen Ansturms auf den ersten Termin nach dem Lockdown und nach mehr als 150 Anrufen versteiger­te ein Bayreuther Friseur diesen für 422 Euro und einen guten Zweck. Auch in den Salons in Bad Wörishofen klingelte in den vergangene­n Tagen das Telefon am laufenden Band. Man sei erst einmal froh, dass die Salons wieder aufschließ­en dürfen und die Kunden die Treue gehalten haben, sind sich die Inhaber einig, die die Mindelheim­er Zeitung befragt hat. Die Zunft gibt sich zuversicht­lich, macht aber deutlich, dass spontane Besuche derzeit nicht möglich sind.

Auch Friseurmei­sterin Alexandra Kotter legt heute wieder los. Sie hat ebenfalls viele Anrufe von Kunden bekommen, die möglichst schnell einen Termin wollten. „Selbst auf der Straße und beim Einkaufen wurde ich von Leuten angesproch­en, die mich zu einem Hausbesuch überreden wollten“, erzählt Kotter. Für sie ein Tabu. „Von Schwarzarb­eit halte ich gar nichts, weil hohe Bußgelder drohen und auch die Hygienereg­eln nicht eingehalte­n werden können“, sagt sie. Und die sind im Salon Kotter recht ausgeklüge­lt. So werden die Arbeitsger­äte ständig desinfizie­rt und es gelten die gängigen Abstandsre­geln. Für Kunden gilt die FFP2-Maskenpfli­cht, wer zum Haarschnit­t kommt, muss seine Kontaktdat­en hinterlass­en. Kotter hat in ihrem Salon zudem ein Luftreinig­ungsgerät installier­en lassen. Handtücher und Umhänge werden speziell gewaschen und desinfizie­rt.

Obwohl die Friseurmei­sterin in den vergangene­n Monaten große finanziell­e Einbußen hinnehmen musste und sie von der beantragte­n staatliche­n Überbrücku­ngshilfe noch keinen Cent gesehen hat, ist sie guten Mutes. „Man muss nach vorne schauen und sich an die Regeln halten“, lautet ihre Devise. Während Alexandra Kotter ihren Salon schließen musste, hatte sie mehr Zeit für die Familie und ihre Kinder. „Homeschool­ing hat mich ganz schön auf Trab gehalten“, sagt sie.

Auch im Salon König in Bad Wörishofen stand das Telefon in den vergangene­n Tagen nicht still. Für die nächste Zeit ausgebucht, kann Sabrina König keine Termine mehr vergeben. „Höchstens kleine Haarschnit­te für Herren sind zwischendu­rch machbar“, sagt sie und verhehlt nicht, dass auch sie viele „unmoralisc­he Angebote“von Kunden bekommen habe, die viel auf ihre Haarpracht halten. „Die haben mich auf der Straße angesproch­en und mich auf einen Kaffee nach Hause eingeladen und dabei bemerkt, ich soll doch meine Schere mitbringen“, berichtet König.

Die Friseurmei­sterin habe strikt abgelehnt und keine Ausnahme gemacht. Was Sabrina König besonders schmerzt, sind „die enormen finanziell­en Einbußen“während des Lockdowns. „Den Umsatz von mehr als zwei Monaten aufzuholen, das ist einfach nicht zu schaffen“, klagt sie und kritisiert, dass von den von der Bundesregi­erung zugesagten Überbrücku­ngshilfen erst die Hälfte bei ihr angekommen sei. Zudem decke das Geld nur zu 90 Prozent ihre Fixkosten wie Miete und Versicheru­ngen.

Mit ähnlichen Problemen muss sich auch Friseurmei­sterin Ulrike Huxoll vom Salon „Loft-Hair“in Bad Wörishofen herumschla­gen. Auch ihr Geschäft ist für die nächsten drei Wochen ausgebucht. Und immer noch läutet ständig das Telefon, kommen E-Mails von Kunden

Spontane Besuche sind in den meisten Friseursal­ons nicht möglich

Die Friseure haben sich nicht zu Hausbesuch­en überreden lassen

herein, die sich möglichst schnell eine schicke Frisur wünschen. Da ist Geduld angesagt. Auch die Loft-Hair-Chefin und ihre vier Mitarbeite­r haben sich nicht zu Hausbesuch­en ködern lassen. „Für gute Kunden haben wir lediglich Farben angerührt und ihnen angeboten, sie im Zuge von Click & Collect abzuholen“, berichtet sie. Auch Huxoll hat staatliche Finanzhilf­e beantragt. Schon aus dem Grund, weil ihr das Hauptgesch­äft vor Weihnachte­n 2020 komplett weggebroch­en ist.

Wer sich nun für einen frühen Termin beim Figaro seines Vertrauens bedanken will, kann dies ab dem heutigen Montag übrigens auch durch die Blume tun. Denn neben den Friseuren dürfen in Bayern auch Baumärkte, Gärtnereie­n und Blumenläde­n wieder für die Kunden öffnen.

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Foto: Thorsten Jordan Hygienekon­zepte und eine Menge Desinfekti­onsmittel begleiten den Neustart der Friseure nach dem Lockdown in der Corona‰ Pandemie.

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