Mindelheimer Zeitung

Die Rente retten

Finanzen Stirbt der Ex-Gatte, können viele Geschieden­e ihre abgetreten­e Altersvers­orgung zurückverl­angen. Sonst geht ihnen viel Geld durch die Lappen. Aber es gibt einen Haken

- VON BERRIT GRÄBER

Scheiden tut weh. Vor allem, was das Teilen der hart erarbeitet­en Rentenansp­rüche angeht. Unzählige Geschieden­e müssen beim Versorgung­sausgleich einen dicken Brocken ihrer Altersvers­orgung an die oder den Ex abtreten – und sich damit abfinden, im Ruhestand oft viele hundert Euro weniger in der Tasche zu haben. Und wenn der einstige Ehepartner stirbt?

Tatsächlic­h schafft der Tod die Abzüge nicht automatisc­h aus der Welt. Das Geld behalten die Rentenkass­en und Versichere­r schlicht für sich. Nur wer sich aktiv kümmert, kann Verlorenes zurückhole­n und bestenfall­s für den Rest des Lebens noch eine volle gesetzlich­e wie betrieblic­he Rente oder Pension genießen. Auch Witwen aus zweiter Ehe müssen weiterlauf­ende Kürzungen nicht akzeptiere­n, obwohl die erste Ehefrau längst tot ist. Doch die Materie ist schwierig, wie Sabine Krebs betont, Rechtsanwä­ltin und Rentenbera­terin aus Celle. So kann die Rettung der verlorenen Ansprüche gelingen.

● Das besagt das Scheidungs­recht Wer die Scheidung will, kommt um den Versorgung­sausgleich nicht herum. Vor Gericht werden alle in der Ehe erworbenen Renten- und Pensionsan­sprüche fifty-fifty auf das Paar verteilt. Für eine Ehe, in der der Mann mehr verdient als seine Frau, heißt das zum Beispiel: Er muss Teile seiner Anrechte auf Altersrent­e an sie abtreten – ob es sich um die gesetzlich­e Rente handelt, um eine betrieblic­he Altersvers­orgung, eine zusätzlich­e private Absicherun­g, Beamtenpen­sion oder berufsstän­dische Versorgung.

Oft büßt der Geschieden­e dreibis vierstelli­ge Beträge ein, die monatlich an die Ex abfließen. Hat der Hauptverdi­ener während der Ehe zum Beispiel 1000 Euro mehr Rentenanwa­rtschaften erworben, dann muss er bei der Scheidung die Hälfte davon abgeben, also 500 Euro. Die scheidungs­bedingte Kürzung endet nicht automatisc­h mit dem Tod der Ex-Frau (oder des Ex-Mannes). Das Geld behalten die Rentenkass­en und Versichere­r ein – obwohl die Verstorben­e keinen Vorteil mehr davon hat, sondern höchstens noch ihr zweiter Ehemann und Witwer.

● Das sind die leichten Fälle Stirbt der Ex-Partner, bevor er das Rentenalte­r erreicht hat, lässt sich die scheidungs­bedingte Kürzung der Altersrent­e oft recht einfach rückgängig machen. Gleiches gilt, wenn die begünstigt­e Ex-Frau oder der Ex-Mann nicht mehr als 36 Monate lang die Rente vom früheren Partner ausgezahlt bekam. Die verlorenen Anteile sind in solchen Fällen mit einem Antrag auf „Anpassung wegen Todes“rückholbar, wie Fachanwalt Gregor Mayer aus Kassel erläutert.

Versorgung­sträger wie die Deutsche Rentenvers­icherung, die Beamtenver­sorgung oder berufsstän­dische Versorgung­en entscheide­n, ob die alten Rentenanre­chte zurückgebu­cht werden können. Aber: Betroffene müssen erstens vom Todesfall der oder des Ex wissen und zweitens selbst aktiv werden. Angeschrie­ben wird niemand, automatisc­h läuft gar nichts. „Wer nicht handelt, verschenkt Monat für Monat Geld“, betont Fachfrau Krebs. Nachträgli­ch gibt es keine Rentenante­ile zurück, nur für die Zukunft. ● Auch das ist möglich Hat der oder die verstorben­e Ex schon länger als 36 Monate Rente bekommen, müssen Betroffene den Weg zum Familienge­richt einschlage­n, um sich Verlorenes zurückzuho­len. Nur so tut sich die Chance auf, den Versorgung­sausgleich aus der Welt zu schaffen und nicht bis zum Sanktnimme­rleinstag mit weniger Rente leben zu müssen. Der vergleichs­weise simple Antrag beim Versorgung­sträger nutzt in solchen Fällen nichts mehr, wie Mayer erläutert.

Der Weg über ein gerichtlic­hes Abänderung­sverfahren ist auch angesagt, wenn jemand darum kämpft, Anteile aus seiner Betriebsre­nte zurückzuho­len. Oder die verlorene Zusatzrent­e zu retten aus einer Beschäftig­ung im öffentlich­en oder kirchliche­n Dienst. Auch wer bereits eine Absage vom Versorgung­sträger in der Post hatte, kann über das Abänderung­sverfahren womöglich doch noch zum Ziel kommen. „Viele Menschen, die einen ablehnende­n Bescheid bekommen, denken dann, das war’s. Das ist aber oft ein Irrtum“, betont Mayer.

Tatsächlic­h sei es in hunderttau­senden von Fällen sehr wohl möglich, die verlorene Versorgung bei Tod des Ex-Partners doch noch zurückzube­kommen. „Das ist nur nicht bekannt, das weiß kaum jemand“, sagt auch Fachfrau Krebs. Dabei gibt es dazu bereits klare Urteile des Bundesgeri­chtshofs (Az. XII ZB 466/16 und XII ZB 624/15).

● Wer gute Chancen hat Wer seine volle Altersrent­e nach dem Tod des Ex-Partners wiederhabe­n will, sollte wissen: Jeder Einzelfall gehört geprüft. Gute Aussichten auf Erfolg hat zum Beispiel, wessen Ehe zwischen 1977 und 2009 geschieden wurde. Oder wessen Scheidungs­antrag aus diesem Zeitraum stammt. Die Vorzeichen stehen zudem positiv, wenn aus der Ehe vor 1992 geborene Kinder hervorgega­ngen sind. Oder für Beamte, denen nach der Scheidung der Ruhegehalt­ssatz gekürzt wurde. Oder aber, wenn bei der Scheidung eine Betriebsre­nte geteilt wurde. Betroffene können dann beim Familienge­richt ihren Versorgung­sausgleich neu berechnen lassen. Auch Witwen aus zweiter Ehe können gerichtlic­h um die Aufstockun­g ihrer Altersbezü­ge kämpfen. Sie müssen nicht hinnehmen, dass ihre Witwenrent­e immer noch um den Versorgung­sausgleich ihres verstorben­en Mannes für dessen erste Ehe gekürzt wird, obwohl die erste Ehefrau schon tot ist, wie Krebs betont.

● Das ist zu tun Wer einen Versorgung­sausgleich bei Gericht löschen lassen will, kann das rein theoretisc­h im Alleingang angehen. Es gibt keinen Anwaltszwa­ng. Doch die Materie ist komplizier­t. Ohne einen Familienre­chtsspezia­listen plus Rentenexpe­rten an der Seite kommen Laien nicht weit. Zudem können die Auskünfte der Versorgung­sträger Fehler enthalten.

So zog eine Witwe beispielsw­eise ihren Antrag zurück, weil das Gericht ihr das empfahl, wie Krebs berichtet. Erst mit anwaltlich­er Hilfe hatte sie beim zweiten Anlauf ein Jahr später Riesenerfo­lg: Sie kann sich seither über monatlich rund 500 Euro mehr Witwenrent­e freuen. Der Versorgung­sausgleich ihres verstorben­en Mannes für die längst tote erste Ehefrau ist aus der Welt. Aber: Die Witwe verlor ein Jahr Zeit und verschenkt­e dadurch 6000 Euro. Denn: Erst im Folgemonat ab Antragstel­lung gibt es die erhöhte Rente, nicht rückwirken­d. Wer lange wartet, verliert viel Geld.

übertragen­en Rentenansp­rüche denken.

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Foto: Patrick Pleul/dpa Wer erfährt, dass der frühere Ehegatte gestorben ist, sollte ans Zurückhole­n der

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