Das Farbenmeer der Meere
Wissen Warum ist der Ozean tiefblau, während das Wasser im Swimmingpool glasklar ist? Wie entsteht das begehrte Türkisblau an Urlauberstränden der Karibik? Die Antworten führen zu den wichtigsten Bausteinen des Lebens
Ist das Meer wirklich blau, weil sich der blaue Himmel darin spiegelt? Nord- und Ostsee sind doch eher grau-braun – und zwar auch bei strahlendem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel. In der Karibik gibt es herrlich türkisfarbene Flachwasserzonen – ganz ohne türkises Firmament. Ja, der Ozean kann sogar knallrot sein. Ein Sonnenuntergang, der sich in der Wasseroberfläche spiegeln könnte, ist dazu nicht notwendig. Und ein leuchtend grünes Meer gibt es keinesfalls nur unter einem grünen Polarlicht. Was steckt hinter dem Farbspiel?
Die Theorie von dem sich spiegelnden blauen Himmel ist heute dann auch längst überholt. Herbert Siegel vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung kennt die farblichen Nuancen der Ozeane besser: „Die Farbe des Meeres entsteht durch die Wechselwirkung der einfallenden Sonnenstrahlung mit dem Meereswasser und den darin gelösten und schwebenden Wasserinhaltsstoffen.“Das Sonnenlicht wird nämlich nur zu einem geringen Teil direkt an der Wasseroberfläche reflektiert. Der überwiegende Teil des Lichts dringt in das Wasser ein.
Der blaue Farbeindruck des Wassers entsteht, weil das Wasser rotes Licht absorbiert und die Wassermoleküle dann den blauen Anteil des Sonnenlichts in alle Richtungen streuen – unter anderem auch zurück an die Wasseroberfläche und bis in unsere Augen hinein. Die weiteren Farben des Regenbogens, aus denen sich das Sonnenlicht zusammensetzt, wie etwa das Rot, bekommen wir gar nicht erst zu sehen, da es von den Wassermolekülen absorbiert wird, um nicht zu sagen: geschluckt. „In klarstem Ozeanwasser, in dem keine optisch wirksamen Wasserinhaltsstoffe enthalten sind, bestimmt die Absorption des reinen Meerwassers und die Rückstreuung an den Wassermolekülen die Wasserfarbe“, sagt der Warnemünder Ozeanograf Siegel.
Das Blau wird sogar umso intensiver, je tiefer das Wasser ist, denn desto mehr Wassermoleküle sind beteiligt. Das ist übrigens auch der Grund, warum das Wasser im Swimmingpool nicht blau aussieht – der Pool ist ganz einfach nicht tief genug. Denn das Blau des klaren tiefen Ozeanwassers entsteht durch Streuung und Absorption des Sonnenlichts nur durch Wassermoleküle. Das klare Ozeanwasser, das sich beispielsweise in der Sargassosee im Atlantik findet, gibt es allerdings nicht überall auf der Welt, ganz im Gegenteil sogar.
Weil durch die Flüsse viele optisch wirksame Inhaltsstoffe eingetragen werden, die auch bei Planktonblüten entstehen, gibt es nicht überall Blauwassergebiete. „Verfälscht werden kann die Wasserfarbe durch den Meeresboden im Flachwasserbereich, durch Substanzen auf der Oberfläche oder durch Oberflächenreflexionen“, sagt Experte Siegel. „Deshalb erscheint die Ostsee blau-grau, weil wir von der Promenade aus die Reflexion des Himmels sehen, und erst, wenn wir vom Steg senkrecht in das Wasser schauen, können wir die wirkliche grüne Farbe erkennen.“
Satellitenaufnahmen ermöglichen es heute, Rückschlüsse von der Farbe der Ozeane auf deren Inhaltsstoffe zu ziehen. Vor allem die Färbung, die durch Plankton entsteht, haben die Forscher dabei im Auge. Das pflanzliche Phytoplankton spielt hier eine überaus wichtige Rolle. Manchen Forschern gilt es gar als „wichtigster Organismus der Welt“.
Zum Einen ist das Plankton als erstes Glied in der Nahrungskette die Voraussetzung für alles höhere Leben im Meer. Zum Anderen kommt ihm eine entscheidende Bedeutung für die Sauerstoffproduktion auf dem gesamten Globus zu.
Die Ozeanografen und Klimawissenschaftler, die sich Ende 2016 im italienischen Frascati auf dem Fachkongress „Farbe und Licht im Ozean“getroffen haben, gehen davon aus, dass „die Ozeane zur Zeit über 25 Prozent des vom Menschen gemachten Kohlenstoffausstoßes absorbieren“. Darüber hinaus beziffern die Experten den Anteil des pflanzlichen Planktons an der weltweiten Sauerstoffproduktion auf bis zu 80 Prozent.
Phytoplankton in flachem Wasser eines weißen Karibiksandstrandes íst verantwortlich für das begehrte Türkis der Urlauberstrände. Dieses pflanzliche Plankton kann aber je nach Art ganz unterschiedlich gefärbt sein und somit auch das Meereswasser entsprechend einfärben. So kann etwa die braune Farbe Aufschluss über die Blüte bestimmter Kieselalgen geben. Rötlichbraune Färbungen entstehen in der Ostsee unter anderem durch die mikroskopisch kleinen Mikrolebewesen Prorocentrum minimum und in der Nordsee durch die Blüte von Meelängst resleuchttierchen namens Noctiluca scintillans. Sie können auch für leuchtendes Blau-Grün aber auch Rot durch sogenannte Bioluminiszens sorgen. Auch Cyanobakterien können das Wasser bläulich-grün verfärben, in der Ostsee aber meist hellgelbbraun. Durchsichtig klar sieht das Wasser überall dort aus, wo es rein oder zumindest frei von Teilchen ist und nicht tief genug, um blau zu erscheinen. Der Untergrund sorgt hier für den Farbeindruck, etwa im Flachwasserbereich.
Anhand der Farben der Meere, die sich auf den Satellitenaufnahmen abzeichnen, können die Wissenschaftler wichtige Informationen über das Auftreten, die Menge und die Verteilung des Phytoplanktons gewinnen. Daniel Boyce und sein Team von der Dalhousie University im kanadischen Halifax ermittelten in einer umfangreichen Studie, dass die Menge des Phytoplanktons in den letzten 110 Jahren weltweit um durchschnittlich mehr als ein Prozent im Jahr zurückgegangen ist. „Bisher können wir noch nicht absehen, welchen Effekt dieser Rückgang haben wird“, meint Boyce. Da das Plankton so wichtig für die Meere, das Klima, ja, das Leben auf der gesamten Erde ist, sind die Forscher aber entsprechend beunruhigt.
Die Meeresfarbe ist auch für das Erdklima wichtig