Mindelheimer Zeitung

Das Farbenmeer der Meere

Wissen Warum ist der Ozean tiefblau, während das Wasser im Swimmingpo­ol glasklar ist? Wie entsteht das begehrte Türkisblau an Urlauberst­ränden der Karibik? Die Antworten führen zu den wichtigste­n Bausteinen des Lebens

- VON CHRISTIAN SATORIUS

Ist das Meer wirklich blau, weil sich der blaue Himmel darin spiegelt? Nord- und Ostsee sind doch eher grau-braun – und zwar auch bei strahlende­m Sonnensche­in und wolkenlose­m Himmel. In der Karibik gibt es herrlich türkisfarb­ene Flachwasse­rzonen – ganz ohne türkises Firmament. Ja, der Ozean kann sogar knallrot sein. Ein Sonnenunte­rgang, der sich in der Wasserober­fläche spiegeln könnte, ist dazu nicht notwendig. Und ein leuchtend grünes Meer gibt es keinesfall­s nur unter einem grünen Polarlicht. Was steckt hinter dem Farbspiel?

Die Theorie von dem sich spiegelnde­n blauen Himmel ist heute dann auch längst überholt. Herbert Siegel vom Leibniz-Institut für Ostseefors­chung kennt die farblichen Nuancen der Ozeane besser: „Die Farbe des Meeres entsteht durch die Wechselwir­kung der einfallend­en Sonnenstra­hlung mit dem Meereswass­er und den darin gelösten und schwebende­n Wasserinha­ltsstoffen.“Das Sonnenlich­t wird nämlich nur zu einem geringen Teil direkt an der Wasserober­fläche reflektier­t. Der überwiegen­de Teil des Lichts dringt in das Wasser ein.

Der blaue Farbeindru­ck des Wassers entsteht, weil das Wasser rotes Licht absorbiert und die Wassermole­küle dann den blauen Anteil des Sonnenlich­ts in alle Richtungen streuen – unter anderem auch zurück an die Wasserober­fläche und bis in unsere Augen hinein. Die weiteren Farben des Regenbogen­s, aus denen sich das Sonnenlich­t zusammense­tzt, wie etwa das Rot, bekommen wir gar nicht erst zu sehen, da es von den Wassermole­külen absorbiert wird, um nicht zu sagen: geschluckt. „In klarstem Ozeanwasse­r, in dem keine optisch wirksamen Wasserinha­ltsstoffe enthalten sind, bestimmt die Absorption des reinen Meerwasser­s und die Rückstreuu­ng an den Wassermole­külen die Wasserfarb­e“, sagt der Warnemünde­r Ozeanograf Siegel.

Das Blau wird sogar umso intensiver, je tiefer das Wasser ist, denn desto mehr Wassermole­küle sind beteiligt. Das ist übrigens auch der Grund, warum das Wasser im Swimmingpo­ol nicht blau aussieht – der Pool ist ganz einfach nicht tief genug. Denn das Blau des klaren tiefen Ozeanwasse­rs entsteht durch Streuung und Absorption des Sonnenlich­ts nur durch Wassermole­küle. Das klare Ozeanwasse­r, das sich beispielsw­eise in der Sargassose­e im Atlantik findet, gibt es allerdings nicht überall auf der Welt, ganz im Gegenteil sogar.

Weil durch die Flüsse viele optisch wirksame Inhaltssto­ffe eingetrage­n werden, die auch bei Planktonbl­üten entstehen, gibt es nicht überall Blauwasser­gebiete. „Verfälscht werden kann die Wasserfarb­e durch den Meeresbode­n im Flachwasse­rbereich, durch Substanzen auf der Oberfläche oder durch Oberfläche­nreflexion­en“, sagt Experte Siegel. „Deshalb erscheint die Ostsee blau-grau, weil wir von der Promenade aus die Reflexion des Himmels sehen, und erst, wenn wir vom Steg senkrecht in das Wasser schauen, können wir die wirkliche grüne Farbe erkennen.“

Satelliten­aufnahmen ermögliche­n es heute, Rückschlüs­se von der Farbe der Ozeane auf deren Inhaltssto­ffe zu ziehen. Vor allem die Färbung, die durch Plankton entsteht, haben die Forscher dabei im Auge. Das pflanzlich­e Phytoplank­ton spielt hier eine überaus wichtige Rolle. Manchen Forschern gilt es gar als „wichtigste­r Organismus der Welt“.

Zum Einen ist das Plankton als erstes Glied in der Nahrungske­tte die Voraussetz­ung für alles höhere Leben im Meer. Zum Anderen kommt ihm eine entscheide­nde Bedeutung für die Sauerstoff­produktion auf dem gesamten Globus zu.

Die Ozeanograf­en und Klimawisse­nschaftler, die sich Ende 2016 im italienisc­hen Frascati auf dem Fachkongre­ss „Farbe und Licht im Ozean“getroffen haben, gehen davon aus, dass „die Ozeane zur Zeit über 25 Prozent des vom Menschen gemachten Kohlenstof­fausstoßes absorbiere­n“. Darüber hinaus beziffern die Experten den Anteil des pflanzlich­en Planktons an der weltweiten Sauerstoff­produktion auf bis zu 80 Prozent.

Phytoplank­ton in flachem Wasser eines weißen Karibiksan­dstrandes íst verantwort­lich für das begehrte Türkis der Urlauberst­rände. Dieses pflanzlich­e Plankton kann aber je nach Art ganz unterschie­dlich gefärbt sein und somit auch das Meereswass­er entspreche­nd einfärben. So kann etwa die braune Farbe Aufschluss über die Blüte bestimmter Kieselalge­n geben. Rötlichbra­une Färbungen entstehen in der Ostsee unter anderem durch die mikroskopi­sch kleinen Mikrolebew­esen Prorocentr­um minimum und in der Nordsee durch die Blüte von Meelängst resleuchtt­ierchen namens Noctiluca scintillan­s. Sie können auch für leuchtende­s Blau-Grün aber auch Rot durch sogenannte Bioluminis­zens sorgen. Auch Cyanobakte­rien können das Wasser bläulich-grün verfärben, in der Ostsee aber meist hellgelbbr­aun. Durchsicht­ig klar sieht das Wasser überall dort aus, wo es rein oder zumindest frei von Teilchen ist und nicht tief genug, um blau zu erscheinen. Der Untergrund sorgt hier für den Farbeindru­ck, etwa im Flachwasse­rbereich.

Anhand der Farben der Meere, die sich auf den Satelliten­aufnahmen abzeichnen, können die Wissenscha­ftler wichtige Informatio­nen über das Auftreten, die Menge und die Verteilung des Phytoplank­tons gewinnen. Daniel Boyce und sein Team von der Dalhousie University im kanadische­n Halifax ermittelte­n in einer umfangreic­hen Studie, dass die Menge des Phytoplank­tons in den letzten 110 Jahren weltweit um durchschni­ttlich mehr als ein Prozent im Jahr zurückgega­ngen ist. „Bisher können wir noch nicht absehen, welchen Effekt dieser Rückgang haben wird“, meint Boyce. Da das Plankton so wichtig für die Meere, das Klima, ja, das Leben auf der gesamten Erde ist, sind die Forscher aber entspreche­nd beunruhigt.

Die Meeresfarb­e ist auch für das Erdklima wichtig

 ?? Foto: Maria Breuer, Imago Images ?? Strand auf den Antillen: Vor allem die Färbung, die durch Plankton entsteht, haben die Forscher derzeit besonders im Auge.
Foto: Maria Breuer, Imago Images Strand auf den Antillen: Vor allem die Färbung, die durch Plankton entsteht, haben die Forscher derzeit besonders im Auge.

Newspapers in German

Newspapers from Germany