Mindelheimer Zeitung

Theresa May dem Untergang nah

Hintergrun­d Spielt sie beim Brexit nur auf Zeit, um einen Nachfolger Johnson zu verhindern?

- VON KATRIN PRIBYL

London Als Theresa May am Mittwoch an das Pult im Parlament trat, wirkte auf den ersten Blick vieles wie immer. Und doch war alles ganz anders, wie im Verlauf der nächsten Minuten deutlich wurde. Denn die britische Premiermin­isterin, oft für ihre Widerstand­sfähigkeit gepriesen, schien mit den Nerven am Ende. Sollte das ihre letzte Fragestund­e werden? Wie lange würde sie sich noch gegen die Kritik der parteiinte­rnen Rebellen wehren können, die lautstark ihren Rücktritt fordern, Plots schmieden und Nachfolger in Stellung bringen?

Erst am Dienstag hatte May ihre Pläne für einen, wie sie ihn nannte, „neuen kühnen Brexit-Deal“konkretisi­ert und dafür einen Zehnpunkte­plan präsentier­t, der unter anderem die Möglichkei­t zu einem Referendum über das Austrittsa­bkommen vorsieht. Doch dafür müsste der Vertrag, den May eigentlich in der ersten Juni-Woche zur Abstimmung stellen will, zunächst vom Parlament gebilligt werden. Das ist so gut wie ausgeschlo­ssen. Falls die Regierungs­chefin die jüngsten Vorschläge als Zugeständn­isse an Opposition und BrexitHard­liner konzipiert haben mag, sozusagen als Befreiungs­schlag, dann ist ihr Versuch vollkommen gescheiter­t.

Die Reaktionen sowohl in Westminste­r als auch in der Presse fielen vernichten­d aus. „Verzweifel­t, verblendet, dem Untergang geweiht“, titelte der Telegraph über einem Foto der Premiermin­isterin. Ein Kabinettsm­itglied ätzte, sie habe es immerhin geschafft, „etwas Schlechtes wahrhaftig noch schlimmer zu machen“. Doch nicht nur ihre Kollegen in der konservati­ven Partei schäumen vor Wut. Auch Labour lehnt Mays Plan ab. „Die Rhetorik mag sich geändert haben, der Deal ist derselbe“, schimpfte Opposition­sführer Jeremy Corbyn, nachdem May in einem Statement abermals Punkt für Punkt das Abkommen verteidigt hatte. Sie habe nur noch Tage im Amt, prophezeit­e Corbyn – und forderte Neuwahlen.

Der Mittwoch sei der „gefährlich­ste Tag für Theresa May“gewesen, meinte eine Kommentato­rin. Gleichzeit­ig stellte sich im Königreich aber die Frage: Warum hält die Regierungs­chefin an ihrem Amt fest, wenn sie ihren Deal doch nicht durch das Parlament bekommen wird? Bereits drei Mal ist der Vertrag von den Abgeordnet­en abgelehnt worden. Beobachter vermuten, dass die Premiermin­isterin den Weg ebnen will für einen Nachfolger, der – anders als Ex-Außenminis­ter Boris Johnson – eine softere Brexit-Variante bevorzugt.

Aufgrund der Spaltungen und Streiterei­en innerhalb der Tories ist jedoch in den vergangene­n Tagen die Chance eines ungeordnet­en Austritts ohne Deal wieder gestiegen. Und das erwartete Debakel für die Konservati­ven bei den Europawahl­en – die Briten wählen bereits am heutigen Donnerstag – dürfte kaum für Entspannun­g sorgen.

Noch am Mittwochab­end verkündete Andrea Leadsom, Theresa Mays Ministerin für Parlaments­fragen ihren Rücktritt. Per Twitter.

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Foto: afp Theresa May

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