Das Mindelheimer Millionengrab
Vor zehn Jahren ging in der Kreisstadt ein Vorzeigeunternehmen an den Start. Aber schon zwei Jahre später gab es ein böses Erwachen. Ein Desaster in mehreren Kapiteln
Kaum ein Superlativ, der vor zehn Jahren nicht bemüht worden wäre. Mindelheim nehme mit der Biowärme Gmbh & Co. KG eine Vorreiterrolle in Schwaben ein, schwärmten Politiker. Landwirte würden nicht nur hochwertige Lebensmittel herstellen, sondern auch zu Energiewirten. Ihnen stehe eine glänzende Zukunft bevor. Ein ganzes Wochenende lang war Ende April 2009 bei der Futtertrocknung in Mindelheim gefeiert worden. Das böse Ende der schönen Geschichte ahnte damals freilich niemand.
Schon zwei Jahre später im Jahr 2011 herrschte Ernüchterung. Die Bioenergie Mindelheim erklärte ihre Zahlungsunfähigkeit und musste den Gang zum Konkursrichter antreten. Jahrelang zog sich das Verfahren hin. Erst vor wenigen Wochen konnte das Kapitel abgeschlossen werden. Es war eine bittere Lehrstunde für alle, die sich an dem Projekt beteiligt hatten. Rund 80 Teilhaber hatte die Bioenergie gewonnen. 50 000 Euro und teilweise deutlich mehr hatte jeder der Geldgeber in den Sand gesetzt. Schon 2011 zeichnete sich ein Totalverlust für die Geldgeber ab.
Details wurden der Öffentlichkeit damals nicht bekannt. Zwei Gesellschafter hatten dafür gesorgt, dass die zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung im Forum eingeladene Presse wieder ausgeschlossen wurde. Die Mehrheit der Versammelten mochte lieber hinter verschlossenen Türen Tacheles reden.
Wie groß das Desaster tatsächlich ausgefallen ist, ist nun einer Veröffentlichung des Insolvenzgerichtes Memmingen zu entnehmen. Forderungen in Höhe von rund 9047460 Euro steht ein Betrag von 202 430 Euro zur Verteilung zur Verfügung – abzüglich der Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren und der Vergütung sowie der Auslagen des Insolvenzverwalters. Als Insolvenzverwalter war der Memminger Rechtsanwalt Dr. Thomas Karg eingesetzt.
Die hochgelobte Anlage hatte von Anfang an mit technischen Problemen zu kämpfen. So hatte der Bandtrockner nicht funktioniert, wie der im August 2010 eingesetzte Geschäftsführer Franz Alstetter sagte. 1,6 Millionen Euro hatte die Anlage gekostet, die eine Freisinger Firma geliefert hatte. Zu retten war zu diesem Zeitpunkt schon nichts mehr. Zu tief war das Unternehmen in die roten Zahlen gerutscht. 2009 war die Anlage praktisch gar nicht gelaufen. Statt 1300 Kilowatt Strom pro Stunde wurden nur 600 bis 700 ins Stromnetz eingespeist.
Über die Gründe des Scheiterns gibt es unterschiedliche Versionen. Die Technik war wohl doch nicht so ausgereift, wie noch im Juni 2007 gedacht. Damals war eine Delegation von Gesellschaftern der Futtertrocknung nach Sauerlach im Osten von München gefahren. Ihnen wurde dort eine angeblich bestens funktionierende Anlage präsentiert. Dieser Pr-coup hatte die letzten Zweifler überzeugt.
Eine Rolle hat aber wohl auch gespielt, dass die Eigentumsverhältnisse und Zuständigkeiten zwischen Bioenergie und Futtertrocknung nicht genau geklärt waren. Dazu kamen Versäumnisse in der Geschäftsleitung. Die Konkursmasse hat Schwaben regenerativ übernommen, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft von Erdgas Schwaben.
Eine bittere Lehrstunde für mehr als 80 Anteilseigner
Erdgas Schwaben ging aus der Pleite eher gestärkt hervor
Seit Mitte 2012 werden keine Hackschnitzel mehr verbrannt. Stattdessen laufen zwei Bio-erdgas-blockheizkraftwerke mit einer elektrischen Leistung von 2400 Kilowatt und einer thermischen Leistung von 2200 Kilowatt. Der Strom geht ins öffentliche Netz. Die Wärme nutzen rund 40 öffentliche, gewerbliche und private Hauseigentümer, unter ihnen die Firma Grob.
Das Augsburger Energieunternehmen war mit im Boot, auch wenn erst mit einer gewissen Verzögerung. Partner des Vorzeigeprojekts waren auch die Stadt Mindelheim und der Landkreis Unterallgäu. Fünf Kilometer Leitungen für das Fernwärmenetz wurden vom Norden Mindelheims bis in den Süden der Stadt, dem Industriegebiet verlegt. Millionen waren damals vergraben worden.
Während die gut 80 Gesellschafter viel Geld verloren, hatte sich für Erdgas Schwaben die Lage eher verbessert. Ein Konkurrent war vom Markt verschwunden.»kommentar