Runderneuertes Gärtnerplatztheater
Während in Augsburg die Theatersanierung gerade erst beginnt, hat sie Münchens zweite staatliche Musikbühne soeben abgeschlossen. Ein Blick an die Isar
Sie eröffnen mit einer Neuinszenierung der „Lustigen Witwe“– ein Stück, das durch Münchens Gärtnerplatztheater kontaminiert ist: Hitler mit Entourage saß da immer wieder in der NS-dekorierten Mittelloge. Und es gab Pläne, aus dem Gärtnerplatztheater eine stilbildende „Staatsoperette“zu machen. Josef Köpplinger: Das Werk verdient nicht, darauf reduziert zu werden, denn es hat auch ganz andere Implikationen. In der Uraufführung wussten alle, dass mit „Pontevedrino“eben Montenegro und die ganze Serbien-Problematik gemeint war, da saßen Leute mit Pistolen im Jackett … Und ich plane, auch im Programmheft gedruckt, die ganze Neuproduktion dem Sänger Louis Treumann zu widmen – dem Danilo der Uraufführung, der 70-jährig von den Nazis in Theresienstadt ums Leben gebracht wurde…
Steht Ihre Haltung auch dafür, dass Genre-Grenzen fragwürdig sind? Köpplinger: Ja, wir spielen ja auch genreübergreifend – wir haben auch die Oper über die „Frau Schindler“uraufgeführt, über Emilie Schindler, die bis dahin im Schatten des fabelhaften Spielberg-Films „Schindlers Liste“stand.
Ein Blick zurück auf die Sanierungsphase. 60 Premieren in fünf Jahren an vielen Spielstätten und dennoch ungebrochener Publikumszuspruch, mehrfach Zusatzvorstellungen, lokale und überregionale Auszeichnungen: Galt da die Generalüberschrift „Aus der Not eine Tugend machen“? Köpplinger: Mir wurde vor dem Antritt die Sanierung klar signalisiert, und ich dachte an das Prinzregentenund Cuvilliéstheater als Ausweich-Spielstätten – schon der erste Irrtum. Beide Häuser waren längst von vielen anderen Veranstaltern gebucht. Wir spielten dort, aber dann eben auch im Fröttmaninger Zelt, in der Alten Kongresshalle, mehrfach im Circus Krone, im CarlOrff-Saal, im Stadtmuseum, in der Reithalle. Für die Künstler bedeutete die Reithalle: immer raus aus den Garderoben-Containern, etliche Meter in Hitze, Regen und Schnee zur Spielstätte. Nicht „Not“, aber … naja… schon. Wir in der Leitungsund Planungsebene hatten immer „Plan A, B und C“– gespielt wurde Plan L oder M… Ja, daraus erwuchs so etwas wie „Tugend“.
Jetzt also Freude auf das erweiterte und runderneuerte Haus? Köpplinger: Ja natürlich, auf ein voll funktionierendes Haus: Wir haben einen schönen, neuen Orchesterprobensaal oben auf; wir haben einen schönen neuen und großen Chor- probensaal; wir haben unterirdisch einen neuen Probenraum in Bühnengröße und zwei andere dazu, dazu einen barrierefreien, stilvoll renovierten Zuschauerbereich … All das hatte seinen Preis – und da steht die sogenannte „Hochkultur“natürlich in der Diskussion. Aber wenn wir auf das Verhältnis all der Kosten für kriegerische Auseinandersetzungen in der Welt schauen: Dann ist doch Theater immer auch ein Schritt aus der Barbarei!“
Zurück zur „Leichten Muse: Da spürt man bei Ihnen so was wie Liebe zum Genre durch – woher kommt all das? Köpplinger: Als Sechsjähriger saß ich in meinem ersten musikalischen Märchen. Ich habe Klavier und Gesang gelernt, das dritte Instrument verschweige ich – und dann kam Oper, gute Operette, schlechte Operette, abgekürzt: Ich habe mich bald gefragt „Warum müssen Buffo-Paare so dumm und lächerlich sein? Das muss doch besser gehen!“Dieses „Das ist hehr“und „Das ist weniger hehr“gilt für mich nicht, dementsprechend sind mir auch Besucher lieber, die mit einem offenen Herzen kommen als nur mit einem teuren Anzug.
Wie stimmen Sie sich mit der großen Schwester Nationaltheater ab? Köpplinger: Ich spreche mit Nikolaus Bachler einmal im Jahr über die Zukunft, jetzt über 2019/2020. Da gibt es keinerlei Probleme. Es gibt aus unser beider Verständnis auch eine Schnittmenge, etwa „Zauberflöte“und „Bohème“: Ein Volkstheater wie wir ist ja auch dazu da, nicht nur elitäres Musiktheater zu machen. Wir haben einen Bildungsauftrag und den verstehe ich so: Eine ganze Familie muss ins Theater gehen können zu Preisen, die das möglich machen – mehr als einmal monatlich.