„Lehrstück mit satirischen Zügen“
Innenstadt Die Stadtrats-Referenten Daniel Pflügl und Jens Hemberger ziehen in Sachen Verkehrskonzept eine kritische Bilanz. Die Grünen verurteilen derweil das Verhalten der CSU-Fraktion in der entscheidenden Abstimmung
Bad Wörishofen Vom Verkehrskonzept für Bad Wörishofen ist nach der jüngsten Stadtratssitzung nicht mehr viel übrig. Gleich danach begann die Debatte darüber, wie es nun weitergehen soll. Die Freien Wähler haben ihre Vorstellungen geäußert (wir berichteten) – und ernten nun Kritik von Stadtentwicklungsreferent Daniel Pflügl (Grüne) und Verkehrsreferent Jens Hemberger (CSU). Die Grünen haben zudem auf ihrer Internetseite das Verhalten der CSU-Fraktion im Stadtrat scharf kritisiert, als es dort um die Zukunft des Verkehrskonzeptes ging. Auch Bürgermeister Paul Gruschka (FW) hat sich nochmals geäußert. Pflügl und Hemberger sollten den „nicht den Studenten dieser Projektgruppe jetzt den schwarzen Peter zuschieben“, sagt Gruschka nach der Berichterstattung der vergangenen Woche.
Pflügl und Hemberger erinnern in einer gemeinsamen Stellungnahme daran, dass 2012 die Fachhochschule für öffentliches Recht (FHVR) „dem Ersuchen der Stadt“nachgekommen sei und für die Wörishofer Innenstadt ein „zeitgemäßes Verkehrskonzept“entwickelt habe. „Das Verkehrsaufkommen sollte dabei verringert werden, so der Wunsch der Auftraggeber“, machen beide deutlich. Pflügl war damals einer der Studenten, die sich dieser Aufgabe stellten.
„Bei Projektarbeiten der FHVR werden Problemstellungen unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Aspekte beleuchtet, weshalb bei der Erstellung ein Aufwand betrieben wurde, welchen sich eine Kommune im Normalfall gar nicht leisten kann oder leisten möchte“, so Pflügl und Hemberger. „Da das Konzept insbesondere den Wünschen der Bürger entsprechen sollte, wurden in einer bis heute einmaligen Aktion 6000 Fragebögen an alle Wörishofer Haushalte verschickt, sowie die Meinungen und Vorstellungen der Stadtratsfraktionen, Feuerwehr, Rettungsdienst, Einzelhandel und dem Hotelverband“berücksichtigt. „Die Bürgerbefragung wurde von Soziologen beaufsichtigt und erlangte im Ergebnis den Status repräsentativ“, betonen Pflügl und Hemberger. Sie zitieren auch einen damaligen Kommentar der MZ, wo es hieß: „Was man vom Kneippstadtprojekt lernen kann? Die Akteure haben zuerst die Bürger gefragt – und zwar alle – und erst dann mit der Arbeit an einem Verkehrskonzept für eben diese Menschen begonnen.“Es stelle sich nun die Frage, weshalb „Stadtrat Vögele und Bürgermeister Gruschka heute, fünf Jahre später, beharrlich in der Öffentlichkeit behaupten, man habe bei der Konzepterstellung die Bürger nicht beteiligt“, so Hemberger und Pflügl weiter. „Vergesslichkeit oder Kalkül?“, fragen sie. „Bezeichnend ist es auch, dass dieser Vor- von jemandem in den Raum gestellt wird, der bei der letzten Stadtratssitzung gleich sieben verkehrliche Änderungen, darunter die Wiedereinführung eines verkehrsberuhigten Bereichs in der Hauptstraße, auf die Tagesordnung setzen ließ, ohne zuvor auch nur einen einzigen Bürger nach dessen Meinung gefragt zu haben.“
Erstaunlich sei auch der „Stimmungswandel, der zwischenzeitlich bei der CSU und den FW eingesetzt hat.“Pflügl und Hemberger zitieren einstige Aussagen. „Das Verkehrskonzept sei ’schlüssig und überzeugend’ konstatierte man noch 2012 bei der CSU, den ’einheitlichen Ansatz’ lobte Stefan Welzel. Die FW erklärten: ’Das Konzept entspricht unseren Vorstellungen. Es ist logisch, innovativ, mutig und zeitgemäß’.“Was Pflügl und Hemberger überrascht: „Heute, wenn es daran geht, den Worten Taten folgen zu lassen und Entscheidungen zu treffen, urteilen die Lobredner von damals überraschend kontrovers.“Von „großen Sünden“sei nun die Rede, es fehle der Weitblick. „Und prompt stimmen CSU und FW für die Erstellung eines neuen Verkehrskonzeptes. Es dürfte dann das Vierte oder Fünfte sein. Was für eine Farce“, kritisieren Hemberger und Pflügl.
Natürlich sei zur Erstellung eines Verkehrskonzeptes Weitblick nötig. „Doch zur Umsetzung braucht es Courage und Rückgrat“, stellen sie fest. „Solange diese Parameter fehlen, wird auch jedes weitere Ver- kehrskonzept in die Schublade wandern“, glauben sie. Denn Maßnahmen zur Verkehrsreduzierungen seien immer mit Einschränkungen verbunden, die nicht jedem gefallen. Jeder wisse das.
„Mit der Taktik, unliebsame Entscheidungen immer wieder aufzuschieben, werden Probleme nicht gelöst“, finden Hemberger und Pflügl. „Auch nicht, solange einzelne aber einflussreiche Akteure versuchen, bei schwierigen Themen die Gelegenheit für sich zu nutzen, um durch grenzwertige Aktionen persönlichen Profit zu schlagen“, kritisieren sie, allerdings ohne Namen zu nennen. Ihr Urteil: „Das Kneippstadtprojekt war, von seiner Entstehung 2012 bis zu seinem Ende vergangene Woche, ein politisches Lehrstück mit satirischen Zügen.“Rückblickend könne „man fast schon schmunzeln, wenn es nicht so viel Arbeit gewesen wäre und wenn es vor allem nicht um die Zukunft Bad Wörishofens ginge“, finden sie. Fest stehe, dass „wir wieder eine Chance verpasst haben“.
Die Bad Wörishofer Grünen stellten nach der jüngsten Stadtratssitzung auf ihrer Internetseite fest: „Das Verkehrskonzept ist Geschichte“. Es folgen Vorwürfe an die CSU-Fraktion. Man sei sprachlos. „In einem für uns unfassbar traurigen Akt, konterkariert die CSU-Fraktion unter Federführung von Stefan Welzel, während der laufenden Sitzung, sämtliche zuvor getroffenen Kompromisse und brüskiert dadurch nicht nur alle bewurf freundeten Fraktionen und Stadtratskollegen, sondern lässt ihren eigenen CSU-Kollegen, Verkehrsreferent Jens Hemberger, vor zahlreichen Zuschauern gnadenlos auflaufen“, heißt es dort.
Für die CSU teilten auf Nachfrage unserer Zeitung Stefan Welzel, Michaela Bahle-Schmid und Ludwig Kreuzer mit, man bedauere sehr „die abweichende Sichtweise der Grünen-Fraktion“zur Stadtratssitzung. „Wir sind überzeugt, mit den größtenteils einstimmig gefassten Beschlüssen den Wünschen der Mehrheit der Bürger entsprochen zu haben.“
Bürgermeister Paul Gruschka blickte ebenfalls zurück. Die Projektgruppe sei damals zu dem Ergebnis gekommen, in bestimmten Straßen in der Kurstadt sogenannte Fahrradstraßen zu errichten. „Nach Vorstellung dieses Verkehrskonzepts im Stadtrat von Bad Wörishofen wurde dann in der Sitzung vom 29. 4 2013 beschlossen, nur die Oststraße in eine Fahrradstraße auszuweisen“, betont Gruschka. Hemberger und Pflügl sollten nun nicht der Projektgruppe den Schwarzen Peter zuweisen.
Gruschka legt auch Wert auf die Feststellung, dass der Verkehrsplan „Kneippkurort und Radfahrverkehr vom 2. Juli 2015 von Hemberger und Pflügl „unterschrieben und für die Fraktionen der CSU, SPD und Grüne sowie dem Vertreter der FDP im Stadtrat von Bad Wörishofen gestellt“worden sei. „Der Antrag wurde nicht für die Fraktion der Freien Wähler gestellt“, so Gruschka.
6000 Fragebögen wurden damals an die Bürger verschickt