Der oberste Soldat
Porträt Der pauschale Vorwurf der „Führungsschwäche“wirkte wie eine Gelbe Karte für Volker Wieker. Dabei schätzt Ursula von der Leyen ihren Generalinspekteur
Die Truppe kennt er wie seine Hosentasche, aber auch auf dem glatten Parkett der Verteidigungspolitik bewegt er sich sicher. Der Viersternegeneral Volker Wieker war in Bosnien, im Kosovo und in Afghanistan stationiert – und als Adjutant der Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) wie Rudolf Scharping (SPD) hat er auch die Ministerialbürokratie und das Innenleben des Apparates kennengelernt.
In diesen Tagen allerdings steht der Generalinspekteur der Bundeswehr im Zentrum einer völlig neuen Auseinandersetzung – der zwischen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der Bundeswehr um rechtsradikale Vorfälle. Denn der pauschal erhobene Vorwurf der Ministerin, in der Armee gebe es ein „Haltungsproblem“, einen „falsch verstandenen Korpsgeist“ sowie „Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“, traf, wenn auch nicht gewollt und unbeabsichtigt, den ranghöchsten Soldaten der Bundeswehr mit voller Wucht. Ist er doch der truppendienstliche Vorgesetzte aller Soldaten sowie der höchste militärische Repräsentant der Streitkräfte, der die Führung der Truppe verantwortet. „Führungsschwäche“– das harte Urteil der Ministerin, in Friedenszeiten Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, musste intern wie eine Gelbe Karte für den Generalinspekteur wirken.
Insofern war die Entschuldigung von der Leyens bei dem Treffen mit rund 100 Generälen, Admirälen und zivilen Führungskräften der Bundeswehr am Donnerstag im Berliner Bendlerblock auch für Wieker eine Genugtuung. Seit seiner Berufung in dieses Amt durch den CSU-Minister Karl-Theodor zu Guttenberg im Jahre 2010 als Nachfolger von Wolfgang Schneiderhan hatte er auch dessen Nachfolgern Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen (beide CDU) treu und loyal gedient. Zudem war der Heeresgeneral der erste oberste Soldat, der über eigene Erfahrungen mit Auslandseinsätzen verfügte und somit den Wandel der Bundeswehr von der reinen Landesverteidigungszur weltweit aktiven Interventionsund Friedenssicherungsarmee seit Ende der 90er Jahre repräsentierte. Der 63-jährige Wieker, verheiratet und Vater zweier Kinder, drängt nicht an die Öffentlichkeit, gilt aber intern als ein Mann klarer Worte, der auch den Konflikt mit der politischen Führung nicht scheut. So kritisierte er offen das Beschaffungswesen der Armee. Es würden Milliardensummen für minderwertige Rüstungsgüter ausgegeben, die keine sachgerechte Ausrüstung der Streitkräfte garantieren. Dass Ursula von der Leyen seinen Rat schätzt, stellte sie unter Beweis, indem sie seine Amtszeit zwei Mal verlängerte, obwohl Wieker die Altersgrenze schon überschritten hat. Anfang 2018 geht der gebürtige Delmenhorster in Pension. Damit hätte er die Amtszeit seines Vorgängers Schneiderhan übertroffen und wäre der am längsten amtierende Generalinspekteur.
Martin Ferber