Schmerzmittel ohne Nebenwirkungen
Gesundheit Wissenschaftler der Berliner Charité haben eine neue Behandlungsmethode entdeckt. Forschungsleiter Christoph Stein erklärt, wie diese funktioniert und wofür sie nützlich sein kann
Herr Professor Stein, Sie haben mit Ihrem Team einen Weg zur Entwicklung von Schmerzmitteln gefunden, die keine Nebenwirkungen haben sollen. Warum ist das etwas Besonderes?
Christoph Stein: Gängige Schmerzmittel können teils erhebliche gesundheitliche Schäden mit sich bringen. Sie können zu Benommenheit, Übelkeit, Verstopfung und Sucht, in einigen Fällen sogar zu Atemstillstand, Herzinfarkt und Schlaganfall führen. Unsere Idee war, diese Begleiterscheinungen zu verhindern und die Lebensqualität von Patienten dadurch entscheidend zu verbessern.
Ihr Team ist nicht das erste, das sich an dieses Projekt gewagt hat. Was ist das Neue an Ihrer Methode?
Stein: Wir konnten einen neuen Wirkmechanismus identifizieren, der nur im entzündeten Gewebe eine Schmerzstillung auslöst. Gesundes Gewebe hat hingegen nicht auf den Wirkstoff reagiert. Während gängige Schmerzmittel zu Nebeneffekten im Gehirn führen, ist das bei unserer Erfindung nicht der Fall.
Wogegen lässt sich Ihr Wirkstoff einsetzen?
Stein: Bei allen Entzündungsschmerzen – beispielsweise bei Gelenkentzündungen, Tumor und Nervenverletzungen. Schmerzmittel nach unserem Prinzip könnten wie Morphin wirken, nur ohne schädliche Nebenwirkungen.
Kann Ihre Methode auch auf Kopfschmerztabletten wie Paracetamol übertragen werden?
Stein: Das können wir im Moment nicht beantworten. Unser Prinzip wurde nur für Opioide, also starke, schmerzstillende Substanzen entwi- ckelt. Schmerzmittel wie Paracetamol wirken über einen anderen Mechanismus.
Wann sind Schmerzmittel mit Ihrem Wirkstoff auf dem Markt erhältlich?
Stein: Das dürfte noch eine Weile dauern. Menschen haben das Mittel noch nicht getestet.
Es ist also noch gar nicht erwiesen, dass Ihre Erfindung für Menschen ungefährlich ist?
Stein: Wir haben bisher traditionelle Tiermodelle wie die Pfotenentzündung einer Ratte verwendet, um unsere Methode zu testen. Diese Versuche haben eine gute Voraussagekraft.
Wann beginnen die Tests mit Menschen?
Stein: Bevor wir mit solchen Versuchen anfangen, müssen wir die Schmerzmittel herstellen. Diese durchlaufen dann verschiedene toxikologische Standardprogramme. Das wird noch Jahre dauern und viel Geld kosten, schätzungsweise bis zu drei Millionen Euro.
Haben Sie das Geld schon beisammen?
Stein: Nein. Aber wir haben bereits begonnen, uns nach Pharmafirmen umzusehen. Zwei bis drei ernsthaft interessierte Investoren haben wir schon gefunden.
Wenn alles reibungslos funktioniert: Wann können Kunden Ihre Schmerzmittel in der Apotheke kaufen?
Stein: In frühestens fünf bis sechs Jahren könnte es so weit sein.
OInterview: Andreas Baumer
Zur Person Professor Christoph Stein ist Direktor der Klinik für Anästhesiolo gie mit Schwerpunkt operative Intensiv medizin am Berliner Campus Benjamin Franklin. Er leitete die Forschungsgruppe an der Universitätsklinik Charité. Wie die neue Methode genau funktioniert, schildern die Wissenschaftler im aktu ellen Fachmagazin „Science“.