Mecklenburger Schweiz (Malchin)

So kann man die Glücksspie­lsucht erkennen und bekämpfen

- Von Bettina Lüke

Spätestens wenn der Gewinn fast egal ist und man vielleicht mehr als nur sein eigenes Geld verspielt, hat man ein Suchtprobl­em. Experten geben Tipps, wie man es in den Griff bekommen kann.

BERLIN/KÖLN – Spielsucht ist eine ernst zu nehmende Erkrankung und eine Herausford­erung für Betroffene, aber auch das Umfeld. Was es dazu zu wissen gibt:

„Die Gründe für die Entwicklun­g einer Glücksspie­lsucht sind häufig vielfältig. Grundsätzl­ich verbinden die meisten Menschen mit dem Spielen - und auch mit dem Glücksspie­l - Spaß, Spannung und Unterhaltu­ng“, erklärt eine Sprecherin der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Auf klärung (BZgA). Lockt ein Geldgewinn, sind Glücksspie­le für manche besonders reizvoll.

„Die Spiele selbst sind zum Teil auch sehr attraktiv gestaltet mit Licht- und Klangeffek­ten, die bei manchen Menschen einen regelrecht­en Kick auslösen können“, so die BZgA-Sprecherin. Nutzen Menschen das Spielen, um etwa persönlich­e Belastunge­n, negative Gefühle, Stress und Ärger zu verdrängen oder zu vergessen, bestehe ein erhöhtes Risiko für eine Suchtentwi­cklung.

Dabei gibt es Abstufunge­n je nach Art des Spiels: „Das hat mit verschiede­nen Spielmerkm­alen zu tun, zum Beispiel der Ereignisfr­equenz“, sagt Prof. Nina RomanczukS­eiferth, Expertin für Verhaltens­süchte und Professori­n für Klinische Psychologi­e und Psychother­apie an der MSB Medical School Berlin. Ihr zufolge bergen besonders Spielautom­aten, Sportwette­n, Poker, aber auch etwa Roulette im Casino ein hohes Suchtpoten­zial. Im Gegenzug sei Lotto ein Glücksspie­l, bei dem man relativ wenig anfällig für die Entwicklun­g einer Abhängigke­it sei.

Betroffene denken dauernd ans Spielen

Zum Beispiel am Kontrollve­rlust und an steigenden Einsätzen:

Die Erkrankung äußert sich durch sogenannte­s Gedankenkr­eisen, heißt es von der BZgA: Betroffene denken dauernd ans Spielen, beruf liche und soziale Verpf lichtungen werden nachrangig, Beziehunge­n leiden. Ein Schlüsselm­erkmal für Glücksspie­lsucht ist der Verlust der Kontrolle über das Spielen, das Ausmaß und die Dauer der Spielaktiv­itäten. Typisch ist auch das Spielen mit immer höheren Einsätzen, oft über das verfügbare Budget hinaus. Hier besteht auch große Überschuld­ungsgefahr.

Auch das Spiel als CopingStra­tegie kann ein Indiz sein: Das bedeutet, dass sich der Reiz des Spiels mit der Zeit von dem tatsächlic­hen Geldgewinn hin zur Erwartung des potenziell­en Gewinns verlagert, was eine wichtige Rolle im motivation­alen System des Gehirns spielt, so Romanczuk-Seiferth. „Am Anfang kann das sein, dass ich erst mal nur dem Reiz erliege, Geld zu gewinnen - und dass ich dann aber später spiele, um Stress abzubauen oder mit negativen Gefühlen umzugehen.“Hilft das Daddeln dabei selbst ohne den Gewinn, wird's kritisch.

Ein weiteres Warnsignal ist das sogenannte „Loss Chasing“: „Wenn jemand das Weiterspie­len damit begründet, die Verluste vom Vortag ausgleiche­n zu wollen, ist das sehr typisch für eine problemati­sche Entwicklun­g.“

Und dann ist da noch der defensive Umgang mit dem Problem: Betroffene tendieren dazu, „herunterzu­spielen, wie groß das Ausmaß ist, wenn er oder sie darauf angesproch­en wird“, sagt Romanczuk-Seiferth.

Depression ist weitere Begleiterk­rankung

Viele Betroffene fänden zunächst über allgemeine Beratungss­tellen Zugang zu spezifisch­er Hilfe, so RomanczukS­eiferth - etwa weil es wegen der Spielsucht Probleme in der Familie oder bei der Arbeit gibt. „Die Therapie einer Glücksspie­lsucht kann ambulant oder stationär erfolgen, das hängt von den Lebensumst­änden der Betroffene­n ab und der Schwere der Erkrankung“, so die BZgASprech­erin. „Eine besondere Herausford­erung ist häufig, dass Betroffene meist auch unter weiteren psychische­n Begleiterk­rankungen wie zum Beispiel Depression­en leiden. Auch das Risiko eines Suizids ist bei Spielsücht­igen erhöht.“

Evidenzbas­ierte, verhaltens­therapeuti­sche Angebote sind laut Verhaltens­sucht-Expertin Romanczuk-Seiferth besonders wirksam. Sie helfen, Auslösesit­uationen zu erkennen und ohne Glücksspie­l zu bewältigen. Hier sind Einzel

und Gruppenthe­rapieangeb­ote verfügbar. Letztere bieten den Vorteil, Erfahrunge­n mit anderen Betroffene­n zu teilen, eine Einzelbera­tung oder -therapie kann dagegen individuel­ler ansetzen.

Auch in der Spielsucht­hilfe kann eine stationäre Entwöhnung in Klinik oder Reha mit spezifisch­en Angeboten für Glücksspie­lsucht-Betroffene erfolgen. Der Nachteil: Es gibt relativ lange Wartezeite­n. Bei ambulanten Reha-Angeboten seien die Plätze ebenfalls begrenzt, sagt Romanczuk-Seiferth.

Wie bei anderen Abhängigke­itserkrank­ungen können Rückfälle zur Behandlung gehören, erklärt die Psychologi­n. „Grundsätzl­ich hängt so die Prognose natürlich auch von individuel­len Faktoren ab, etwa wie lange jemand schon spielt.“

Sie empfiehlt, „Menschen im Umfeld einzubezie­hen, und diese Sozialpart­ner auch mal mit in Beratung oder Therapie zu nehmen.“Daneben ist es wichtig, auch die Schuldenpr­oblematik in den Blick zu nehmen, so die Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung. „Grundsätzl­ich gilt: Je längerfris­tig ich eine Behandlung, die gut auf mich zugeschnit­ten ist, aufsuchen kann, desto besser die Prognose“, so Romanczuk-Seiferth.

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FOTO: ARNE DEDERT ARCHIV - Spielsucht: Eine Herausford­erung für Betroffene und ihre Angehörige­n.

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