Kretschmann warnt vor langen Wunschzetteln
Ministerpräsident und Kabinett sprechen im GZH Friedrichshafen mit Bürgern
FRIEDRICHSHAFEN - Priorisieren und pragmatische Lösungen: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat am Montag in Friedrichshafen angesichts der Vielzahl an aktuellen Herausforderungen für realistische Erwartungen geworben. Es sei nicht mehr die Zeit für Wunschkonzerte, sagte Kretschmann. Der Ministerpräsident und sein Kabinett hatten zu einem Bürgerempfang ins GrafZeppelin-Haus geladen. 400 Bürger kamen – und konnten nach den Reden von Kretschmann und Oberbürgermeister Andreas Brand auch mit Ministern des Kabinetts ins Gespräch kommen.
Die baden-württembergische Landesregierung ist am Dienstag zu einer sogenannten auswärtigen Kabinettssitzung im Neuen Schloss in Meersburg zusammengekommen. Solche Sitzungen außerhalb von Stuttgart gibt es regelmäßig an verschiedenen Orten. Im Vorfeld der Sitzung hatte die Landesregierung am Montagabend zu einem Bürgerempfang ins GZH geladen – wer dabei sein wollte, musste sich zuvor anmelden.
Begrüßt wurden Kretschmann und seine Minister von Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand. Der OB stellte in seiner Rede dar, „was uns hier bewegt“– und nannte etwa das Thema Mobilität. Nach Fertigstellung der B31-neu bei Friedrichshafen müsse die Straße weiter ausgebaut werden. Ebenso müsse es bei der Bodenseegürtelbahn vorangehen. Man setze auf ein Miteinander von Bund, Land und Bahn. „Die Mobilitätswende klappt nicht von alleine. Ohne Geld von Land und Bund geht es nicht“, sagte Brand. Auch beim Bodensee-Airport, an dem das Land Mitgesellschafter ist, freue man sich über das
„Commitment“. Der OB warb zudem um weitere Unterstützung für das Häfler Klinikum. Er befürchte, dass durch die „lauterbachsche Reform“Krankenhäuser „wegradiert“würden. „Bodensee-Oberschwaben braucht eine abgestimmte regionale Versorgung“, so Brand.
Winfried Kretschmann aber drückte in seiner anschließenden Rede auf die Bremse. „Der Oberbürgermeister hat in relativ kurzer Zeit ein reges Wunschkonzert gegeben“, sagte Winfried Kretschmann, „aber es sind nicht die Zeiten von Wunschkonzerten“. Er rate allen Anwesenden, ihre „Wunschzettel zu reduzieren“. Es gebe so viel zu tun, dass man priorisieren müsse. Zudem kämen laufend neue Herausforderungen hinzu, etwa durch den Klimawandel. „Wir haben dramatische Hochwasser hinter uns“, erinnerte der Ministerpräsident und erneuerte seine Forderung nach einer bundesweiten Versicherungspflicht gegen Elementarschäden. Beunruhigt zeigte sich Kretschmann über den Ausgang der Kommunal- und Europawahlen. Immer mehr Wähler hätten sich an die extremen Ränder bewegt. „Laufen Sie nicht Leuten hinterher, die versprechen, mit Lösungen von vorgestern Probleme von morgen zu lösen“, warnte er. Kretschmann rief zu Zusammenhalt auf. „Da ist jeder gefordert. Sie an der Basis genauso wie wir in der Politik.“
Nach den Reden konnten die Bürger an Thementischen mit Ministern und weiteren Vertretern der Landesregierung ins Gespräch kommen. Von Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) bis Innenminister Thomas Strobl (CDU) stellten sich die Politiker den Fragen und Anliegen der Menschen. So diskutierte am Tisch „Finanzen“etwa Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) mit den Anwesenden über Haushaltspolitik und die „Schwarze Null“. Auch Winfried Kretschmann hatte nach seiner Rede noch ein offenes Ohr für die Bürger. Davon Gebrauch machte unter anderem die Häf lerin Sanne Weber. „Es ist schön, wenn man so zwanglos Kontakt aufnehmen kann“, sagte Sanne Weber nach dem Gespräch. Sie schätze an Kretschmann seinen „glasklaren Pragmatismus“.
Laut Staatsministerium kamen 400 Menschen zu dem Empfang und die Veranstaltung war ausgebucht. Schon vor der Veranstaltung am Montag war Winfried Kretschmann in Friedrichshafen unterwegs. Er besuchte am Nachmittag die Konzernzentrale von ZF. Nach der Kabinettssitzung am Dienstag in Meersburg ging es für den Ministerpräsidenten außerdem weiter nach Salem, wo er sich vom Markgraf von Baden zum Thema nachhaltige Landwirtschaft informieren ließ.