Bareiß verteidigt sich gegen Vorwürfe der Einflussnahme
CDU-Politiker soll auf schnelle Lieferung von Beatmungsgeräten nach Aserbaidschan gedrängt haben – Langjährige Verbindungen in die Republik im Kaukasus
- Der Vorwurf brachte den CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß am Freitag in Erklärungsnot: Er habe in der Corona-Krise Druck auf ein Unternehmen in Deutschland ausgeübt, um eine schnellere Lieferung von Beatmungsgeräten an das Land Aserbaidschan zu bewirken, hieß es in einem Medienbericht. Der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium dementierte umgehend. Er habe zwar mit dem Unternehmen Kontakt aufgenommen, aber in dem Telefonat sei es lediglich um einen konkreten Liefertermin gegangen. Selbstverständlich habe er „keinerlei Gegenleistung für diese Auskunft erhalten“, sagte Bareiß.
Rückendeckung erhielt der CDUAbgeordnete für den Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen aus dem Wirtschaftsministerium. Bareiß habe „zu keinem Zeitpunkt einen Vertreter der Firma Löwenstein Medical zur ,prioritären Lieferung‘ von Beatmungsgeräten nach Aserbaidschan“aufgefordert, teilte das Ministerium mit. Zuvor hatte das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“berichtet, Bareiß habe im Mai 2020 in einem Anruf bei dem Unternehmen darauf gedrungen, „Beatmungsgeräte zuvorderst an die Kaukasusrepublik zu liefern und dies mit den guten Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Aserbaidschan begründet“.
Auch die Firma Löwenstein distanzierte sich von dem Bericht. Der CDU-Politiker habe sich zwar im
Frühjahr 2020 nach den Liefermöglichkeiten nach Aserbaidschan erkundigt, das Unternehmen habe sich aber „zu keinem Zeitpunkt durch Staatssekretär Bareiß unter Druck gesetzt gefühlt“, teilte eine Unternehmenssprecherin der „Schwäbischen Zeitung“mit.
Bareiß bestätigte, im Juli 2020 telefonisch Kontakt zu dem Unternehmen aufgenommen zu haben, nachdem sich ein „Amtskollege aus Aserbaidschan“besorgt über die medizinische Versorgung der Bevölkerung in seinem Land geäußert habe. Dieser Kollege habe um Hilfestellung bei der Klärung des konkreten Liefertermins gebeten. Dieser Bitte sei er nachgekommen und habe dann die Antwort der aserbaidschanischen Seite übermittelt. Er habe aber keinen Zweifel daran gelassen, dass Lieferungen für deutsche Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen an erster Stelle stünden.
Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums besteht seit vielen Jahren eine institutionalisierte deutschaserbaidschanische Regierungsarbeitsgruppe, die im Jahr 2019 zuletzt in Aserbaidschan getagt hat. „Das Kontakthalten zu Staaten und Partnern gehört zu meinen Aufgaben als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium“, sagte Bareiß. In dieser Funktion habe er auch bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident FrankWalter Steinmeier zu Reisen nach Georgien, Armenien und Aserbaidschan begleitet.
Aserbaidschan wird seit Ende der Sowjetunion vom Alijev-Clan beherrscht, der derzeitige Präsident Ilham Alijev regiert das Land am Kaspischen Meer seit 2003. Menschenrechtler werfen ihm ein hartes Vorgehen wegen der Verfolgung der Opposition und der Verletzung der Meinungs- und Pressefreiheit vor. Der Außenhandelsumsatz (Exporte plus Importe) betrug nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Jahr 2019 1,8
Milliarden Euro: Platz 70 zwischen Kambodscha und Katar.
Zwei ehemalige Spitzenpolitiker haben die engen Verbindungen der Union nach Aserbaidschan geknüpft: der Ex-CSU-Staatssekretär Eduard Lintner und der CDU-Politiker Otto Hauser. In der Südwest-CDU leistet Hauser, ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Esslingen, ehemaliger Staatssekretär der
CDU und Kurzzeit-Regierungssprecher in der letzten Phase der Regierung Kohl im Jahr 1998, erfolgreiche Lobbyarbeit. Aserbaidschan revanchierte sich mit einem Amt: In Stuttgart residiert Hauser seit dem 20. April 2010 als Honorarkonsul der Kaukasusrepublik.
Bei der Bundestagswahl 1998 hatte Hauser, Jahrgang 1952, sein Direktmandat verloren und musste sich nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament beruflich neu orientieren. Er betätigte sich zunächst als Unternehmensberater und dann in der Geschäftsleitung eines Unternehmens für Verkehrsmanagement. Gleichzeitig baute er Geschäftsverbindungen nach Aserbaidschan auf: Das Land im Südkaukasus ist ein wichtiger Produzent für Gas und Öl und damit ein bedeutender Rohstofflieferant für Deutschland.
Nach Informationen der „Schwäbischen Zeitung“sprach Hauser, der in seiner Partei bis heute bestens vernetzt ist, immer wieder Parteifreunde an: Ob sie nicht Interesse an besseren Kontakten in die Kaukasusrepublik hätten? Einige Parteifreunde zeigten Interesse, die meisten Abgeordneten lehnten dagegen ab: Solange in Aserbaidschan die Menschenrechte nicht gewahrt seien und Christen verfolgt würden, sei kein Austausch möglich.
Andere Parlamentarier ließen sich auf das Werben der AserbaidschanConnection ein: Gegen zwei CDUBundestagsabgeordnete, Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern und Axel Fischer aus Karlsruhe, ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft München wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit.
Sie sollen im Europarat bei mindestens einer Gelegenheit gemäß den Vorgaben von Vertretern Aserbaidschans abgestimmt und sich auch darüber hinaus für die Interessen des autoritär regierten Landes eingesetzt haben.
Bereits im Jahr 2012 gab es einen ersten Skandal um die Aserbaidschan-Connection, als ein angebliches Studentennetzwerk als Finanzier des JU-Landestages auftrat. Hinter jenem Werk stand der staatliche Öl- und Gaskonzern Socar aus Aserbaidschan. Vorsitzender der Jungen Union Baden-Württemberg war damals jener Nikolaus Löbel, der jetzt seine Ämter nach der Maskenaffäre niederlegen musste. Er sah sich seinerzeit wegen der Finanzierung ihres Landestags interner Kritik und Vorwürfen von Amnesty International ausgesetzt. Angaben, warum die JU sich auf das Engagement eingelassen hatte und wie viel Geld die Junge Union aus Aserbaidschan erhalten hatte, wollte Löbel nicht machen. Über eine Beteiligung Otto Hausers an jenem Deal wurde schon damals spekuliert.
Im vergangenen Jahr hatte Hauser nach dem Ende der Kampfhandlungen im Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um Berg-Karabach eine Ergebenheitsadresse formuliert. In dem Krieg mit 10 000 Toten hatte sich Aserbaidschan weite Teile des umstrittenen Gebiets zurückgeholt. Das Land berief sich dabei auf das Völkerrecht und sah sich von seinem „Bruderstaat“Türkei unterstützt. Hauser hatte Präsident Ilham Alijev „zu diesem wichtigen Schritt für den Frieden“gratuliert.