Wie sich ein Plug-in-Hybrid fährt
Die „Schwäbische Zeitung“überprüft, ob Verbrenner und E-Motor auch in der Praxis gut zusammenarbeiten
- Sie summt. Die Zukunft der ZF Friedrichshafen AG brummt nicht, röhrt nicht und heult auch nicht auf, wenn man kräftig aufs Gaspedal tritt. Trotzdem ist die Beschleunigung beachtlich, die der leise summende E-Motor dem 3erBMW angedeihen lässt. Kombiniert mit einem Verbrennungsmotor und einer ziemlich leistungsstarken Batterie soll dieses Aggregat dem als Getriebeschmiede groß gewordenen Zulieferer vom Bodensee die Elektrifizierung erleichtern, Arbeitsplätze sichern, die Umwelt entlasten und als bezahlbarer „Volkshybrid“Autofahrer aller Schichten ansprechen. Die „Schwäbische Zeitung“hat den Praxistest gemacht.
Von außen wirkt der weiße BMW 330e wie ein ganz normaler 3er, sieht man mal von den großflächigen Aufklebern der ZF ab, die das Konzept, das in dem Auto steckt, „EVplus“nennt, „Electric Vehicle plus“. Das Fahrzeug gibt es bereits heute serienmäßig als Hybrid, also mit einer Kombination aus Verbrenner und EMaschine. Wer sehen will, woran die Techniker für diesen Prototyp des von ZF-Chef Wolf-Henning Scheider „Volkshybrid“genannten Antriebs vor allem geschraubt haben, der muss den Kofferraum öffnen. Dort fehlen rund 20 Liter oder etwa zwei
Zentimeter im Vergleich zum Serienfahrzeug. Den Platz füllt eine 35Kilowattstunden-Batterie, die größer ist als der normalerweise verbaute Stromspeicher mit einer Kapazität von 7,6 Kilowattstunden. Zusatzgewicht: 150 Kilogramm.
Mindestens 100 Kilometer rein elektrisches Fahren verspricht ZF bei der Autoübergabe zur einwöchigen Probefahrt – und hält das Versprechen mehr als ein. 128,7 Kilometer weit kutschiert der BMW den „SZ“-Testfahrer, bis sich der Verbrennungsmotor zuschaltet – übergangslos, nicht zu spüren, wohl aber zu hören, übrigens. Mit dieser Reichweite können die allermeisten alltäglichen
Fahrten erledigt werden, ohne Benzin zu verbrennen. Für weitere Strecken – etwa zum Familienbesuch oder in den Urlaub – steht der herkömmliche Motor zur Verfügung. Er nimmt dem Fahrer auch die Angst, mit leerer Batterie irgendwo liegen zu bleiben.
Die serienmäßige Ausstattung im Cockpit bietet stets einen guten Überblick über die Ladelage. Im Display ist – analog zur digitalen Tankanzeige – ablesbar, zu wie viel Prozent die Batterie entladen ist und wie weit der 3er noch rein mit Strom angetrieben fahren kann. Wer mag, kann sich farblich anzeigen lassen, ob das Auto gerade elektrisch oder konventionell unterwegs ist und wann Bremsenergie die Speicher füllt. Dass ein Elektroauto beim Anfahren die meisten Benziner stehen lässt, ist nichts Neues. Dass man dabei aber so gut wie nichts aus der Motorhaube hört, ist gewöhnungsbedürftig. Fast lautlos, geschmeidig, mit gehörigem Abzug ist man als Hybridfahrer unterwegs. Bei gut 120 Stundenkilometern ist allerdings Schluss mit der Elektroherrlichkeit. Wer auf der Autobahn richtig Gas geben will, muss das Pedal ganz durchtreten und so den Verbrenner ins Spiel holen. Das passiert auch beim Überholen, wenn beide Antriebe gemeinsam und spürbar für Beschleunigung sorgen.
Aufgeladen wird der Plug-in-Hybrid am besten während der Arbeitszeit oder über Nacht – entweder an einer Ladesäule oder mithilfe einer ganz gewöhnlichen Steckdose. Letzteres dauert dann aber bis zu zehn Stunden. Überhaupt ist die Aufladerei durchaus ein Thema. Zwar schießen allerorten Säulen aus dem Boden, je nach Betreiber braucht man aber diese oder jede Karten, diesen oder jenen Code, diese oder jede App. Für das heimische Laden musste der Testfahrer – unter Missachtung der ein oder anderen Sicherheitsempfehlung – ein Kabel von der Terrasse bis vors Haus ziehen. Was im ersten Anlauf nichts genutzt hat, denn ein Teil des Kabels befand sich noch auf der Trommel. Hätte der Journalist in Physik aufgepasst, dann hätte er gewusst, dass das gerollte Kabel ein Magnetfeld erzeugt und damit Wärme und Widerstand. Gut, dass sich die Trommel selbst aus dem Verkehr gezogen hat. Offenkundig wurde jedenfalls, dass Häuser und Garagen oft leitungstechnisch noch nicht im Elektrozeitalter angekommen sind. Das Laden selbst ist absolut problemlos. Grünes Licht an der Steckdose am Auto: Akku voll, blaues Licht: Akku lädt.
Wenn ZF seinen „Volkshybrid“anpreist, dann setzt der Konzern argumentativ auf Umweltschutz und Effizienz. Es sind aber auch knallharte betriebswirtschaftliche Gründe, die hinter der Konzentration auf diese Antriebsform stecken. Allein in Saarbrücken, dem größten ZF-Produktionswerk in Deutschland, arbeiten rund 9000 Menschen am automatischen Pkw-Getriebe 8HP. Vor dem Hintergrund wird verständlich, warum sich Management und Betriebsräte über milliardenschwere Pkw-Getriebeaufträge von BMW, Fiat-Chrysler und Jaguar Land Rover mit laut ZF wachsendem Hybridanteil mehr als gefreut haben. Setzt sich die Hybrid-Technik durch, dann sichert sie in Zeiten der sich rasch verändernden Autoindustrie auch Tausende Arbeitsplätze im Konzern.