Zwei Europäer um 1800
Aufschlussreiche Ausstellung im Historischen Museum zu Wilhelm und Alexander von Humboldt
BERLIN (epd) - Mitten im Raum steht ein Krokodil auf einem Sockel. Das Maul ist leicht geöffnet, die Zähne sind deutlich zu erkennen. 1805 hatte Alexander von Humboldt die antike Skulptur aus Marmor in Rom gesehen, als er seinen Bruder Wilhelm, den preußischen Gesandten dort, besuchte. Gerade war Alexander von seiner amerikanischen Expedition zurückgekehrt. Mit echten Krokodilen kannte er sich aus. Am Rio Magdalena im tropischen Regenwald Kolumbiens, aber auch auf Kuba hatte er die verschiedensten Arten studiert, sie gezeichnet und seziert.
Hier in Rom nun interessierte ihn, wie genau der Bildhauer der Antike gearbeitet hatte. „Er geht als Naturwissenschaftler daran, fängt an, die Zähne zu zählen und zu gucken, ob das Krokodil eine Zunge hat“, erklärt Bénédicte Savoy. Gemeinsam mit David Blankenstein hat sie die erste umfassende Ausstellung über die Humboldt-Brüder im Deutschen Historischen Museum in Berlin kuratiert.
Ausgehend von den unterschiedlichen Lebenswegen der Brüder thematisiert die Schau in sieben Sektionen das Verhältnis von Wissen und Macht, von Reisen und Erkenntnis, von Mensch und Natur. Das Krokodil aus Marmor, das erstmals seit 1774 die Vatikanischen Museen verlassen durfte, ist eines der Highlights. Es schlägt eine Brücke zwischen Amerika und Europa, zwischen der Antike und der Zeit um 1800, aber auch zwischen den Brüdern Humboldt selbst.
Mit rund 350 Objekten aus ganz Europa bettet die Ausstellung ihr Denken und Wirken ein in die Strömungen
ihrer Zeit. In den vergangenen Jahren, kritisieren die Kuratoren, sei der Name Humboldt zur Formel geworden – Wilhelm als Bildungsreformer, Alexander als Weltbürger und Abenteurer. Bénédicte Savoy: „Wir wollen sie zusammen mit ihrer Epoche denken, zwei Europäer um 1800, und die historischen Tiefe wiederherstellen, die komplett fehlt.“
Wilhelm (1767-1835) und Alexander (1769-1859) wuchsen im Schloss Tegel am Rande Berlins auf. Bereits als Kinder genossen sie eine umfassende Bildung im Sinne der Aufklärung, der das Auftaktkapitel unter dem Titel „Kindheit ohne Gott“nachgeht. Weiter geht es dann mit der Rolle der Brüder in der europäischen Politik oder den wissenschaftlichen Forschungen der beiden. Zu den Überraschungen der Schau gehört die Entdeckung des Reisenden Wilhelm von Humboldts. Während sein Bruder Alexander um 1800 in den Regenwäldern Südamerikas unterwegs war, reiste Wilhelm für anthropologische Studien 9000 Kilometer durch Frankreich bis an die Südküste Spaniens.
Zum Schluss kehrt die Ausstellung zurück nach Berlin, wo zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Erkenntnisse der Humboldt-Brüder in der Gründung der Berliner Universität, der Sternwarte und dem ersten preußischen Museum mündeten.