Im Schwarzwald zu neuer Blüte
Skispringerin Agnes Reisch vom WSV Isny hat den Sprung in den Weltcupkader geschafft
ISNY - Wenn die deutschen Skisprungfrauen der Frauen Anfang Dezember zum Weltcup-Saisonauftakt ins norwegische Lillehammer aufbrechen, wird erstmals auch Agnes Reisch als festes Teammitglied dabei sein. Fast vier Jahre hat sie gebraucht, um seit ihrem Weltcupdebüt in Oberstdorf an diesen Punkt zu kommen. Den entscheidenden Schub bekam Reisch im vergangenen Frühjahr – durch ihren Wechsel in den Schwarzwald.
Agnes Reisch liebt ihre Allgäuer Heimat. So oft es geht, ist sie bei ihren Eltern in Missen zu Besuch, dann wird auch schon mal das Dirndl raus geholt, um sich ganz und gar heimisch zu fühlen. Doch noch mehr liebt Reisch das Skispringen. Und deshalb hadert sie nicht mit ihrer Entscheidung aus dem vergangenen Frühjahr, ein gutes Stück weiter weg zu ziehen von Missen; nämlich von Oberstdorf an den Olympiastützpunkt Hinterzarten. Reisch hat vor allem sportlich auch gar keinen Grund dazu. Denn dort, unter Trainer Rolf Schilli, dem Leiter des Stützpunkts, ist die 20-Jährige so richtig aufgeblüht. „Eine super Lösung“, nennt Agnes Reisch das, was ihr unter Schillis Anleitung gelingt. Denn sie fand dort die alles entscheidende Antwort auf viele entscheidende Fragen, die sie sich in den vergangenen Jahren seit ihrem Weltcupdebüt stellte.
Es ging richtig gut los damals, am 30. Januar 2016, als Agnes Reisch erstmals ihr Sprungvermögen im Weltcup zeigte. Auf Anhieb landete die 16-jährige Schülerin auf Platz 13, war sofort beste Deutsche und stand wenige Minuten danach am ARDMikrofon. Von da an wusste ein Millionenpublikum, wer diese Agnes Reisch aus Missen im Allgäu, für den WSV Isny startend, ist. So steil ihre Entwicklung bis dahin war, so schwierig verliefen die Jahre danach. Festes Mitglied in der deutschen
Mannschaft der Skispringerinnen wurde sie nie richtig. Das lag nicht zuletzt an der starken nationalen Konkurrenz.
Gute Ergebnisse lieferte Reisch trotzdem – aber fast gar nicht mehr im Weltcup, wo sie nur sporadisch eingesetzt wurde, sondern im zweitklassigen Continentalcup. Ganz vorne landete sie bei Junioren-Weltmeisterschaften. 2017 gewann sie mit der Mannschaft die Goldmedaille, im Mixedteam gab es dazu Silber. Zwei Jahre später schaffte sie noch einmal Silber mit der Mannschaft und Bronze mit dem Mixedteam. Agnes Reisch schwankte in ihrer Entwicklung, immer wieder störten sie auch größere oder kleinere Verletzungen.
Im vergangenen Frühjahr dann die Zäsur: Reisch machte ihr Abitur, ihre Zeit in Oberstdorf im Sportinternat ging damit ebenfalls zu Ende. Eventuelle Gedanken, ob es für sie überhaupt irgendwo weitergehen würde, kamen bei Agnes Reisch nicht auf. „Ich habe an mich geglaubt“, sagt sie. Und sollte damit richtig liegen. Denn zügig tat sich die Möglichkeit auf, an den Olympiastützpunkt Hinterzarten zu Rolf Schilli zu wechseln. „In Oberstdorf war ich nicht voll zufrieden, das hat sich geändert“, sagt Reisch nach wenigen Monaten. Den Schilli hatte ganz offenbar genau die richtigen Ansätze, die es brauchte, um die Allgäuerin einen entscheidenden Schritt weiterzubringen.
Im März wurde Reisch fester Teil von Schillis Trainingsgruppe, im Juni folgte der Umzug in eine Wohnung nach Furtwangen, nahe Hinterzarten. Der zurückliegende Sommer brachte schnell gute Ergebnisse. Beim Sommer-Grand-Prix in Hinterzarten wurde sie als Sechste beste Deutsche. Das sorgte schon für Aufsehen. „Als ich ankam, wusste niemand, was ich kann“, sagt Reisch. Nach diesem Einzelwettbewerb wussten es alle. Und erst recht nach dem Mixedwettbewerb, für den sie sich qualifiziert hatte. Mit Juliane Seyfarth, Karl Geiger und Richard Freitag holte sie den Titel. Beim Sommer-Grand-Prix in Courchevel legte sie im Einzel mit Platz zehn nach „Da habe ich gezeigt, dass Hinterzarten keine Eintagsfliege war“, freut sich Reisch. Abgerundet wurden ihre Ergebnisse mit einem dritten Platz bei den Deutschen Meisterschaften.
Der Lohn fällt üppig aus. Agnes Reisch hat den Sprung ins deutsche Weltcupteam geschafft. Natürlich profitiert sie auch von der einen oder anderen schweren Verletzung unter ihren nationalen Konkurrentinnen. Aber nicht zuletzt hat sie es auch durch ihre eigenen Leistungen verdient, beim Weltcupauftakt am 7. und 8. Dezember in Lillehammer dabei zu sein. Reischs Saisonziel: unter die besten 15 kommen.