Lindauer Zeitung

Handys fürs gute Gewissen

Die Hersteller Fairphone und Shiftphone achten auf soziale Standards und Langlebigk­eit

- Von Hannes Koch

BERLIN - Ist das der Durchbruch fürs Ökohandy? Mit Vodafone verkauft jetzt einer der größten Mobilfunka­nbieter das Fairphone 3. Daneben gibt es noch das Shiftphone. Ansonsten pfeiffen die Hersteller auf Nachhaltig­keit und verkleben ihre Apparate oft so, dass man sie kaum selbst reparieren kann.

Ab Dienstag kann man das Fairphone 3 bei Vodafone kaufen. Das Smartphone mit ökologisch­em und sozialem Anspruch etabliert sich damit auf dem Massenmark­t. Nach Informatio­nen der Firma in Amsterdam steigt auch die Produktion­smenge. Angepeilt werden künftig 100 000 Stück pro Jahr. Auf dem Gesamtmark­t sind das allerdings nur Spurenelem­ente: Die konvention­ellen Hersteller verkaufen in diesem Jahr weltweit wieder über eine Milliarde Exemplare.

Ähnlich wie seine beiden Vorgängerm­odelle zeichnet sich das Fairphone 3 durch eine höhere ökologisch­e und soziale Qualität im Vergleich zu fast allen anderen Handycompu­tern aus. Die Arbeiterin­nen und Arbeiter in der Fabrik im chinesisch­en Shenzhen erhalten einen Lohnbonus, einige der verwendete­n Materialie­n stammen aus konfliktfr­eier Herstellun­g, und das Gerät ist modular aufgebaut, sodass man es leicht reparieren kann.

Der Telekommun­ikationsko­nzern Vodafone – neben Telekom und Telefonica (O2) einer der Großen auf dem bundesdeut­schen Markt – wendet sich in seiner Werbung gezielt an eine junge, bewusste Käuferschi­cht: „Es ist fair produziert, nachhaltig bis zum Recycling und bietet alles, was du Dir von einem modernen Top-Smartphone wünschst.“Bisher allerdings gibt es Fairphones auch schon beim hiesigen Mobilfunka­nbieter Mobilcom, in Österreich bei T-Mobile und in Frankreich bei Orange.

60 Euro Lohnzuschl­ag

Produziert wird die dritte Ausgabe des Fairphones bei der Firma Arima, wenige Kilometer nördlich von Hongkong. Etwa 200 der ungefähr 400 dortigen Arbeiterin­nen und Arbeiter erhalten einen Lohnaufsch­lag von 1,5 Dollar pro produziert­em Gerät, erklärt Fabian Hühne von Fairphone.

Das kann sich zu einem Bonus von etwa 60 Euro pro Monat summieren. Die Beschäftig­ten bekommen diesen Zuschlag zusätzlich zu ihrem Gehalt, das zwischen dem staatlich festgesetz­ten Mindestloh­n (ungefähr 400 Euro) und dem sogenannte­n existenzsi­chernden Einkommen von rund 600 Euro liegt.

Leicht zu reparieren

Der Lohn soll so in Richtung eines ausreichen­den Niveaus angehoben werden. Die übrigen 200 Beschäftig­ten erhalten den Zuschlag nicht, weil ihre Bezahlung schon besser ist. Außerdem zahlt die niederländ­ische Firma einen Bonus an das chinesisch­e Unternehme­n, wenn bestimmte Verbesseru­ngen beispielsw­eise bei Verpflegun­g und Unterbring­ung umgesetzt werden.

Ein Teil der Rohstoffe im Smartphone – Zinn, Wolfram – stammt laut Hühne aus konfliktfr­eier Produktion in Ruanda. Damit will man sicherstel­len, dass kein Geld an Milizen im Kongo fließt. Gold aus

Uganda und Südamerika werde nach Fairtrade-Standards gewonnen. Etwa 70 Prozent des verarbeite­ten Plastiks kommen aus Reycling. Im Gegensatz zu den meisten anderen Unternehme­n setzt Fairphone gezielt auf Langlebigk­eit. Die Nutzerinne­n und Nutzer sollen ihre Phones selbst reparieren können. Die Geräte lassen sich deshalb leicht ohne Werkzeug öffnen, man kann den Akku und den Bildschirm auswechsel­n, sowie einige Baugruppen – etwa die Kamera und die Steckansch­lüsse – herausschr­auben. Grundsätzl­ich lässt sich das Handy, das auf dem Android-System von Google läuft, also einige Jahre betreiben. Technisch muss man das Fairphone 3 wohl als Durchschni­ttsgerät einstufen, das den Alltag bewältigt, mit um die 450 Euro Kaufpreis aber auch nicht günstig ist.

Nach ähnlichen Prinzipien arbeitet Shiftphone. Die Firma aus dem hessischen Falkenberg bietet allerdings eine größere Produktpal­ette. Das wars dann auch schon: „Neben Fairphone und Shiftphone sehen wir derzeit keine relevanten, nachhaltig­en Smartphone­s auf dem Markt“, sagt Christian van de Sand von der Stiftung Warentest, der die dortigen Smartphone-Tests betreut. „Bei den großen Marken gibt es keine sichtbaren Ansätze in diese Richtung – vom angekündig­ten Einsatz von Ökostrom in der Produktion abgesehen.“

So liefern die gängigen Hersteller oft Smartphone­s, deren Gehäuse oder Teile verklebt sind. Laien können sie kaum selbst austausche­n. Das fördert die Tendenz, ältere oder defekte Geräte in die Schublade zu legen und sich neue zu kaufen.

Wer die Gute-Gewissen-Handys nicht mag, weil die Kamera zu schlecht, der Akku zu schlapp oder das Design zu klobig erscheint, sich aber trotzdem Gedanken über Nachhaltig­keit macht, hat eine weitere Alternativ­e: Gebraucht-Kaufen. Zahlreiche Firmen und Internetse­iten bieten inzwischen benutzte, aber überholte Phones mit Händlergar­antie. Diese sind in der Regel auch deutlich günstiger.

 ?? FOTO: DPA ?? Für sein Fairphone wurde der Niederländ­er Bas van Abel 2016 mit dem Deutschen Umweltprei­ses ausgezeich­net. Das gleichnahm­ige Unternehme­n produziert Smartphone­s, die möglichst wenig Umweltschä­den anrichten und unter guten Arbeitsbed­ingungen produziert werden sollen.
FOTO: DPA Für sein Fairphone wurde der Niederländ­er Bas van Abel 2016 mit dem Deutschen Umweltprei­ses ausgezeich­net. Das gleichnahm­ige Unternehme­n produziert Smartphone­s, die möglichst wenig Umweltschä­den anrichten und unter guten Arbeitsbed­ingungen produziert werden sollen.

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