Schuhe bewegen
Unterhaltsame Schau im Münchner Stadtmuseum
MÜNCHEN - Die Sache ist simpel: „Klack-klack-klack muss ein Schuh machen“, dann sei das unglaublich sexy, sagt Manolo Blahnik. Ab einer gewissen Höhe, möchte man ergänzen. Denn was der Lieblingsdesigner von Bianca Jagger bis Kate Moss seinen Kundinnen unter die Füße schiebt, will beherrscht werden. Nur dann macht das Klacken auch was her – und Mister Big beißt an. Wie in „Sex and the City“, der US-Fernsehserie, die Blahniks High Heels endgültig den Kultstatus beschert hat.
Manolos dürfen jedenfalls in keiner Schuhausstellung fehlen, und natürlich steht das Modell „Hangisi“, in dem sich Großstadtsirene Carrie Bradshaw vermählt hat, jetzt auch im Münchner Stadtmuseum: aus blauem Satin mit Glitzerbrosche, Absatzhöhe 105 Millimeter. Das ist beachtlich. Neben den zuweilen monströsen Künstlerkreationen der Schau kommt der elegante Klassiker dann aber fast brav daher. Ob das nun Kobi Levis „Blond Ambition“-Shoes mit Haarzopf sind, die Madonna 1990 auf ihrer World-Tour zur legendären Kegel-BH-Corsage von Jean-Paul Gaultier getragen hat, oder die spacige Kreation „Cube“von Peter Popps, bei der sich Sohle und Absatz wie die Enden eines Geweihs aufeinander zu bewegen. Auf solchen Dingern hat selbst Lady Gaga keinen Schritt getan und blieb im Video zum Album „Artpop“lieber mal auf dem Sofa sitzen.
Diese sehr abgedrehten Unikate mit Oktopusarmen, Scherben, Dildos oder Messerklingen sind vor allem Hingucker und keineswegs geschaffen, um „Ready to go“zu sein, wie es im Ausstellungstitel heißt. Das trifft allerdings auch für manche Samtund-Seiden-„Chaussure“der barocken Obrigkeit zu. Man tänzelte ein paar Schritte durch den Salon oder ließ sich in der Kutsche fahren, also durften die wie geschnürte Hüften geschwungenen „Louis quinze“-Absätze gerne etwas höher sein. Bei Frauen wie Männern. Schließlich ging es darum, die gesellschaftliche Position zu demonstrieren und sich vom Volk nach oben abzusetzen.
Die adligen Herren taten das seit der Regentschaft des Sonnenkönigs Ludwig XIV. übrigens mit roten Absätzen und einigem Zierrat am Rist, das war ihr Privileg. Dass über 100 Jahre später, während der Französischen
Revolution, der Kampfruf „Nieder mit den Schuhschnallen!“durch die Pariser Gassen gebrüllt wurde, ist wenig überraschend. Das zeigt aber auch, was auf relativ kleinem Raum alles zum Ausdruck kommen kann: Status und Statement, Macht und Unterdrückung sowie die schier endlosen Spielarten von der Lust bis zur Pein. Man denke nur an den Einsatz der Stilettos und auf der anderen Seite an die sogenannten Lotusfüße, die das Resultat eines einzigen Martyriums gewesen sind.
Bis zum endgültigen Verbot 1949 unter Mao Zedong war es in China über tausend Jahre lang üblich, weibliche Füße einzubinden, um sie klein zu halten. Der tippelnde Gang der Frauen galt als erotisch und verwies auf den Wohlstand des Mannes. Mit acht bis zwölf Zentimeter langen Füßchen konnte man weder zum Arbeiten aufs Feld, noch ohne stützende Begleitung auf die Straße.
Dagegen ist der Hallux valgus eine – wenngleich schmerzhafte – Petitesse und häufig das Ergebnis eingezwängter Zehen und zu hoher Absätze. Bei Stöckelschuhträgerinnen, besagen orthopädische Studien, sei das Hallux-Risiko um bis zu 150 Prozent höher als bei Damen, die flache Sohlen bevorzugen. Ganz zu schweigen von den Tausenden Amerikanerinnen, die in den letzten zehn Jahren wegen umgeknickter Knöchel, Krämpfen und anderem Malheur in den Notaufnahmen der Hospitäler gelandet sind. „Sex and the City“dürfte eine Teilschuld treffen.
Aber das Phänomen ist ja nicht neu. In den späten 1950er-Jahren avancierten Pumps mit schmalen Spitzen und irren Pfennigabsätzen zum Must-have. Man wollte zeigen, dass die Not(beschuhung) überstanden war – erstaunlich, was man aus Stroh, Holz, Reifengummi und sonst was zusammengeschustert hatte – und endlich wieder ladylike auftreten. Wenn das entsprechende Kleingeld vorhanden war, luxuriös in Dior, Ferragamo, Perugia oder Jourdan.
Wobei man nicht vergessen darf, dass Mode fast ausschließlich von Männern entworfen wurde, die den weiblichen Komfort kaum im Blick hatten. Nach wie vor sind die Designer in der Überzahl, doch das Verhältnis zu flachen Schuhen hat sich im Verlauf der letzten 100 Jahren grundlegend verändert. Erst waren es die Suffragetten der Zwanziger, die zu den Brogues, Derbys und Budapestern der Herren griffen, in den Siebzigern dann die Feministinnen. Und zur sexuellen Revolution in den späten Sechzigern kamen dann gleich noch die Stiefel. Den Sound dazu lieferte Nancy Sinatra mit „These Boots Are Made for Walking“.
Mittlerweile geht alles. Chucks, Birkenstocksandalen, Dr. Martens und die Schnallen-Pikes der GothicSzene,
Plateau-Sneakers, Cowboystiefel, Creepers, Bikerboots – gerne modisch aufgebrezelt und am besten noch durch einen Star geadelt. All das ist im Stadtmuseum ausgebreitet bis hin zu Fetisch-Overknees in Lack und Latex. Verstecken muss sich nichts mehr, und selbst Waffenscheinpflichtiges hat sich nonchalant in den Alltag geschmuggelt. Bis auf die ziemlich provokativen Pferdehuf-Stiefel samt Revolver-Absätzen von Iris Schieferstein. Aus Kadavern vom Schlachthof schafft die Bildhauerin faszinierend bizarre Fabelwesen, die Tierschützer aus der Fassung bringen. Doch das zeigt nur: Im Schuh steckt immer noch Zündstoff.