Mit Dampfbügeleisen und Holzkopf
Unter Zeitdruck einen Filzhut ganz von Hand, ohne Form, über einen Holzkopf zu ziehen und mit dem heißen Dampfbügeleisen herauszuarbeiten – davor ist Veronica keineswegs bange. Die zierliche junge Frau besitzt das Können, die Konzentrationsfähigkeit und Kraft, vor allem die Begeisterung für diese Arbeit, wie es sich ihre Ausbilderin Brigitte Allweier nur wünschen kann. Allweier selbst hat vor 42 Jahren als Lehrling bei Seeberger begonnen, ihre Freude an diesem Beruf ist ungebrochen, und die möchte sie gerne weitergeben. Unterstützt von jungen Kolleginnen, die, wie die Meisterin betont, einzelne Techniken
besonders gut beherrschen und von denen ihre Auszubildenden viel lernen können. Etwa das punktgenaue Zusammennähen eines mehrere Meter langen, wenige Millimeter breiten Strohgeflechts zu einem formvollendeten Panamahut. Oder das saubere Verfertigen eines Hutsaumes, Bridé genannt. Je nach Material ist das eine heikle Angelegenheit. Neben klassischen Hutformen sollen laut Lehrplan der betrieblichen Ausbildung alle Arten von Kopfbedeckungen hergestellt werden. In der Praxis bedeutet das für angehende Modistinnen fast grenzenlose Möglichkeiten. Sie reichen vom Westernhut über den Turban bis zum extravaganten Fascinator. Entsprechend anregend ist die Atmosphäre im Atelier, eine Welt aus tausend Farben und Stoffen, feinstes Seidenchiffon findet man hier ebenso wie synthetische Funktionsmaterialien. Vor allem die Garnituren erfordern viel Fantasie und Fingerspitzengefühl. Oft sind es kleine Kunstwerke, die dabei herauskommen. Veronica zeigt eine soeben fertiggestellte, topaktuelle Winterkappe aus Wollweichmaterial und Filz mit einem fedrigen Bommel darauf: „Den kann man sogar abnehmen und waschen.“Ihre Vorliebe für originelle, verspielte Kreationen teilt Veronica mit Sinayda Pley, die kürzlich bei Mayser ihre Ausbildung absolviert hat und dafür extra aus Aachen in die Hutstadt im Allgäu gezogen ist. Ihr „Sommer-Winter-Modell“ist ein mutiger Mix aus Jeans- und Jerseystoff mit farbenfrohen Blumenmotiven, als besonderen Pfiff hat sie darauf ein Stückchen Schleier drapiert. „Das Schöne ist, dass man nie weiß, was am Ende dabei herauskommt“, sagt Sinayda. An der Ausbildung gefällt ihr, dass sie immer zu einem greifbaren Ergebnis führt. „Wenn zum Beispiel Schnitte auf dem Lehrplan stehen, werden nicht stur Schnitte geübt, sondern es wird immer ein ganzer Hut daraus, denn nur so kann man herausfinden, ob ein Schnitt auch tatsächlich passt.“Erfolgserlebnisse hat Sinayda auch im Laden. Die Beratung der Kunden ist ein reizvoller Teil der Ausbildung. Wie man Menschen überzeugt, denen der rechte Mut zum Hut fehlt, weil sie „nicht auffallen wollen“, kann sie zum Beispiel von Alexandra Nowack lernen, die damit fast dreißig Jahre Erfahrung hat.
Andererseits tut sich da was. Wie Ulrike Aßfalg, die bei jungen Damen einen Trend hin zu klassischen Herrenhüten beobachtet wie dem Homburger, stellt auch Nowack fest, dass sich immer mehr Menschen in puncto Kopfbedeckung etwas trauen. In der vergangenen Hochzeitssaison etwa trugen nicht nur auffallend viele Bräute Hut, sie wünschten sich dies auch für alle weiblichen Gäste. Die Damen suchen dann etwas Passendes zum Kleid, sagt Nowack. Gerne ändert sie ein Modell auch nach den Wünschen der Kundin ab oder verpasst ihm eine neue Garnitur. Für diese kreative Arbeit, die ihr am meisten Spaß macht, gibt es eigens ein kleines Atelier überm Laden.